Eine Infektion mit dem HI-Virus kann mit zahlreichen Haut- und Schleimhautläsionen einhergehen, deren Auftreten an eine HIV-Infektion denken lassen sollte. Ein besonders ausgeprägter oder ungewöhnlicher Hautbefund sowie das Vorliegen weiterer sexuell übertragbarer Infektionen sind keine Seltenheit.
Hauterscheinungen bei Menschen mit HIV-Infektion sind keine Seltenheit. Der Abfall der CD4+-T-Zellen, der Shift hin zu einem Th2-Zytokin-Profil und die Überexpression von Superantigenen führen dazu, dass die Haut für opportunistische Infektionen und neoplastische Erkrankungen anfällig wird, wie Prof. Dr. George-Sorin Tiplica (Bukarest, Rumänien) bei seinem Vortrag auf dem EADV-Kongress 2024 in Amsterdam erläuterte. Bei Auftreten bestimmter Hauterscheinungen sollte daher an das Vorliegen einer HIV-Erkrankung gedacht und eine entsprechende Diagnostik veranlasst werden.
Dermatosen mit Bezug zu HIV
Während eine seborrhoische Dermatitits in der Allgemeinbevölkerung mit einer Prävalenz von 3–5 % auftritt, findet sie sich bei Menschen mit HIV in 30–83 % der Fälle – und dies häufig sehr stark ausgeprägt und refraktär gegen die klassische Behandlung (Abb. 1). Sie gilt als frühe Form der Hautbeteiligung bei HIV, ein Bezug zur CD4+-T-Zellzahl ist unklar [1]. Typisch sind ein Befall von Bereichen außerhalb des klassischen seborrhoischen Verteilungsmusters und das gehäufte Auftreten einer Erythrodermie [2].
Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV) aktivieren die HIV-Replikation und begünstigen die Weiterübertragung von HIV auf Sexualpartner. Die Behandlung einer HSV-2-Infektion mit Valaciclovir kann die genitale HIV-Ausscheidung bei Frauen zwar reduzieren, wird aber nicht als Präventionsmaßnahme einer HIV-Übertragung empfohlen. Resistenzen gegen die Anti-HSV-Medikation finden sich häufiger bei HIV-Co-Infektion. In einigen Fällen hat sich eine genitale HSV-Infektion als Manifestation des Immunrekonstitutions-Entzündungssyndroms (IRIS) bei antiretroviraler Therapie (ART) gezeigt – meist innerhalb der ersten 2 Monate [3]. „Bei Patienten mit chronischen Ulzerationen sollte man immer auch an einen Herpes simplex denken, und bei einem schweren und/oder chronischen Herpes an eine HIV-Erkrankung“, betonte Tiplica.
Ein Herpes zoster durch Reaktivierung von Varizella-zoster-Viren (VZV) ist ein Zeichen von Immunsuppression und tritt bei Menschen mit HIV 3- bis 20-fach häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Die klinische Präsentation ist nicht selten atypisch mit disseminierten Läsionen über den gesamten Körper, in einem Fall wurden auch chronische hyperkeratotische Zoster-Läsionen beobachtet. Die Inzidenz ist besonders zu Beginn einer ART erhöht, möglicherweise als Manifestation eines IRIS [4].
Auch eine eosinophile Follikulitis mit Papeln, Follikeleruptionen und starkem Juckreiz tritt gehäuft bei HIV-Infektion auf – meist bei fortgeschrittenerer Erkrankung. „Patienten mit generalisiertem Hautausschlag sollten generell auf HIV und Syphilis getestet werden – und zwar unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung –, da die Hauterscheinungen bei HIV-Serokonversion und sekundärer Syphilis einander sehr ähneln, wie auch denen einiger anderer dermatologischer Erkrankungen“, erklärte Tiplica und verwies dabei auf den Fall eines jahrelang unentdeckt HIV-Infizierten, der mehrmals wegen generalisierter Hautausschläge unter der Diagnose „Ekzem“ behandelt worden war.
