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Onkologie

Lungenkarzinom

Säurebelastung erhöht das Krebsrisiko

Dr. med. Peter Stiefelhagen

2.6.2022

Dysregulationen des Säure-Basen-Haushalts – sprich die Azidose – begünstigen Inflammation und somit auch die Krebsentstehung. In einer epidemiologischen Studie konnte gezeigt werden, dass eine direkte Korrelation besteht zwischen einer ernährungsbedingten Säureüberlastung und dem Lungenkrebsrisiko.

Das Lungenkarzinom ist einer der häufigsten Malignome unserer Zeit. Trotz gewisser Fortschritte ist die Prognose weiterhin sehr schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt unter 20 %. Der wichtigste ­Risikofaktor ist das Rauchen, welches mit erhöhter Menge und Dauer des Rauchens ansteigt. Aber es gibt auch Hinweise dafür, dass ein hoher Konsum an rotem Fleisch mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko einhergeht, wobei pathophysiologisch Störungen des Säure-­Basen-Haushalts im Sinne einer Azidose eine wichtige Rolle spielen könnten, auch bei Nichtrauchern. Ein kausaler Zusammenhang zwischen einer ernährungsbedingten Säureüberlastung des Körpers und der Manifestation eines Lungenkarzinoms wird schon seit vielen Jahren diskutiert, wobei ein anhaltender Entzündungsprozess das Bindeglied darstellen dürfte. Doch die epidemiologische Evidenz ist schwach und die Ergebnisse entsprechender ­Studien sind nicht konsistent, um nicht zu sagen widersprüchlich.

Fall-Kontroll-Studie

Zu der Frage wurde jetzt eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt, in der bei 843 Patienten mit einem Lungenkarzinom und bei 1 466 Kontrollpersonen mittels intensiver Befragung die Ernährungsgewohnheiten detailliert erfasst wurden. Was die statistische Methodik betrifft, so wurde mittels eines Propensity Score Matchings nach statistischen Zwillingen für die Lungenkarzinom-Patienten gefahndet. Bei dieser ­Suche nach Personen mit ähnlichen Charakteristika wurden verschiedene Kovarianten berücksichtigt, um eine hohe Aussagekraft zu erreichen: Raucherstaus, Alter, Körpergewicht, ländlicher oder urbaner Wohnsitz und Region. Die Auswirkungen der verschiedenen Nahrungsbestandteile auf den Säure-Basen-Haushalt wurden mittels einer verfügbaren Datenbank unter Anwendung von Scores (potential renal acid load [PRAL] und net endogenous acid production [NEAP]) ermittelt. Die Odds-Ratios (OR) wurden mittels einer multivariaten logistischen Regression geschätzt. Die Auswertung nach dem NEAP-Score ergab eine direkte statistisch signifikante Korrelation zwischen der ernährungsbedingten Säureüberlastung in der höchsten Quartile und dem Risiko für ein Lungenkarzinom (OR 2,22; ptrend < 0,001). Bei ­Anwendung des PRAL-Scores fand sich eine ähn­liche Assoziation, aber nur bei einfachen linearen Regressionsanalyse-Modellen, doch bei komplexen multiplen Modellen war die Asso­ziation auch in der höchsten Perzentile statistisch nicht signifikant (OR 0,99; ptrend = 0,94). Die Assoziation mit dem NEAP-­Score konnten bei allen histologischen Formen ­mit Ausnahme des kleinzelligen Lungenkarzinoms dokumentiert werden.

NEAP-Score ist ein zuverlässiger Indikator

Nach diesen Daten gilt der NEAP-Score als zuverlässiger Indikator für eine Säureüberlastung. Er korreliert direkt mit dem Fleischverzehr, genauer gesagt mit dem Verzehr tierischer Produkte und umgekehrt mit der Aufnahme von pflanzlichen Nahrungsmitteln, also Obst und Gemüse. Mit anderen Worten, vermehrter Genuss von rotem Fleisch führt zu einer Säureüberlastung und somit zu einer metabolischen Azidose. Gemüse und Obst wirken dem entgegen. Zudem sind pflanzliche Produkte reich an Antioxidantien, was ihre kanzeroprotektive Wirkung erklären dürfte. Somit entfaltet eine gesunde Ernährung protektive Wirkungen im Hinblick auf die Manifestation eines Malignoms und dies gilt nicht nur für das kolorektale Karzinom und Mammakarzinom – dafür liegen bereits valide Daten vor –, sondern nach den jetzt publizierten Daten der Fall-Kontroll-Studie dürfte dies auch für das Lungenkarzinom zutreffen. Die negativen kanzerogenen zellulären Auswirkungen einer Säureüberlastung, also einer zellulären Azidose, treten bereits dann auf, wenn laborchemisch noch keine systemische Azidose nachweisbar ist.

Wie kann man sich aber die Pathogenese vorstellen? Pathophysiologisch kommt es durch Oxidantien, wie sie vermehrt in tierischen Produkten vorhanden sind, zu einer chronischen Entzündung, die wiederum zu Schäden an der DNA führt, und diese können in eine maligne Transformation der Zelle münden. Dazu kommt, dass durch eine Säureüberlastung die Aktivität der Killer-Lymphozyten beeinträchtigt wird. Die im Tumorgewebe herrschende Hypoxie und Hyperkapnie mit konsekutiver Azidose schützt die Lungenkarzinomzellen vor einem Angriff des Immunsystems und beeinträchtigt auch die Wirkung einer Immuntherapie. Ein hohes CO2 greift in verschiedene zelluläre Funktionen ein, was die Tumorbildung fördern kann. Auch Rauchen stört die Säure-Basen-Homöostase und verstärkt so die Azidose, was das Risiko für ein Lungenkarzinom weiter erhöht. Alle diese Beobachtungen unterstreichen die Bedeutung der Säureüberlastung bei der Karzinogenese. ­Deshalb sollte nicht nur im Hinblick auf kardiovaskuläre, renale und metabolische Ereignisse, sondern auch im Hinblick auf Malignome wie das Lungenkarzinom eine normnahe konstante Einstellung des Säure-Basen-Haushalts mittels einer oralen Bicarbonatsubstitution angestrebt werden.

FAZIT: Diese interessanten Daten unterstreichen die ­Bedeutung einer Säure-Basen-Dysbalance, sprich einer metabolischen Azidose, am Beispiel des Lungenkarzinoms bei der Manifestation einer ­malignen Erkrankung. Daraus ergibt sich die ­Rationale für eine orale Bicarbonatsupplementierung im Sinne einer Krebsprävention.

Literatur beim Autor

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