Lebendimpfungen gegen Herpes zoster haben offenbar einen günstigen Nebeneffekt, der sich womöglich jenseits ihrer eigentlichen Zweckbestimmung nutzen lässt: Nach der Vakzinierung sinkt die Wahrscheinlichkeit, eine Gürtelrose zu bekommen, sowie auch das Risiko einer Demenzentwicklung – und zwar signifikant.
Forschende aus Deutschland und den USA vermuten einen Kausalzusammenhang zwischen einer Vakzinierung gegen Herpes zoster mit einer abgeschwächten Lebendvakzine und der potenziellen Vermeidung einer Demenzerkrankung. Herpesviren, wie das Varizella-zoster-Virus (VZV), sind bekanntlich neurotrop, und es gibt Hinweise, dass VZV an der Pathogenese von Demenzerkrankungen beteiligt sein könnte. Auch werden Impfungen immunologische Zusatzeffekte zugesprochen. Nicht zuletzt aber stammt die aktuelle Beobachtung aus einer Art „natürlichem Experiment“.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich eine Kohorte von 282 541 Personen in Wales näher angesehen. Dort wurde am 01.09.2013 ein Impfprogramm initiiert, bei dem älteren Menschen eine Zoster-Impfung angeboten wurde, vorausgesetzt, sie wurden am 02.09.2013 oder in den 12 Folgemonaten genau 80 Jahre alt. In jedem weiteren Kampagnen-Jahr war dann die nächste Gruppe 80 Jahre alt werdender Menschen dran. Weil vor dem 02.09.1933 Geborene ganz aus dem Impfprogramm ausgeschlossen blieben, resultierte eine Unterteilung in Geimpfte und Ungeimpfte, die einer Randomisierung nahekam.
Demenzrisiko sinkt relativ um 20 %
Die Studien-Autoren und -Autorinnen machten sich das zunutze. Sie schlossen alle bei einer Hausarztpraxis eingeschriebenen Einwohner und Einwohnerinnen von Wales ein, die zwischen dem 01.09.1925 und 01.09.1942 geboren waren, und zu Beginn des Impfprogramms noch keine Demenzdiagnose hatten. Durch die offizielle Regelung mit dem klar definierten zeitlichen Kontext war anzunehmen, dass sich die beiden Kohorten nicht bedeutend voneinander unterschieden, wodurch mögliche Einflussfaktoren auf das Demenzrisiko jenseits des Erhalts der Impfung minimiert wurden. Gegenüber Ungeimpften hatten Geimpfte über eine Nachbeobachtungszeit von 7 Jahren ein absolut um 3,5 Prozentpunkte geringeres Demenzrisiko. Relativ gesehen sank es durch die Vakzinierung um ein Fünftel, wobei Frauen stärker profitierten als Männer.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigten ihre Ergebnisse zusätzlich in einer anderen Kohorte und einem andersartigen Datensatz. Dazu werteten sie Dokumentationen von Leichenschauen aus, bei denen Demenz als Todesursache genannt war. Die Daten stammten außer aus Wales auch aus England, wo das VZV-Impfprogramm ebenfalls an das Geburtsdatum gebunden war. Bei Beobachtung über 9 Jahre ergab sich, dass etwa einer von 20 Demenz-bedingten Todesfällen durch VZV-Impfung vermieden werden konnte. Bestätigte sich der Kausalzusammenhang, böte die VZV-Impfung eine kostengünstigere und wirksamere Alternative der Demenzprävention, als Pharmakotherapien es vermögen.
Eyting M et al., Nature 2025; 641: 438–46