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Allgemeinmedizin

Testosteronmangel

Hypogonadaler Patient mit Depressionen

27.7.2023

Lustlosigkeit, Müdigkeit, Muskelverlust, aber auch eine Gewichtszunahme und erektile Dysfunktion können auf einen Testosteronmangel hinweisen. Die Behandlung beinhalte eine Testosterontherapie, ein Ausdauersportprogramm und eine Ernährungsumstellung, wie Prof. Dr. med. Michael Zitzmann erläutert.

 Ein 38-jähriger Patient stellt sich in der andrologischen Ambulanz am Universitätsklinikum Münster vor, da er unter se­xuellen und psychischen Beschwerden leidet. Der Patient beschreibt seinen Zustand als „Burnout“. Er fühle sich beruflich überfordert und ständig ausgebrannt, be­greife Sachzusammenhänge oft nicht mehr. Diese Probleme übertragen sich auf sein Privatleben, vor allem auf seine Ehe. Neben den kogni­tiven Beschwerden treten sexuelle Probleme auf. ­Zuletzt habe seine Libido und seine nächtlichen Erektionen abgenommen und es käme selten zum Sex. Eine Gewichtszunahme führt er auf seine generelle Stresssituation zurück. Insgesamt fühle er sich muskulär sehr schwach und „nicht in Form“. Oft verspüre er eine depressive Stimmung, sogar mit Suizidgedanken. Er berichtet von einer arteriel­len Hypertonie, die mit ei­nem ACE-Hemmer therapiert wird.

Diagnostik

Der Patient ist mit 121 kg Körpergewicht und einem Bauchumfang von 117 cm übergewichtig. Der BMI von 36,9 kg/m2 entspricht Adipositas Grad 2. Die Blutuntersuchung ergibt einen erniedrigten Gesamt-Testosteronwert von 8,2 nmol/l sowie ein freies Testosteron von 111 pmol/l (normal: > 12,1 nmol/l bzw. > 243 pmol/l [1]). Die Gonadotropine luteinisierendes Hormon (LH) und follikelstimulierendes Hormon (FSH) liegen im mittleren Normbereich. Der Nüchternblutzucker ist mit 98 mg/dl im Normalbereich (HbA1C 6,1 %). Es liegt eine leichte normochrome, normozytäre Anämie vor, mit einem Hb‑Wert von 13,1 g/dl und einem Hämatokrit (Hkt) von 40 %. Der Wert für das prostataspezifische Antigen (PSA) beträgt 0,7 μg/l (normal: < 4 μg/l).

Die Diagnose/Beurteilung des Schweregrads des Testosteronmangels bzw. der erektilen Dysfunktion erfolgte über validierte Fragebögen. Der AMS-Frage­bogen (AMS: The Aging Males‘ Symptoms rating scale) ergab einen Score von 57 (normal: ≤ 27), der Fragebogen IIEF-5 (IIEF: International Index of ­Erectile Function) einen Score von 12 (normal: ≥ 22).

Zusammenfassend ergeben sich diese Diagnosen:

  1. Funktioneller Hypogonadismus (Testosteronmangel mit entsprechenden Beschwerden)
  2. Erektile Dysfunktion, Libidoverlust
  3. Depressivität mit suizidalen Gedanken
  4. Adipositas
  5. Normochrome, normozytäre Anämie

Therapie und Verlauf

Zur Behandlung des funktionellen Hypogonadismus ist eine Testosterontherapie (TRT: testosterone replace­ment therapy) mit einem Testosteronpräparat indiziert. Der Patient appliziert in der Morgenroutine einen Hub eines 1,62%igen Testosteron-Dosiergels (Minimaldosis, entsprechend 20,25 mg Testosteron) auf die Haut. Aufgrund der erektilen Dysfunktion erhält er zudem Tadalafil 20 mg bei Bedarf. Angesichts der Depressivität wird dem Patienten eine psychotherapeutische Behandlung angeraten. Ein Sportprogramm sowie eine Ernährungsumstellung sollen zudem helfen, sein Körpergewicht zu reduzieren.

