Forscher aus Deutschland haben jetzt das hirnspezifische „saure Gliafaserprotein“ (GFAP) als potentiellen Biomarker der Alzheimer-Demenz identifiziert, der bereits 17 Jahre vor der klinischen Diagnose der Demenz erhöht ist.
Es sind bereits mehrere Blut-Biomarker bekannt, deren Spiegel bei einer Alzheimer-Demenz charakteristischerweise ansteigen. Dazu zählt etwa P-tau 181, das im Zuge der Alzheimer-Differentialdiagnostik bestimmt wird, oder NfL (Neurofilament light chain), ein Biomarker für Neurodegeneration, sowie das GFAP, ein charakteristischer Zellbaustein in bestimmten Hirnzellen. „Wir wollten nun wissen, ob bei Menschen, die später im Leben an Alzheimer erkranken, einer oder mehrere dieser Marker bereits lange vor den ersten Symptomen nachweisbar ist“, sagte Professor Dr. Hermann Brenner, Leiter der Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).
Für die Untersuchung konnte das Team um Brenner Blutproben von Teilnehmern der ESTHER-Studie nutzen, einer gemeinsam mit dem Saarländischen Krebsregister durchgeführten Kohortenstudie, die seit 2000 läuft. Im Rahmen der aktuellen Arbeit berücksichtigte das Forscherteam die Ausgangs-Blutproben von 145 ESTHER-Probanden, bei denen im Verlauf von bis zu 17 Jahren Nachbeobachtungszeit eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert wurde. Als Kontrollgruppe wurden 507 Teilnehmer ohne Demenzdiagnose zufällig ausgewählt.
Marker für eine später Alzheimer-Demenz?
Die Auswertung zeigte, dass erhöhte GFAP-Spiegel im Blut bei Menschen, die an Alzheimer erkranken, bereits bis zu 17 Jahre vor der Manifestation auftraten. Zudem hatte ein erhöhter GFAP-Spiegel die höchste Vorhersagekraft der drei untersuchten Marker für eine spätere Alzheimer-Demenz. Die Blutkonzentrationen der beiden anderen untersuchten Biomarker, NfL und P-tau 181, stiegen erst etwa neun Jahre vor der Manifestation der Erkrankung an. Der Vorhersagewert erhöhter NfL- und P-Tau 181-Spiegel war bei Studienteilnehmern mit niedrigen Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen am höchsten. Dies ist vor dem Hintergrund bedeutsam, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen während aller Stadien der Demenz-Entwicklung den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen können.
„Wir haben mit unserer Untersuchung erstmals Hinweise dafür gefunden, dass ein Anstieg der Konzentration von GFAP im Blut ein sehr früher Alzheimer-Risikomarker sein könnte. Erhöhte P-tau 181-Spiegel wurden dagegen bereits seit längerem als Alzheimer-Risikomarker diskutiert. Allerdings müssen hier weitere und möglichst noch größere Studien klären, wann genau die Konzentration dieses Markers messbar ansteigt, um einen möglichen Einsatz für die Früherkennung und Prävention bestmöglich zu bestimmen“, erklärt Erstautorin Dr. Hannah Stocker vom Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg.
Das GFAP ist ein sich zu Polymeren zusammenlagerndes Protein mit einem Molekülgewicht von 49.883 Dalton und stellt im komplexen Netzwerk von Proteinfilamenten einen wichtigen Bestandteil des Zytoskeletts von Astrozyten dar. Das Protein ermöglicht die Modulation der Astrozytenform und -motilität sowie die Sicherung der strukturellen Stabilität bei astrozytären Prozessen. Zudem ist GFAP an der Integrität der Blut-Hirn-Schranke beteiligt. Ein erhöhter GFAP-Gehalt wurde nach Traumata, Entzündungen und neurodegenerativen Erkrankungen im Hirngewebe festgestellt. Das Protein spielt zudem eine wichtige Rolle in der Astrogliose, einem Reparaturvorgang im Hirngewebe mit Proliferation von reaktiven Astrozyten nach Gewebeverletzungen (Goede A et al., Rechtsmedizin, 2015. DOI 10.1007/s00194-015-0040-7).
Pressemitteilung Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), März 2022
Stocker H et al.: Alzheimers Dement. 2022 Mar 2 (DOI 10.1002/alz.12614 | PMID 35234335)