Dermatosen mit atypischer klinischer Präsentation
Eine Psoriasis bei gleichzeitigem Vorliegen einer HIV-Infektion kann klinisch atypisch ausfallen. So sind ein plötzliches und ausgedehntes Auftreten von Psoriasis-Plaques, schwere und/oder häufige Schübe und das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer morphologischer Psoriasis-Typen nicht unüblich. Das Erscheinungsbild reicht von erythrodermischer Psoriasis mit Ichthyose-ähnlichem Aspekt bis hin zu der sonst seltenen Form der rupioiden Psoriasis mit pigmentierten konischen Plaques und exsudativen Krusten, die häufig an den unteren Extremitäten zu finden sind [5]. Auch schwere Formen von Sebopsoriasis mit fettigen Schuppen und exsudativen Krusten an Kopf und oberem Rumpf, retroaurikulär, perinasal und in den Beugen finden sich gehäuft bei HIV-Infizierten [6].
Zwischen HIV und der Leishmaniose gibt es eine verstärkende Wirkung und aufgrund der Tatsache, dass diese beiden Erkrankungen in immer mehr Ländern endemisch vorkommen, werden auch immer mehr Fälle von HIV-Leishmaniose-Co-Infektionen berichtet – inzwischen bereits aus über 45 Ländern [7]. Die klinische Präsentation der Hauterscheinungen ist häufig atypisch und kann zum Beispiel mit asymmetrischem Gesichtserythem, asymmetrischer Makro-Cheilitis und histologisch nachweisbarem tiefen Hautschaden bis in die Hypodermis einhergehen [8].
Auch haben HIV-Infizierte im Falle einer COVID-19-Infektion ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Hauterscheinungen wie papulosquamösen Läsionen, Quaddeln oder Zeichen einer Vaskulitis [9,10].
Opportunistische Infektionen
Gehäuft tritt eine orale Candidose bei HIV-Infizierten auf, die auch laryngeal und/oder ösophageal zu finden sein kann (Abb. 2). Sie findet sich vor allem bei niedriger CD4+-T-Zellzahl (< 200 Zellen/μl), fehlender ART und Raucherstatus. Die orale Haarleukoplakie, eine benigne Mukosaerscheinung ausgelöst durch das Epstein-Barr-Virus (EBV), tritt fast ausschließlich bei Immunsupprimierten auf und wurde bei einem HIV-Patienten erstbeschrieben (Abb. 3).
Auch eine disseminierte Kryptokokkose mit kutaner Beteiligung kann im Zusammenhang mit einer HIV-Infektion auftreten. Papeln, Plaques, Ulzerationen, Sinuskanäle oder Purpura, Zellulitis und Abszesse können auftreten, bei HIV-Infizierten auch Molluscum-ähnliche, nabelförmige Papeln, die differenzialdiagnostisch an Mpox denken lassen. Eine Kryptokokkose bei HIV-Co-Infektion kann chronisch verlaufen und mit zahlreichen Knoten im Gesicht einhergehen, die höchst stigmatisierend wirken.
Co-Infektionen mit anderen STI
„Generell kann man sagen, dass jede Person, bei der eine STI diagnostiziert wurde, ein komplettes STI-Screening inklusive HIV-Diagnostik erhalten sollte“, betonte Tiplica.
Eine Syphilis bei HIV-Co-Infektion ist im Primärstadium häufiger symptomlos, sodass HIV-Infizierte oft erst im Sekundärstadium diagnostiziert werden, das allerdings nicht selten schneller und aggressiver verläuft und früher eine neurologische und ophthalmologische Beteiligung zeigt [11]. Eine sekundäre Syphilis kann sich auch untypisch darstellen und wie psoriasiforme Läsionen [12], ein diskoider Lupus erythematodes, eine Prurigo nodularis, Lepra oder Granuloma anulare präsentieren [13] (Abb. 4). Eine Co-Infektion mit Syphilis kann die Übertragung des HI-Virus durch die Genitalulzera begünstigen [11].
Auch eine Erkrankung mit Mpox zeigt sich bei HIV-Infizierten gravierender, mit tiefen und eitrigen Ulzerationen, die mitunter hämorrhagisch verkrustet, erythematös und ödematös imponieren, nekrotisieren und zu Gewebsdefekten führen können. Ausgeprägte Läsionen im Gesicht bedingen nicht selten stigmatisierende Narben. Anogenitale Läsionen sind häufig, differenzialdiagnostisch lassen sie an Herpes genitalis oder Mollusca contagiosa denken. Aber auch eine Manifestation als solitäres, schmerzloses Genitalulkus kann vorkommen [14,15].
