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Dermatologie

Neue S3-Leitlinie „Atopische Dermatitis”

Moderne Systemtherapie und Diagnostik von Triggerfaktoren

Elke Engels

10.11.2023

Auch wenn die atopische Dermatitis bei der Mehrheit der Betroffenen leicht ausgeprägt ist, tritt sie häufig bereits im Kindesalter auf, was die medikamentösen Optionen einschränkt. Reichen Topika bei moderaten bis schweren Formen nicht aus, wird auch hier zu modernen Systemtherapien, Biologika und JAK-Inhibitoren geraten.

Die neue Leitlinie wurde unter Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e. V. (DDG) gemeinsam mit zahlreichen medizinischen Verbänden und Selbsthilfeorganisationen erstellt. Durch die Berücksichtigung aktueller Aspekte aus den neuen europäischen Leitlinien konnte das Niveau von S2k auf S3 angehoben werden.

Topika und Basistherapie weiterhin essenziell

Bei der Mehrheit der Betroffenen ist die atopische Dermatitis (AD) leicht ausgeprägt. Je nach Lokalisation und Ausdehnung kann sich jedoch eine schwere Hauterkrankung entwickeln. In allen Fällen bleibt die lokale Therapie mit Topika, ebenso wie die Basistherapie, ein wichtiger Baustein für das Krankheitsmanagement – in allen Altersgruppen. Wenn die AD schwerer ausgeprägt ist, sollte eine Systemtherapie zum Einsatz kommen. Hier wurden die Empfehlungen um moderne Systemtherapeutika erweitert.

Neu in die Leitlinie aufgenommen: IL-13-Antikörper Tralokinumab

Das Biologikum Tralokinumab kann bei Kindern ab 12 Jahren und bei Erwachsenen mit moderater bis schwerer AD in der systemischen Therapie zur Anwendung kommen (evidenzbasiert, starker Konsens). Der monoklonale Antikörper neutralisiert das bei Neurodermitikern in erhöhter Konzentration vorliegende IL-13, wodurch die Typ-2-Inflammation unterbunden wird. Tralokinumab ist bei AD für die Langzeittherapie geeignet (starker Konsens).

Auch JAK-Inhibitoren punkten

Laut Leitlinie können für die AD zugelassene JAK-Inhibitoren sowohl für die Langzeit- als auch für die Intervalltherapie generell empfohlen werden, wobei Screening, Monitoring sowie Abklärung des individuellen Thrombose- und Infektionsrisikos erforderlich sind. Bei erhöhtem Thromboserisiko sollten keine JAK-Inhibitoren eingesetzt werden. Bei erhöhtem Infektionsrisiko kann individuell entschieden werden, ob die durch JAK induzierte Immunsuppression akzeptabel ist. Bei den neu zugelassenen JAK-Inhibitoren gehen die Autoren spezifisch auf Abrocitinib, Baricitinib und Upadacitinib ein.

Abrocitinib
Abrocitinib ist ein oraler, JAK1-selektiver Inhibitor, der mehrere wichtige Zytokin-Signalwege hemmt, beispielsweise IL-4, IL-13, IL-31 und Interferon-γ. ­

So können pathophysiologische Prozesse bei Neurodermitis unterbunden werden. Für die Empfehlung bei Erwachsenen mit moderater bis schwerer AD mit der Indikation für eine systemische ­Therapie besteht ein starker Konsens. Wie bei allen JAK-Inhibitoren setzt die Wirkung unter Acrocitinib schnell ein.

Baricitinib
Baricitinib wird ebenfalls bei Erwachsenen für die Langzeittherapie empfohlen, wobei laut Leitlinie insbesondere Patienten bei gleichzeitig bestehender Alopecia areata oder rheumatoider Arthritis profitieren (starker Konsens). Der Wirkstoff ist ein reversibler JAK1- und JAK2-Inhibitor, der nicht ganz so spezifisch greift wie Abrocitinib oder Upadacitinib. Laut den Experten könnte das bei bestimmten Zielgruppen ein therapeutischer Vorteil sein. Hierzu ­stehen allerdings entsprechende Daten noch aus.

Upadacitinib
Upadacitinib eignet sich für die systemische Therapie der moderaten bis schweren AD bei Kindern ab 12 Jahren und Erwachsenen bis 64 Jahre, wenn keine Kontraindikationen vorliegen. Zu den besonderen Zielgruppen zählen Patienten mit Komorbiditäten wie rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Colitis ulcerosa oder ankylosierender Spondylitis. Upadacitinib blockiert die Wirkung von JAK1 und weist dadurch immunsuppressive, antiinflammatorische und antiproliferative Effekte auf.

Individuelle Abklärung von Triggerfaktoren

Neu in der Leitlinie empfohlen wird die individuelle Diagnostik möglicher Auslöser der AD – neben der Diagnostik der AD an sich. Eliminationsdiäten können zwar hilfreich sein, doch müssten unnötige Diäten gerade im Hinblick auf eine Mangelernährung sowie auf die durch einschränkende diätetische Maßnahmen entstehende psychische Belastung ­vermieden werden.

Die Leitlinien-Autoren empfehlen auch ausdrücklich, nicht medikamentöse Verfahren wie Psychotherapie und spezielle Schulungsprogramme mit nachgewiesener Wirksamkeit wie AGNES (für Eltern AD-kranker Kinder, erkrankte Kinder und Jugendliche) oder ARNE (für Erwachsene) einzusetzen. Die praxisorientierten Checklisten für alle Altersklassen im Anhang der Leitlinie helfen bei der Therapieentscheidung.

Obwohl bei Betroffenen aller Altersklassen die topische Therapie in Kombination mit einer adäquaten Basistherapie als unverzichtbar bewertet wird, wird bei entsprechender Indikation eine Systemtherapie mit modernen Präparaten empfohlen. Ziel sind die Linderung des Leidensdrucks und die Verbesserung der Lebensqualität. Triggerfaktoren sollten individuell diagnostiziert und nur bei Nachweis Eliminationsdiäten empfohlen werden.

Prof. Dr. med. Thomas Werfel
Direktor der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied im Vorstand der DDG

„Die Neurodermitis schränkt die Lebensqualität stark ein, betrifft viele Alltagsbereiche und geht häufig mit Stigmatisierung der Betroffenen einher. Eine Aktualisierung der S2k-Leitlinie zur Neurodermitis aus 2016 war dringend notwendig, da neue medikamentöse Behandlungsoptionen das Management der Erkrankung verändert haben. Mit der Überarbeitung konnten wir nun die Leit­linie sogar auf S3-Niveau anheben, auch da wir einen größeren Teil der aufwendigen methodischen Vorarbeiten aus der kürzlich finalisierten europäischen Leitlinie übernehmen konnten.”

Werfel T et al., S3-Leitlinie „Atopische Dermatitis“, AWMF-Reg.-Nr.: 013-027, 2023

Bildnachweis: privat

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