Drei Monate nach Therapiebeginn wird der Patient wieder vorstellig. Er berichtet über eine leichte Verbesserung hinsichtlich seiner Stimmung und Libido. Das Gesamt-Testosteron liegt nun bei 10,7 nmol/l, das freie Testosteron beträgt 198 pmol/l. Der Hb-Wert ist etwas auf 14,0 g/dl gestiegen, der Hkt liegt bei 42 %. Das PSA beträgt 0,9 μg/l. Das erneute Aus­füllen der Fragebögen zeigt nur eine leichte Verbesserung: AMS = 52, IIEF-5 = 14. Bislang hat der Patient bezüglich des funktionellen Hypogonadismus bei Adipositas und Stresssymptomatik aufgrund der sehr niedrigen Testoste­ron-Dosis nur geringe Besserungen verspürt, zudem liegt der Ge­samt‑Testosteronwert immer noch unterhalb des Normbereichs. Daher wird die Do­sis auf zwei Hübe des transdermalen Gels pro Tag erhöht (entsprechend 40,5 mg Testosteron).

Sechs Monate nach Therapiebeginn liegt der Gesamt‑Testosteronwert in der Norm und das insgesamte Beschwerdebild hat sich deutlich gebessert. Dies bestäti­gen auch die Fragebögen-Scores. PSA und Hkt liegen weiter im Normbereich. Die Psy­cho­the­rapie wirkt sich sehr stabilisierend aus und die Suizidalität ist nicht mehr vor­handen. Nach insgesamt zwei Jahren zeigt sich eine deutlichere Verringe­rung des Bauchumfangs auf 102 cm. Der Patient meistert seine beruflichen Aufgaben und die Eheprobleme haben abgenommen, insbesondere im Bereich der Sexualität.

Relevanz für die Praxis

Libidoverlust und erektile Dysfunktion sind typische Symptome eines Testosteron­man­gels, aber auch Antriebslosigkeit, Depression, Anämie, Ge­wichts­­­zunahme und Mus­kelverlust können Alarmzeichen sein, die auf einen Hypogonadismus hinweisen

[2-4]. Die Anhebung des Testosteronspiegels in den mittleren Normbereich kann mittels trans­dermaler Gele oder regelmäßigen i. m. Injektionen erfolgen; in diesem Fall wurde in Abstimmung mit dem Patienten eine transdermale TRT gewählt, denn ins­besondere bei Beginn einer TRT empfiehlt die Leitlinie der European Association of Urology (EAU) eine transdermale ­Tes­tos­­teron-Ap­plikation, da diese Therapie bei Nebenwirkungen schnell angepasst oder abgebrochen werden kann [1]. Wie die­ser Fall zeigt, kann eine TRT die ­psy­chisch‑kognitiven und sexuel­len Beschwerden ­lindern, die Le­bens­qualität steigern und die Risiken einer be­stehenden Komorbi­dität ­reduzieren [2-4].

Fazit

Ein Testosteronmangel beeinflusst nicht nur die Libido. Vielmehr wirkt sich der Mangel des männlichen Geschlechtshormons nachteilig auf den gesamten Organismus und die Lebensqualität aus. Neben den typischen sexuellen Symptomen wie ­Libidoverlust und erektiler Dysfunktion kann sich ein Testosteronmangel auch in Lustlosigkeit, Müdigkeit, Muskelverlust und Gewichtzunahme äußern [2-4].

Zur Behandlung des funktionellen Hypogonadismus ist neben anderen Maßnahmen eine Testosterontherapie indiziert [1].

1 Dohle GR et al., EAU Guidelines on Male Hypogonadism 2019; https://uroweb.org/guideline/male-hypogonadism (Stand: 03.05.2023)
2 Zitzmann M et al., J Clin Endocrinol Metab 2006; 91: 4335–43
3 Schneider G et al., Am J Geriatr Psychiatry 2011; 19: 274–83
4 Pope HG et al., Am J Geriatr Psychiatry 2003; 160: 105–11

Bildnachweis: Dr. med. Peter Krapf

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