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Onkologie

Infektionsschutz

Impfen bei onkologischen Erkrankungen

Angelika Bauer-Delto

Sowohl Krebserkrankungen als auch onkologische Therapien können zu einer Immunsuppression führen. Dies kann Auswirkungen auf einen bereits aufgebauten Impfschutz haben. Bei erneuten Impfungen können Effektivität und Sicherheit beeinträchtigt sein. Praktische Empfehlungen helfen, für den notwendigen Infektionsschutz zu sorgen.

 Infektionskrankheiten tragen wesentlich zur Morbidität und Mortalität bei onkologischen Erkrankungen bei. Schutzimpfungen, die gegen einige schwere Infektionskrankheiten zur Verfügung stehen, kommt daher ein wichtiger Stellenwert in der Betreuung von Krebspatienten zu.[1,2] Neben den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Standardimpfungen können weitere Impfungen, beispielsweise gegen Influenza und Pneumokokken, indiziert sein (s. Tab. 1 und 2).


Immunsuppressive Einflüsse berücksichtigen

Bei Impfstrategien für Krebspatienten sind mögliche immunsuppressive Einflüsse sowohl der onkologischen Erkrankung als auch der Therapie zu berücksichtigen. Eine Immundefizienz kann dazu führen, dass die Impfantwort beeinträchtigt ist oder dass Lebendimpfstoffe schwere Nebenwirkungen hervorrufen. „Durch intensive onkologische Therapien geht auch ein Teil des Impfschutzes wieder verloren, der bereits durch frühere Impfungen aufgebaut wurde“, erklärt PD Dr. med. Hans-Jürgen Laws, Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf. Nach intensiver Krebstherapie sind daher Auffrischimpfungen aller relevanten Impfungen erforderlich, eine Grundimmunisierung muss meist nicht von vorn begonnen werden. Nach Stammzelltransplantation ist allerdings der Impfschutz wieder komplett aufzubauen. Solange der Impfschutz bei Krebspatienten beeinträchtigt ist, sei ein Herdenschutz durch Impfung von Kontaktpersonen umso wichtiger, betont Laws. Dazu gehören Haushaltsmitglieder und Freunde ebenso wie medizinisches Personal.


Wann impfen?

„Bei der Planung von Impfungen für Krebspatienten sollten Art und Ausmaß der Immundefizienz, das Infektionsrisiko, der zu erwartende Impferfolg und eventuell erhöhte Impfrisiken individuell abgewogen werden“, rät Dr. med. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes (KID), Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg. Ist die Immunfunktion nicht eingeschränkt, zeigen zugelassene Impfstoffe bei onkologischen Patienten den gleichen Nutzen und das gleiche Sicherheitsprofil wie bei Gesunden.[3] Bei Immundefizienz sind Totimpfstoffe nach Angaben der Ständigen Impfkommission in der Regel sicher und gut verträglich. Der Impferfolg kann jedoch vermindert sein oder fehlen. Lebendimpfstoffe sind im Rahmen onkologischer Erkrankungen kontraindiziert, solange die Immunfunktion beeinträchtigt ist, da es aufgrund der Replikation des Impfagens vermehrt zu Komplikationen kommen kann.[3,4] Bei Krebspatienten ist die Wahl des richtigen Impfzeitpunkts für Effektivität und Sicherheit indizierter Impfungen von besonderer Relevanz. „Während einer Chemotherapie oder einer anderen immunsupprimierenden Therapie wird in der Regel nicht geimpft“, erklärt Weg-Remers. Lebendimpfstoffe sind in dieser Situation kontraindiziert. Bei hohem Infektionsrisiko kann die Anwendung von Totimpfstoffen erwogen werden. So empfiehlt die STIKO Patienten, die eine Chemotherapie erhalten, die Impfung gegen Influenza mindestens zwei Wochen vor Behandlungsbeginn oder zwischen zwei Zyklen. Von einer Impfung während des Nadirs wird jedoch abgeraten.[5] Vor Beginn einer immunsupprimierenden Therapie sind Impfungen von Krebspatienten grundsätzlich möglich, dann ist jedoch nach der Therapie in der Regel eine Boosterung erforderlich. Insbesondere eine Impfung mit Lebendvakzinen sollte zwei Wochen vor immunsupprimierender Behandlung abgeschlossen sein. Allerdings erlaubt die Grundkrankheit in der Regel keine Verzögerung der Therapie, sodass oft keine Möglichkeit besteht, davor noch zu impfen.[4] „In der Regel werden Krebspatienten erst mit einem gewissen Abstand nach Abschluss der Behandlung grundimmunisiert oder erneut geimpft, wenn sich das Immunsystem wieder erholt hat“, erklärt Laws. Nach konventioneller Chemotherapie sollten je nach Vakzine drei bis sechs Monate abgewartet werden.[1] Einer älteren Empfehlung der STIKO zufolge sind Lebendimpfungen frühestens zwölf Monate nach Abschluss einer konventionellen Chemotherapie möglich, sofern die Lymphozytenzahl (mindestens 1.500/µl) es zulässt.[3] Nach Stammzelltransplantation gelten andere Empfehlungen (s. Tab. 2). Derzeit wird eine aktuelle Publikation der STIKO zum Impfen bei hämatologischen und onkologischen Grundkrankheiten, solider Organtransplantation, Stammzelltransplantation und Asplenie vorbereitet, berichtet Laws, der an der Erarbeitung der neuen Empfehlungen beteiligt ist.