Im Gegensatz zur klassischen Skabies bei Immunkompetenten, die sich mit inflammatorischen Papeln und Knoten und besonders nachts starkem Juckreiz präsentiert, zeigt sich bei HIV-Infizierten das Bild der Krusten-Skabies mit diffusen, schlecht abgrenzbaren, erythematösen, rissigen, krustig-schuppigen Plaques [16]. „Besonders ist hier, dass die Krusten-Skabies nicht mit dem sonst so typischen Juckreiz einhergeht“, erläuterte Tiplica. Eine Krusten-Skabies kann auch im Rahmen eines IRIS auftreten [17].
Auch eine Pilzinfektion mit Trichophyton mentagrophytes Genotyp VII ist inzwischen am ehesten zu den STI zu zählen und scheint gehäuft bei Menschen mit HIV-Infektion aufzutreten – häufig mit sehr ausgeprägten Befunden (Abb. 5) [18].
Hautkrebs
„Die bekannteste Hautneoplasie im Zusammenhang mit einer HIV-Infektion und zugleich AIDS-definierendes Malignom ist das Kaposi-Sarkom, das durch das humane Herpesvius Typ 8 (HHV-8) übertragen wird und mit kleinen Maculae und Knoten überall am Körper, aber auch viszeral imponiert (Abb. 6). Prädisponierend dafür ist eine niedrige CD4+-T-Zellzahl. Mit Beginn der ART kommt es häufig zum Regress der Sarkome [19]. „Während bei uns die Inzidenz des Kaposi-Sarkoms seit Einführung der antiretroviralen Therapie deutlich gesunken ist, stellt es in Subsahara-Afrika immer noch die häufigste Krebsart bei Menschen mit HIV / AIDS dar und macht einen beträchtlichen Anteil der Morbidität und Mortalität dort aus“, erklärte Tiplica.
Menschen mit HIV-Infektion haben aber auch ein erhöhtes Risiko, ein Basalzell- (BCC) oder Plattenepithelzellkarzinom (SCC) zu entwickeln, wie Studiendaten aus Dänemark zeigen konnten. Im Vergleich zur Normalbevölkerung lag ihr Risiko um 1,79 (BCC) bzw. 5,40 (SCC) höher [20]. „Erstaunlicherweise war das Risiko in Bezug auf maligne Melanome aber nicht erhöht“, so Tiplica. Die BCC bei HIV-Infizierten zeigen häufiger einen aggressiven Verlauf, mit mehreren, teils eruptiven Läsionen oder einer Metastasierung, die sonst äußerst selten auftritt. Bei den SCC fallen gehäuft (40- bis 50-fach erhöhtes Risiko bei HIV-Co-Infektion) HPV-assoziierte Analkarzinome auf, die mit frühen Manifestationen und einem schnellen Krankheitsverlauf einhergehen [21].
Haut unauffällig – aber Juckreiz
So häufig Hautveränderungen bei Menschen mit HIV-Infektion auch sind, sollte man trotzdem nicht vergessen, dass es auch diejenigen gibt, die gar keine Hautläsionen zeigen – aber über Pruritus klagen, so Tiplica [22].
Eine HIV-Infektion prädisponiert für sehr vielfältige und komplexe Hautläsionen, die ganz unterschiedliche Ursachen haben können. Einige dieser Hauterscheinungen können einen wichtigen klinischen Hinweis auf eine HIV-Infektion geben und sollten zur entsprechenden Testung führen – ebenso außergewöhnliche, sehr schwere oder sehr schnelle Verläufe von Hauterkrankungen oder solche, die nicht auf die üblichen Therapien ansprechen. Einige dieser Hautläsionen treten auch im Zuge des Immunrekonstitutions-Entzündungssyndroms zu Beginn der antiretroviralen Therapie auf. Da sexuell erworbene HIV-Infektionen häufig mit weiteren STI einhergehen, die sich gegenseitig beeinflussen und aggravieren können, ist ein komplettes STI-Screening der betroffenen Personen unabdingbar.
Vortrag „HIV – indicator skin diseases“, anlässlich des EADV-Kongress 2024, Amsterdam, 2024