In der weltweit ersten Studie haben Forscher der Universität Leipzig untersucht, ob Heißhungerattacken (binge eating) mit Hilfe von Elektroenzephalografie (EEG)-Neurofeedback beeinflusst werden können. Die Binge-Eating-Störung ist international die häufigste Essstörung. Hintergrund der Untersuchung ist die Beobachtung verschiedener Arbeitsgruppen, dass bei Menschen mit Binge-Eating-Störung Veränderungen im EEG auftreten. Im Rahmen der Pilotstudie gelang es, Essanfälle durch das Verfahren deutlich zu reduzieren.
Insgesamt nahmen 39 Erwachsene mit Binge-Eating-Störung und Übergewicht an der Studie teil. Dabei wurden sie randomisiert entweder einem nahrungsspezifischen oder einem allgemeinen EEG-Neurofeedback zugeteilt. In beiden Fällen erfolgte zunächst eine Wartezeit von sechs Wochen, gefolgt von sechs Wochen EEG-Neurofeedbacktraining mit zehn Sitzungen à 30 Minuten und einer dreimonatigen Nachuntersuchungszeit.
Die Methode wurde von den Patienten sehr gut angenommen, es gab keine unerwünschten Nebenwirkungen. Sowohl das nahrungsspezifische als auch das allgemeine EEG-Neurofeedback reduzierten die Essanfälle mit den entsprechenden „Craving-Phasen“ um rund 60 Prozent und verbesserten Sorgen um Figur, Gewicht oder das Essen sowie Heißhungergefühle stabil über die dreimonatige Nachuntersuchungszeit hinweg. Der Anteil der Betawellen der Hirnaktivität wurde wie angestrebt reduziert und der der Thetawellen über frontozentrale Hirnregionen erhöht. Ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichte eine Abstinenz über den Nachbeobachtungszeitraum von drei Monaten. Die kognitive Flexibilität bei Exposition gegenüber Nahrung, eines der funktionellen Therapieziele, erhöhte sich lediglich beim nahrungsspezifischen Neurofeedback.
„Bemerkenswert ist, dass beide EEG-Neurofeedbacktrainings die EEG-Aktivität nach der Behandlung veränderten, was auf spezifische Behandlungswirkungen hinweist, die über einen bloßen Placebo-Effekt hinausgehen“, sagt Professor Dr. Anja Hilbert, Leiterin der Studie. Das Verfahren fasst Marie Blume, Erstautorin der Studie, wie folgt zusammen: „EEG-Neurofeedback ist eine neurokognitive Intervention, bei der die EEG-Aktivität in Echtzeit analysiert und auf einem Computerbildschirm, zum Beispiel durch einen sich bewegenden Ball, visualisiert wird. Dadurch wird die sonst nicht spürbare Gehirnaktivität erlebbar und Patienten können lernen, sie gezielt zu verändern“. So vielversprechend die Ergebnisse als therapeutische Option für Patienten mit einer Binge-Eating-Störung auch erscheinen, schlagen die Forscher zunächst weitere Studien mit höherer Probandenzahl vor, nicht zuletzt, um Wirksamkeit und die Mechanismen genauer zu erfassen.
Pressemitteilung Universität Leipzig, Februar 2022
Blume M et al.: Neurotherapeutics. 2021 Dec 20 (DOI 10.1007/s13311-021-01149-9 | PMID 34931276).