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Allgemeinmedizin

Entzündliche Erkrankung der Atemwege

Komorbiditäten bei Asthma behandeln

Dr. med. Sarah-Christin Mavi, Dr. med. Wolfgang Gesierich

Asthma ist mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert, wozu auch Komorbiditäten beitragen, die die Erkrankung triggern und nicht ausreichend behandelt die Asthmakontrolle erschweren können. Trotz effektiver Medikamente leiden in Deutschland etwa 2,5–5 % der Asthmapatienten an schwerem unkontrolliertem Asthma.

Asthma bronchiale ist pathophysiologisch gekennzeichnet durch eine Typ-2-Entzündung der ­Atemwege. Diese wird durch T2-polarisierte T-Helferzellen und ihre Zytokine IL-4, IL-5 und IL-13 unterhalten und ist labordiagnostisch charakterisiert durch hohe Titer für IgE, eine Sputum- und Blut-Eosinophilie sowie eine Erhöhung des Entzündungsmarkers Stickstoffmonoxid im Exhalat (FeNO). Diese Zeichen der Typ-2­Inflammation können überdeckt sein durch bakterielle Atemwegsinfekte, durch Rauchen und durch systemische oder inhalative Steroidtherapie (ICS). In solchen Situationen kann sich ein eher neutrophiler Phänotyp präsentieren. Die zuvor erwähnten Charakteristika können auch fehlen, wenn bei rein allergischem Asthma aktuell eine ausreichende Allergenkarenz eingehalten wird. Für eine klassische Asthmadiagnose sollten sie aber irgendwann im Krankheitsverlauf nachweisbar sein.

Insbesondere Betroffene, die unter schwerem oder schwer zu kontrollierendem Asthma mit Typ-2­Inflammation leiden, können unter Komorbiditäten leiden, denen ebenfalls eine Typ-2-Inflammation zugrunde liegt. Dadurch erhöht sich die Krankheitslast von Asthmapatienten zusätzlich und Exazerbationen können beispielsweise zunehmen. Zunächst sollen Komorbiditäten betrachtet werden, die durch eine ähnliche Pathophysiologie gekennzeichnet sind.

Atopische Dermatitis

In der frühen Kindheit entwickelt sich oft die atopische Dermatitis als erstes Krankheitsbild aus dem atopischen Formenkreis. Im Laufe des Lebens können weitere allergische Erkrankungen wie allergische Rhinitis und Asthma bronchiale dazukommen. Diese Entwicklung wird auch als atopischer Marsch bezeichnet. Die Ätiologie der atopischen Dermatitis ist komplex, bekannt ist ein Zusammenspiel aus genetischen und immunologischen Mechanismen, die zusammen mit Umweltfaktoren auf die Ausprägung der Krankheit einwirken. Die gestörte Hautbarriere erlaubt eine leichtere Penetration von Allergenen, was zu einer systemischen IgE-Entwicklung und Übergang von einer nicht atopischen in eine atopische Dermatitis führen kann. Dieser Mechanismus ist in der Literatur als „outside-in-Hypothese“ beschrieben.


Allergische Rhinitis

Schätzungen zufolge leiden 80 % der Asthma­patienten unter einer allergischen Rhinitis und umgekehrt haben bis zu 40 % der Patienten mit allergischer Rhinitis begleitend ein Asthma. In der Literatur wird der „gemeinsame Atemweg“ (unified airway) beschrieben, welcher ursächlich für Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege steht. Die Symptomatik kann je nach Sensibilisierung und Exposition saisonal (z. B. bei Birkenpollen und ­Gräsern), perennial (Hausstaubmilbe) oder intermittierend (z. B. bei Tierhaaren) auftreten. Pathophysiologisch wird davon ausgegangen, dass eine Reduktion der Inflammation in den oberen Atemwegen mit intranasalen Kortikosteroiden auch einen positiven Effekt auf die Bronchien hat und damit die Asthmakontrolle verbessert.

Chronische Rhinosinusitis

Die chronische Rhinosinusitis ist definiert als eine Inflammation der Nase und Nasennebenhöhlen, die länger als zwölf Wochen anhält. Die chronische Rhinosinusitis ohne Polypen hat eine Prävalenz von 1–10 % der Bevölkerung und bis zu 4 % leiden unter einer chronischen Rhinosinusitis mit Polypen. Typische Symptome sind Behinderung der Nasenatmung und Nasensekret-Absonderung. Durch wiederkehrende Sinusitiden und „Verschleppung“ des keimhaltigen Nasensekrets in die unteren Atemwege im Sinne eines Post-nasal-Drips kann ein koexistentes Asthma immer wieder getriggert werden. Therapeutisch stehen hier topische Kortikosteroide, chirurgische Verfahren und Anti-IL-5- sowie Anti-IgE-basierte Biologikatherapien zur Verfügung.


