Mit der Mitte 2024 erschienenen, aktualisierten S2k-Leitlinie zur Therapie der Hidradenitis suppurativa stehen nun differenziertere Therapieentscheidungshilfen zur Verfügung, die eine optimierte Patientenversorgung ermöglichen sollen – und auch außerhalb der Dermatologie zu einer guten Erstversorgung befähigen.
„Auf dem Gebiet der Hidradenitis suppurativa hat sich in den letzten Jahren extrem viel getan, auf Kongressen ist es ein wichtiges Thema geworden, es gibt neue Leitlinien und Awareness-Programme,“ eröffnete Dr. med. Peter Weisenseel (Hamburg) den aktuellen Derma-Talk zur Hidradenitis suppurativa (HS). Gemeinsam mit den beiden Experten und Leitlinien-Co-Autoren Dr. med. Sylke Schneider-Burrus aus der Havelklinik Berlin und Prof. Dr. med. Falk Bechara von der Ruhr-Universität Bochum spricht er über die neuesten Ansätze in der Behandlung sowie praktische Tipps für den klinischen Alltag.
Die wichtigsten Neuerungen der Leitlinien
„Der neue Therapiealgorithmus im Leitlinien-Update fasst schon gut zusammen, was sich im Vergleich zur vorherigen Leitlinie von 2012 geändert hat,“ erläuterte Schneider-Burrus. „Eine wichtige Neuerung ist, dass die Therapieempfehlungen nun nach den verschiedenen Formen der HS differenziert werden – und zwar bezogen auf die aktive HS und die inaktive HS, wobei die aktive Form nochmals nach dem Aktivitätsgrad unterteilt wird.“ Die Behandlungsoptionen der aktiven Form umfassten dabei die gesamte Palette von Antibiotika bis Biologika, aber auch lokale Maßnahmen, wohingegen die nicht aktive HS die Domäne der chirurgischen Therapie darstelle. Dass sich gerade auf dem Gebiet der Biologika zur Behandlung der HS viel tue, zeige die Tatsache, dass die für Ende 2025 in Aussicht gestellte europäische Leitlinie zur HS bereits weitere Neuerungen beinhalten werde. „Im Großen und Ganzen werden sich die deutsche und die europäische Leitlinie decken, der wichtigste Unterschied wird aber tatsächlich im Empfehlungsgrad der aktuell zugelassenen drei Biologika liegen,“ ergänzte Bechara. „Denn derzeit haben bei uns Adalimumab und Secukinumab den höchsten Empfehlungsgrad, während Bimekizumab noch eine Stufe darunter steht. Der Grund dafür ist simpel: Die Zulassungsstudien waren zum Zeitpunkt der Erstellung der deutschen Leitlinien noch nicht publiziert. In der europäischen Leitlinie werden die drei Biologika alle auf dem gleichen Empfehlungslevel zu finden und alle drei firstline zugelassen sein.“
Auch die klassischen Einstiegsmedikamente in der HS-Behandlung werden diskutiert: „Während früher die Empfehlung für die Antibiotika Clindamycin und Rifampicin bestand, wird in der neuen Leitlinie nun Doxycyclin an erster Stelle empfohlen,“ so Schneider-Burrus. Damit solle ein einfacherer Einstieg in eine Basistherapie der HS ermöglicht werden, die auch im dermatologischen Praxisalltag gut umsetzbar sei – und ebenso im hausärztlichen, urologischen, gynäkologischen und chirurgischen Bereich, also allen Fachrichtungen, die HS-Patientinnen und -Patienten zu sehen bekommen. „Trotzdem ist Clindamycin/Rifampicin nach wie vor eine gute Kombination, die wir gerade bei sehr schweren Formen auch noch weiter einsetzen,“ betonte die Expertin.
Kombination der Therapien als Erfolgsfaktor
Ebenfalls Gegenstand der Diskussion: Auf was kommt es bei der Wahl des Biologikums an? Wie ausgedehnt fallen heutzutage die chirurgischen Maßnahmen bei der HS aus? Und wie kann die Kombination aus konservativ medikamentöser und chirurgischer Therapie im klinischen Alltag aussehen? „Etwa 60 bis 70 Prozent unserer Patientinnen und Patienten brauchen eine Kombination aus beiden Maßnahmen, was in der neuen Leitlinie auch explizit empfohlen wird,“ erklärte Schneider-Burrus. „Wichtig ist auch, das Ziel des Patienten oder der Patientin zu erfragen und einen gemeinsamen Weg dorthin zu besprechen.“ Außerdem sei es ganz entscheidend, den Betroffenen zu vermitteln, dass die Erkrankung nicht ihre Schuld sei. „Man kann sagen: Auch wenn es noch ein weiter Weg ist, bis wir die HS so effektiv behandeln können wie andere chronische Erkrankungen, die Psoriasis zum Beispiel, lohnt sich die Therapie auf alle Fälle und hat für die meisten Betroffenen einen lebensverändernden Einfluss. Wichtig dabei ist allerdings eine realistische Erwartungshaltung – auf Seiten der Behandler wie auch der Behandelten“, so Becharas Fazit.
Web-Talk „Hidradenitis suppurativa – acne inversa“ (Veranstalter: CME-Welt), November 2024
Bildnachweis: Dirk Deckbar