Welche Impfstrategien bei welchen Krebserkrankungen?

Aktuelle Empfehlungen für Impfungen von onkologischen Patienten gibt eine Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie (AGIHO) der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) [1, Kurzfassung: 2]. Je nach Krebserkrankung werden verschiedene Impfungen mit unterschiedlichem Evidenzgrad empfohlen (s. Tab. 1). Zudem enthält die Leitlinie evidenzbasierte Strategien für das praktische Vorgehen.

Für Patienten mit akuter Leukämie werden unter anderem folgende Empfehlungen gegeben:

• Gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis sollte möglichst vor Beginn der Therapie geimpft werden. Nach Erholung des Immunsystems nach der Behandlung sollte eine Boosterung erfolgen.

• Ab dem Alter von sechs Monaten sollten alle Patienten jährlich mit Totimpfstoff gegen Influenza geimpft werden. Zwei Dosen verbessern die Immunantwort.

• Auch gegen Pneumokokken sollte vor Therapiebeginn geimpft werden. Ist dies nicht möglich, sollte nach dem ersten Chemotherapie-Zyklus sowie drei Monate nach Therapieende geimpft werden. Empfohlen wird eine sequentielle Impfung zunächst mit 13-valentem Konjugatimpfstoff (PCV13) und acht bis zwölf Wochen später mit 23-valentem Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23).

• Ist eine Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) indiziert, sollte diese trotz Immunsuppression erfolgen, die Immunantwort kann allerdings beeinträchtigt sein.

• Bei Kindern mit Leukämie ist außer dem Risiko für Pneumokokken-Erkrankungen auch das Risiko für Infektionen mit Haemophilus influenzae Typ b (Hib) erhöht.

• Je nach Risiko werden auch Impfungen gegen Hepatitis A und/oder B empfohlen.

• Bezüglich Impfungen gegen Frühsommer-­Meningoenzephalitis (FSME) sind die Empfehlungen zu Risikogebieten zu beachten.

• Der Impfschutz gegen Masern, Mumps und Röteln sowie gegen Varizellen sollte sowohl bei Kindern wie Erwachsenen erneuert werden.

Für Patienten, die aufgrund eines Lymphoms, eines multiplen Myeloms oder myeloproliferativer Neoplasien eine Chemotherapie erhalten, werden unter anderem folgende Impfstrategien empfohlen:

• Die Patienten sollten jährlich mit Influenza-Totimpfstoff geimpft werden. Durch eine zweite Impfdosis werden höhere Serokonversionsraten erreicht. Studiendaten weisen darauf hin, dass die Effektivität verbessert wird, wenn die Impfung direkt nach einem Chemotherapie-Zyklus statt kurz vor dem nächsten verabreicht wird.

• Gegen Pneumokokken sollte eine sequentielle Impfung mit PCV13 und PPSV23 erfolgen.

• Ein fehlender Impfschutz gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis sollte vervollständigt werden. Da die Immunantwort auf Tetanustoxioid beeinträchtigt sein kann, sollte eine Überprüfung der Impftiter erwogen werden.

• Gegen Hepatitis A und B sollte ebenfalls ein Impfschutz bestehen.

• Impfungen gegen Hib, Meningokokken sowie Herpes zoster sollten erwogen werden.

• Nach Abschluss der Behandlung können Lebend­impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen unter Berücksichtigung der Antikörpertiter erwogen werden.