Vocal Cord Dysfunction

Die Vocal Cord Dysfunction (VCD), auch induzier­bare laryngeale Obstruktion genannt, bezeichnet intermittierende paradoxe Schließbewegungen der Stimmlippen, welche spontan oder durch externe Triggerfaktoren ausgelöst werden können. Aufgrund des episodischen Auftretens mit anfallsartiger starker Dyspnoe und Stridor kann eine VCD mit Asthma verwechselt werden. Der Stridor ist im Gegensatz zum Asthma jedoch typischerweise inspiratorisch. Die Anfälle sind mit Heiserkeit und Versagen der Stimme assoziiert, dauern nur Sekunden bis Minuten und limitieren sich vor Eintritt einer vitalen Bedrohung selbst. Trotzdem werden sie als bedrohlich erlebt und sind anamnestisch nicht immer leicht von einem Asthma zu unterscheiden.


Adipositas

Übergewicht gilt als Risikofaktor für die Entwicklung eines Asthmas. Bei Übergewichtigen ist eine Asthmakontrolle schwieriger zu erreichen. Es steht zur Diskussion, ob dies an einer anderen Art der Atemwegsinflammation liegt oder ob weitere Komorbiditäten wie obstruktive Schlafapnoe, Reflux, mechanische Faktoren sowie mangelnde Fitness und ein reduziertes Lungenvolumen aufgrund von Bauchfett hierfür die Ursache sind.


Obstruktive Schlafapnoe

Eine multizentrische Studie hat eine signifikante ­Reduktion von Asthma-Exazerbationen sowie eine Besserung der Lungenfunktion und Asthmakontrolle gezeigt, wenn eine vorliegende obstruktive Schlafapnoe (OSA) mit einer kontinuierlichen Atemwegsüberdruck(CPAP)-Therapie behandelt wird.


Typ-2-Low-Situationen

Finden sich weder aktuell noch in der Vorgeschichte erhöhte Konzentrationen für Marker der Typ-2-­Inflammation – für diese Situation wird auch die Bezeichnung „Typ-2-Low-Astma“ vorgeschlagen –, erhält die Frage nach den Komorbiditäten einen ­anderen Stellenwert. Hier ist zu prüfen, ob Begleiterkrankungen nicht eher den Stellenwert einer ­Alternativdiagnose erhalten, mit anderen Worten: ob tatsächlich ein Asthma bronchiale vorliegt. Drei Fallvignetten sollen das verdeutlichen. In allen Fällen fand sich kein Hinweis auf eine Typ-2-Entzündung.

Kasuistik 1

Ein 72-jähriger Patient mit der Vordiagnose eines intrinsischen Asthmas zeigt in der Lungenfunktion unter einer Dreifachtherapie aus inhalativem Kortikosteroid (ICS), lang wirksamem Beta-2-Sympathomimetikum (LABA) und einem lang wirksamen Muskarinantagonisten (LAMA) eine moderate, nicht reversible Bronchialobstruktion. Seit Längerem besteht gelblich-eitriges Sputum, einmalig auch mit Blutbeimengung. In der Sputum-Kultur lässt sich Pseudomonas aeruginosa nachweisen. Im Röntgen-Thorax sieht man im linken Unterfeld paramediastinal eine vertikale bandförmige Struktur (Abb. 1a). Eine Computertomografie (CT) des Thorax zeigt infrahilär hypoplastische und gebündelte Bronchien mit narbig-dystelektatischer Retraktion des Unterlappens und vikariierendem Emphysem des linken Oberlappens (Abb. 1b). Auf Nachfrage findet sich eine in der Kindheit durchgemachte Lungentuberkulose, sodass von postspezifischen Veränderungen ausgegangen werden kann. Es erfolgt ein Eradikationsversuch mit increased-dose Levofloxacin. Aufgrund der chronischen Infektkonstellation werden die ICS aus der Therapie genommen und mit einer LAMA/LABA-Fixkombination weiterbehandelt. Zusätzlich werden atemphysiotherapeutische Maßnahmen zur Unterstützung der Sekretexpektoration empfohlen.


Kasuistik 2

Ein 76-jähriger Zahntechniker, ebenfalls mit der Vordiagnose eines intrinsischen Asthmas, weist aktuell eine unauffällige Lungenfunktion auf. Intensive ­asthmatypische Vorbehandlungen inklusive systemischer Steroide konnten seine Beschwerden nicht ­beeinflussen. In einer CT des Thorax zeigt sich eine moderate, teils verkalkte Lymphadenopathie mit Betonung am rechten Hilus. Kompressionsbedingt zeigt sich eine Stenose des Mittellappenbronchus mit distaler Dystelektase und Retention (Abb. 2a–c). Bronchoskopisch findet sich eine deutliche Anthrakose der infracarinalen und hilären Lymphknoten mit schlitzförmiger, nur unter Druck passierbarer Stenose des Mittellappenostiums. Der Patient gibt an, beruflich einer hohen Staubbelastung durch Lavastein-haltige Schleifmaterialien ausgesetzt gewesen zu sein. Es besteht also eine Pneumokoniose im Sinne einer beruflich ausgelösten Anthrakose der thorakalen Lymphknoten. Es werden Sole-Inhalationen und Atemphysiotherapie mit dem Flutter empfohlen.


