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Fokus Naturmedizin

Komplementärmedizin in der gynäkologischen Onkologie

Brustkrebspatientinnen möchten kompetent beraten werden

Interview mit Prof. Dr. med. Harald Meden

20.10.2023

Die meisten Brustkrebs-Patientinnen nutzen neben ihrer schulmedizinischen Therapie auch komplementär-medizinische Verfahren. Wie kann man sie gut beraten, vor unsinnigen Angeboten schützen und motivieren, die belastenden Behandlungen durchzustehen? Das erklärt Prof. Harald Meden im Interview.

Im Interview
Prof. Dr. med. Harald Meden

Prof. Dr. med. Harald Meden
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
1. Vorsitzender der NATUM e. V.

meden@bluewin.ch

Gerade im onkologischen Bereich ist die Komplementärmedizin ein wenig wie der Wilde Westen. Neben bewährten Therapeutika gibt es fragwürdige Alternativpräparate, die betroffene Patientinnen im Internet finden. Wie können Frauenärztinnen und Frauenärzte hier eine Beratungskompetenz aufbauen?

Ja, das ist richtig: Es ist schwierig, den Bereich Komplementärmedizin in der Onkologie zu analysieren und zu bewerten. Grundsätzlich ist zwischen Komplementärmedizin und Alternativmedizin zu unterscheiden: Alternativmedizin wird als Alternative zur Schulmedizin angeboten, oft dogmatisch, oft als konzeptioneller oder politischer Gegenpol zur Schulmedizin. Zu Substanzen und Methoden der Alternativmedizin fehlen fundierte wissenschaftliche Studien als Grundlage. Im Internet finden sich oft kommerziell ausgerichtete Angebote in diesem Bereich. Da Anwender von Alternativmedizin auf schulmedizinische Substanzen und Therapiekonzepte verzichten, lassen sie deren Potenzial ungenutzt. Im Ergebnis haben sie eine schlechtere Prognose. Das ist durch zahlreiche Studien belegt.

Im Gegensatz zu Alternativmedizin ergänzt Komplementärmedizin die Schulmedizin. Die Schulmedizin ist dabei immer die Grundlage. Komplementärmedizin wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen und 80 % aller onkologischen Patientinnen nehmen komplementäre Behandlungsmethoden in Anspruch – als wissenschaftlich gut abgesicherte Ergänzung zur schulmedizinischen ­Behandlung.

Die wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft NATUM vermittelt Beratungskompetenz in diesem Bereich. Sie wurde vor 30 Jahren als Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) an der Universität Heidelberg gegründet. Die NATUM bietet qualitätsgesicherte und zertifizierte Kurse mit durchschnittlich 20–40 Teilnehmenden. Ziel des Zertifikat-Kurses „Ganzheitliche Gynäkologische Onkologie“ der NATUM ist es, dem Beratungsbedarf der Patientinnen zu folgen und die hierfür erforderliche ärztliche Beratungskompetenz zu erhöhen. Das Curriculum basiert auf einem Konzept der WHO. An diesen Kursen der NATUM haben in den vergangenen Jahren mehr als 700 Ärztinnen und Ärzte teilgenommen.

Gibt es Regelungen zum Aufbau und zum Erwerb einer persönlichen ärztlichen Beratungskompetenz in der Onkologie?

Ja, dazu hat die Bundesärztekammer die Musterweiterbildungsordnung geändert. Seit 2020 gibt es die neue Weiterbildungsordnung. Im Kapitel „Frauen­heilkunde und Geburtshilfe“ wurde in allen Bundesländern, außer Bayern und Berlin, bei der kognitiven und Methodenkompetenz im Kapitel „Tumorerkrankungen“ der Passus „komplementärmedizinische Verfahren“ neu aufgenommen.

Wo sehen Sie in erster Linie Einsatzgebiete für komplementärmedizinische Ansätze?

Schulmedizinische Therapien haben oft typische Nebenwirkungen, die den Einsatz limitieren können. Bei Patientinnen mit Mammakarzinom gilt dies insbesondere bei Chemotherapien, Strahlentherapien und antihormonellen Therapien. Hier spielt das Nebenwirkungsmanagement eine zentrale Rolle, um diese Behandlungen den Therapieprotokollen entsprechend optimal einsetzen zu können.

Komplementärmedizin kann im onkologischen Nebenwirkungsmanagement sinnvoll eingesetzt werden, um die Adhärenz beim Einsatz schulmedizinischer Methoden zu verbessern. Dadurch lassen sich Therapieabbrüche verhindern, Dosisreduktionen vermeiden und es kann dem Wechsel auf weniger toxische und weniger wirksame Substanzen entgegengewirkt werden. Ergänzend zur Bedeutung bei der Adhärenz gegenüber Therapieprotokollen hat Komplementärmedizin damit eine Bedeutung für die Optimierung der Lebensqualität der onkologischen Patientinnen.

Können Sie uns für diese Einsatzgebiete ein paar konkrete Beispiele nennen?

Die meisten Patientinnen mit Mammakarzinom haben Chemotherapie, Strahlentherapie und antihormonelle Behandlungen. Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall, Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie, chronische Müdigkeit, Fatigue-Syndrom, Schlafstörungen, vaginale Trockenheit und vaginale Infektionen sind dabei häufige und typische Nebenwirkungen. Sie treten bei einem Teil der Patientinnen allein auf, bei einem anderen Teil in Kombination, simultan oder sequenziell.

Welchen Einfluss haben neue Therapie­formen wie die zielgerichteten Thera­­pien oder Immuntherapien? Stellen sie neue Anforderungen an die Supportivtherapie?

Diese neuen Therapieformen bereichern das therapeutische Spektrum und können die Prognose verbessern. Gleichzeitig haben sie Nebenwirkungen. Dadurch werden neue Anforderungen an die Supportivtherapie gestellt. Auch der Bedarf nach Supportivtherapie insgesamt wird dadurch größer.

Wie kann man Patientinnen motivieren, die oft belastenden Behandlungen durchzustehen?

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass sich die Patientinnen mehr Informationen und mehr Dialog zu Komplementärmedizin ergänzend zur Schulmedizin und mit ihren behandelnden und betreuenden Ärztinnen und Ärzten wünschen. Diesen Wunsch haben auch die meisten Angehörigen und Begleitpersonen. Motivierend ist es, der Patientin mitzuteilen, dass es Möglichkeiten gibt, die Nebenwirkungen der onkologischen Therapien zu reduzieren. Sie darauf hinzuweisen, dass es schulmedizinische und komplementärmedizinische Ansätze gibt, Nebenwirkungen zu reduzieren. Die psychologische Führung der Patientin und die Beratungskompetenz sind zentrale Faktoren in dieser Situation.

Bildnachweis: privat

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