Im 4. Quartal 2022 konnten Apotheken an 26% der Patienten nicht das verordnete Präparat ausgeben, hat jetzt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zusammengefasst. In 10% der Fälle waren verordnete Generika in diesem Zeitraum nicht lieferbar.
Übersicht über die Arzneimittelversorgung geben die Abrechnungsdaten der Apotheken. Damit sind Lieferengpässe bei verordnungspflichtigen Medikamenten jedoch nur schwer zu messen. Der Grund hierfür ist, dass nicht dokumentiert wird, was nicht abgegeben werden konnte. Ein Indikator für die Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels ist die September 2019 eingeführte Sonder-Pharmazentralnummer (PZN) 02567024. Sie wird verwendet, wenn statt des rabattierten bzw. preisgünstigsten Präparats ein wirkstoffgleiches Arzneimittel eines anderen Herstellers abgegeben wurde. Sie kommt zwar nur im Generika- und importrelevanten Markt zum Tragen, aber eine Betrachtung ihrer Häufigkeit als Zeitreihe weist auf eine aktuelle Verschärfung der Lage im Gesundheitssystem hin.
Problematik verschärft sich Ende 2022
War die Anzahl der abgerechneten Sonder-PZN für nicht verfügbare verordnete Arzneimittel im Jahr 2021 und in den ersten neun Monaten 2022 relativ stabil, steigt sie im vierten Quartal 2022 deutlich an. Bei 10% der Verordnungen konnten Apotheken nicht auf das eigentlich abzugebende Präparat (z. B. Rabattarzneimittel) zurückgreifen. Dies betraf 26% der Patienten mit einer Verordnung. Davon waren auch häufig verordnete Wirkstoffe betroffen. Rund 75% aller verordnenden Praxen hatten mindestens einen betroffenen Patienten. Fälle, in denen die Apotheke ein neues Rezept in der Arztpraxis anfordern musste, weil der verordnete Wirkstoff überhaupt nicht verfügbar war, sind hierbei nicht erfasst. Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Auswertung der vertragsärztlichen Arzneiverordnungsdaten für die Jahre 2021 und 2022, die das Zi Ende Februar 2023 veröffentlicht hat.
26% der Patienten bekam nicht das verordnete Medikament
„Die Gründe für Lieferengpässe sind vielschichtig. Neben nicht ausreichenden Produktionskapazitäten oder dem Rückzug einzelner Hersteller können auch kurzfristige Veränderungen im Krankheitsgeschehen zu Problemen führen. So ist im Dezember 2022 von Versorgungsschwierigkeiten bei Antibiotika mit den Wirkstoffen Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure und Penicillin V berichtet worden. Dies war eine besondere Herausforderung, da viele Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, in diesem Zeitraum an einer bakteriellen Infektion erkrankten. Der Markt konnte jedoch nicht zeitnah genug auf den gesteigerten Bedarf reagieren. Während im vierten Quartal 2021 die drei Wirkstoffe knapp zwei Millionen Mal verordnet wurden, waren es im vierten Quartal 2022 mehr als 3,1 Millionen Verordnungen (+57%). Insbesondere bei so wichtigen Wirkstoffen wie Antibiotika sollte daher neben stabilen Lieferketten auch eine Reserve vorgehalten werden“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
Frühzeitig präventive Maßnahmen sind gefordert
Um Lieferengpässe wirklich zu reduzieren oder gar zu verhindern, müsse die Politik an den tatsächlichen Ursachen ansetzen und mehr Transparenz über Lieferwege schaffen. Diese seien oftmals allein den jeweiligen Pharmafirmen im Detail bekannt, so von Stillfried weiter. „Konkret heißt das: Abhängigkeiten von Lohnherstellern in Asien zurückfahren und verbliebene Standorte in Europa stärken sowie Lieferengpässe konsequenter überwachen, damit frühzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden können.“
Hinweis: Ob das, am 14 Februar als Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vorgelegte „Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – ALBVVG) in der Lage sein wird, die Lieferengpass-Problematik zu beseitigen, wird derzeit innerhalb und außerhalb der Selbstverwaltung kritisch diskutiert.
* Zi-Grafik des Monats „Im 4. Quartal 2022 konnte an 26 Prozent der Patient:innen von Apotheken nicht das verordnete Präparat ausgegeben werden“. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Berlin, 28.2.2023 (https://www.zi.de/das-zi/medien/grafik-des-monats/detailansicht/im-4-quartal-2022-konnte-an-26-prozent-der-patientinnen-von-apotheken-nicht-das-verordnete-praeparat-ausgegeben-werden).
* Refererentenentwurf „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) - Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“. Bundesministerium für Gesundheit, Bonn, 14.2.2023 (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/albvvg.html).