Für Patienten mit soliden Tumoren werden folgende Empfehlungen gegeben:

• Alle erwachsenen Tumorpatienten sollten unabhängig vom Alter gegen Influenza geimpft werden. Eine zweite Impfdosis kann die Serokonversionsrate verbessern. Eine Impfung unter Chemotherapie ist möglich.

• Alle erwachsenen Patienten sollten mit PCV13 und sechs bis zwölf Wochen später mit PPSV23 gegen Pneumokokken geimpft werden.

• Der Impfschutz gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis sollte vervollständigt bzw. falls erforderlich aufgefrischt werden. Bei Kindern konnte gezeigt werden, dass die Chemotherapie die Antikörpertiter gegen Diphtherie und Pertussis, nicht jedoch gegen Tetanus reduziert; eine Wiederimpfung ist hier jedoch vielversprechend.

• Der Impfschutz gegen Hepatitis B sollte ebenfalls vervollständigt und eine Impfung gegen Hepatitis A sollte erwogen werden.


Welche Impfungen bei Asplenie?

Nach Splenektomie oder bei funktioneller Asplenie besteht ein erhöhtes Risiko für einen lebensbedrohlichen Verlauf verschiedener invasiver Infektionen, beispielsweise durch Pneumokokken, Meningokokken oder Hib. Bei anstehender Splenektomie sollten Patienten spätestens 14 Tage vor dem Eingriff oder 14 Tage danach geimpft werden.[1]

• Gegen Pneumokokken sollten eine sequentielle Impfung mit PCV13 und PPSV23 und Wiederimpfungen alle sechs Jahre erfolgen.

• Bei vollständiger Grundimmunisierung gegen Hib sind keine Wiederimpfungen erforderlich.

• Ein Impfschutz sowohl gegen Meningokokken A, C, W und Y als auch gegen Meningokokken B wird empfohlen. Die Immunantwort gegen Meningokokken A, C, W und Y sollte überprüft werden, bei Bedarf sollte eine zweite Dosis verabreicht werden. Alle fünf Jahre sollte erneut geimpft werden.

• Außerdem sollte jährlich mit Totimpfstoff gegen Influenza geimpft werden.


Impfungen nach Stammzelltransplantation

Nach Stammzelltransplantation ist ein erneuter Aufbau des kompletten Impfschutzes erforderlich. Die empfohlenen Zeitpunkte sowie die erforderlichen Dosen sind je nach Impfung unterschiedlich (s. Tab. 2). Die Seroprotektion gegen Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Masern und Hepatitis B sollte alle vier bis fünf Jahre überprüft werden.


Impfungen bei speziellen Therapieformen

Aufgrund der raschen Entwicklung neuer Arzneimittel in der Krebstherapie ist die Evidenz zu Impfstrategien bei innovativen Medikamenten noch gering.[1,2]

• Monoklonale Antikörper gegen CD20 führen zu einer fast vollständigen Depletion von B-Zellen für bis zu sechs Monate. Grundsätzlich sollten daher in den ersten sechs Monaten nach einer Anti-CD20-Antikörpertherapie keine Impfungen durchgeführt werden. Innerhalb des ersten Jahres kann die Bestimmung der Antikörpertiter und ggf. eine erneute Impfung ein Weg zum effektiven Impfschutz sein.

• Bei Kinase-Inhibitoren ist die Immunantwort auf Impfungen für verschiedene Substanzen unterschiedlich und kann reduziert oder auch verstärkt sein. Impf-Entscheidungen sollten daher individuell getroffen werden. Die Bestimmung von Antikörper-Titern und falls erforderlich erneute Impfungen werden generell empfohlen.

• Patienten, die mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt werden, sollten alle erforderlichen Impfungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erhalten. Es ist mit einer Verstärkung der Immunantwort zu rechnen. Bislang vorliegende Studienergebnisse lassen aber auf Verträglichkeit und Wirksamkeit der üblichen Impfungen schließen.

[1] Rieger CT et al., Ann Oncol 2018; 29: 1354–1365
[2] Leitlinie DGHO, Stand: April 2019; www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/impfungen-bei-tumorpatienten/@@guideline/html/index.html. Stand: August 2019
[3] Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin, Sonderdruck 2005
[4] Niehues T et al., Bundesgesundheitsbl 2017; 60: 674–684
[5] Saisonale Influenzaimpfung: Häufig gestellte Fragen und Antworten; www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/faq_ges.html#FAQId2437362. Stand: August 2019

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