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Allgemeinmedizin

Reisemedizin

Malaria und Dengue-Fieber ernst nehmen

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

25.3.2023

Sind Fernreisen geplant, können Hygieneempfehlungen, Impfungen und prophylaktische Maßnahmen individuell reisemedizinisch abgeklärt werden. Was Eltern mit Kindern außerdem beachten sollten, erklärt Prof. Dr. med. Tomas Jelinek (Berlin) im Interview.

Was gibt es Neues zu Reiseimpfungen?

Dieses Jahr wird spannend: Im März wird ein Impfstoff gegen Dengue-Fieber ausgeliefert, was für jeden reisemedizinischen Patienten wichtig ist. Für die zweite Jahreshälfte wird ein Impfstoff gegen Chikungunya erwartet. Von Interesse ist auch die Impfung gegen den respiratorischen syncytialen Virus.

In der internistischen Praxis hat man es vor allem mit Malaria und Dengue-Fieber zu tun. Ist bei Fieber unklarer Genese eine Reiseanamnese nötig?

Wenn die Patienten nicht von selbst erzählen, dass sie auf Reisen waren, ist Nachfragen wichtig. Das gilt nicht unbedingt bei Dengue-Fieber mit einer kurzen Inkubationszeit, jedoch bei Malaria, wo es zu einer deutlichen Verzögerung kommen kann. Die Malaria war rückläufig, dann nahmen die Fallzahlen zu, danach kam Corona, und viele internationale Kontrollprogramme wurden eingestellt. Im Moment ist eine deutliche Zunahme zu sehen, beispielsweise auf Sansibar. Dort war die Malaria bis vor zwei Jahren eradiziert. Für die Malaria-Prophylaxe gelten die aktuellen Empfehlungen.

Wann kann man statt der Prophylaxe auf Stand-by-Medikamente setzen?

Man sollte das Risiko je nach Reiseregion abwägen. Das heißt, entsprechend der Wahrscheinlichkeit, sich mit Malaria zu infizieren oder Nebenwirkungen der Medikation mit Atovaquon/Proguanil zu erleiden. Das Risiko für eine Hospitalisation liegt bei etwa 1 : 40 000. Sollte das Risiko für Malaria niedriger sein als das Risiko für schwere Nebenwirkungen, steigt man auf die Notfallmedikation aus der Reiseapotheke um. Das gilt für Lateinamerika und viele Länder Asiens. In Subsahara-Afrika ist dagegen eine medikamentöse Prophylaxe nötig.

Diagnose Malaria: ist sie eindeutig oder gibt es ähnliche Krankheitsbilder, die man ausschließen sollte?

Tatsächlich verläuft die gefährliche Form, Malaria tropica, klinisch atypisch und mit unterschiedlichen Symptomen. Man muss den Parasiten im Blut suchen: mit einem Blutausstrich/Dicker Tropfen, eventuell zusätzlich mit dem recht zuverlässigen Schnelltest. Es kann aber auch Dengue, Zika, Chikungunya, Influenza, Typhus oder Rickettsiose sein.

Wann sollte man auf das Tropeninstitut verweisen?

Wenn man kranke Reiserückkehrer nicht einordnen kann, z. B. nach einer akuten Fieberdiagnostik und Malaria-Ausschluss am selben Tag, was über das Labor oder die Notaufnahme möglich ist. Danach ist das Tropeninstitut gefragt. In vielen Städten gibt es niedergelassene Ärzte mit reisemedizinischer ­Erfahrung oder mit Zusatz Tropenmedizin.

Sind durch die Ausbreitung von Vektoren mehr Infektionserkrankungen in gemäßigten Klimaregionen zu erwarten?

Auf jeden Fall. Beispielsweise breitet sich in Deutschland die Tigermücke aus, zuerst am Oberrhein und von dort in andere Regionen. Der Trigger ist die Globalisierung von Waren, an denen Gelege von Moskitos kleben. Das mildere Klima, vor allem im Winter, nützt den Mücken, dadurch erhöht sich das Potenzial für Übertragungen. Doch können keine ununterbrochenen Infektionszyklen aufgebaut werden, dafür ist der Winter hier zu kalt. Was passieren kann: Wenn die Mücken im Sommer aktiv sind und eine Person mit Dengue-Erreger im Blut stechen, kann ein Dengue-Ausbruch provoziert werden.

Ist die tropische Bilharziose in Korsika ein Einzelfall?

Die Flüsse Solenzara und Cavu im Süden der Insel beherbergen den Wirt, eine tropische Schnecke, die vermutlich in den 1960er-Jahren ausgesetzt wurde. Die Bilharziose ist dort seit 2011 bekannt. Eingetragen wurde sie wahrscheinlich durch Badende mit Blasenbilharziose, so wurden die Schnecken infiziert.

Nimmt die Tuberkulose durch Fluchtbewegungen zu?

Auch wenn man die genauen Zahlen abwarten muss, steigt die Tuberkulose nach jeder Flüchtlingswelle.Oft kommen die Flüchtenden mit einer latenten ­Tuberkulose. Auffällig waren jedoch Diphtherie-Ausbrüche in verschiedenen europäischen Ländern. Zuerst entdeckt in der Schweiz, aber auch in Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Da Diphtherie unter engen Lebensbedingungen leichter übertragen wird, sollte man auf die Grundimpfung achten.

Was kann man gegen multiresistente Erreger wie Salmonellen tun?

Bakteriologen sprechen hier bereits von der nächsten Pandemie. In Südasien z. B. sind Antibiotika frei verfügbar, oft als Fälschungen und mit niedrigen Wirkstoffmengen. Antibiotika sind außerdem im Abwasser und werden massiv in der Veterinärmedizin eingesetzt, was zu einer breiten Erregerexposition gegenüber Antibiotika führt. Was kann man tun? Die Hygiene beachten und impfen. Wichtig für die Behandlung in Deutschland: unsere Leitlinien sind nur bedingt anwendbar. Wenn z. B. ein Patient eine Harnwegsinfektion auf den Philippinen erworben hat, besteht eine andere Antibiotikaexposition. Das ist mit leitliniengerechten Mitteln nicht immer behandelbar.

Wie kann man kleine Kinder bei Fernreisen ausreichend schützen?

Kinder bekommen z. B. viel leichter eine zerebrale Malaria. Eltern können rechtzeitig zur Beratung kommen, auf effektiven Mückenschutz achten, um Stiche wirklich zu verhindern. Diethyltoluamid (DEET) ist ab dem 3., 4. oder 6. Lebensjahr zugelassen, im angloamerikanischen Raum ab dem 2. Lebensmonat. Sinnvoll ist auch eine Tollwutimpfung. Stichwort Meningokokken-Meningitis: Es gibt gute Impfstoffe, je nach regionalem Serotyp (B bzw. ACWY), die leider im deutschen Impfprogramm stiefmütterlich behandelt werden.

Der Experte

Prof. Dr. med. Tomas Jelinek
Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin (BCRT)
Consulting Expert der WHO
10117 Berlin

jelinek@bcrt.de

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