Kasuistik 3

Eine 39-jährige Nieraucherin wird wegen einer anhaltenden Verschlechterung ihrer Asthmabeschwerden seit einer COVID-19-Erkrankung vor sechs Monaten stationär aufgenommen. Es besteht anhaltende Arbeitsunfähigkeit. Die Asthmadiagnose existiert seit der frühesten Kindheit, ihre Lungenfunktion habe schon immer Einschränkungen gezeigt. In der Anamnese und sIgE-Diagnostik finden sich keine Aero-Allergien. Die Lungenfunktion zeigt eine mittelgradige, fixierte Bronchialobstruktion und Lungenüberblähung, die Diffusionskapazität liegt im unteren Grenzbereich. Ein CT des Thorax zeigt emphysematöse Veränderungen. In der Anamnese findet sich eine Frühgeburtlichkeit mit invasiver Beatmung. Aufgrund dieser Konstellation wird der Verdacht auf eine bronchopulmonale Dysplasie geäußert. Dennoch wird eine mittelhochdosierte ICS/Formoterol-Therapie eingeleitet, um die Reversibilität des Krankheitsbildes auszutesten. Es wird eine stationäre Rehabilitation angestrebt mit anschließender pneumologischer Verlaufskontrolle.

Diese Fallbeispiele schildern seltene Situationen. Weitere konkurrierende Diagnosen in der Typ-2­­Low-Situation kommen häufiger vor. Neben der COPD bzw. dem Lungenemphysem muss an die Tracheobronchomalazie gedacht werden. Diese ist gekennzeichnet durch eine Hypermotilität der Pars membranacea und/oder Malazie der Knorpelspangen und führt zu einem exspiratorischen Kollaps der zentralen Atemwege („excessive dynamic airway collapse“, EDAC). Auch Bronchiektasen und Immundefektsyndrome mit rezidivierenden Infekt-Exazerbationen können eine variable Atemwegsobstruktion mit sich bringen. Schließlich ist noch an interstitielle Lungenerkrankungen zu denken, die mit einer Bronchialobstruktion einhergehen können, beispielsweise die Sarkoidose und die exogen-­allergische Alveolitis.


Diagnostik und Therapie

Die geschilderten Komorbiditäten können ein bestehendes Asthma triggern und ohne ausreichende Therapie zu einer erschwerten Asthmakontrolle führen. Sie können jedoch auch verkannt und für ein Asthma gehalten werden, ohne dass dies vorliegt. Dem muss in der diagnostischen Aufarbeitung insbesondere bei schwerem Asthma Rechnung getragen werden. Eine allergologische Anamnese, körperliche Untersuchung und Labordiagnostik inkl. Gesamt-IgE und spezifischen IgE gegen Aeroallergene geben Hinweise auf Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis. Eine HNO-ärztliche Mitbeurteilung der Nase, der Nebenhöhlen und des Larynx sollte ebenfalls erfolgen. Eine Bestimmung des Body-Mass-Index (BMI) sowie eine nächtliche Polygrafie können wegweisend für eine Obesitas bzw. ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom sein. Weiterführend können auch thorakale Bildgebung und bronchoskopische Diagnostik notwendig werden.

Besteht ein Asthma mit Komorbiditäten, müssen beide Komponenten optimal behandelt werden. Standard für das Asthma ist eine Schweregrad-adaptierte Erhaltungs- und Bedarfstherapie mit einer ICS/Formoterol-Fixkombination nach dem MART-Konzept (Maintenance and Reliever Therapy). Kommt man zu einer Alternativdiagnose, ist die Therapie entsprechend umzustellen. Insbesondere in einer Low-T2-Situation kann eine Therapie mit inhalativen Steroiden nachteilig sein. Einer rein broncholytischen Therapie ist dann der Vorzug zu geben.

Die Autorin

Dr. med. Sarah-Christin Mavi
Oberärztin Pneumologische Klinik
Asklepios-Fachkliniken
München-Gauting

s.mavi@asklepios.com

Der Autor

Dr. med. Wolfgang Gesierich
Leitung Pneumologische Klinik
Asklepios-Fachkliniken
München-Gauting

w.gesierich@asklepios.com

Literatur bei den Autoren

Bildnachweis: privat
Bildnachweis: Pneumologische Klinik der Asklepios-Fachkliniken München-Gauting

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