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Allgemeinmedizin

Therapie des Typ-2-Diabetes

Insulinhemmender Rezeptor im Fokus

Prof. Dr. rer. nat. Heiko Lickert

21.5.2024

Die Pharmakotherapie bei Typ-2-Diabetes konzentriert sich auf das Management hoher Blutzuckerwerte. Nachhaltiger wäre ein kausaler Ansatz, der etwa β-Zellen schützt und regeneriert. Zielführend könnte in diesem Zusammenhang das Ausschalten von Inceptor sein, dem insulinhemmenden Rezeptor.

Insulinresistenz (IR) stellt eine frühe Komplikation ernährungsbedingter Adipositas dar und kann zu Hyperglykämie, progressiver Hyperinsulinämie und adaptiver β-Zell-Hypertrophie führen und damit letztlich zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes (T2D). Ein Verständnis der multifaktoriellen Ätiologie der Insulinresistenz ist daher von besonderer Bedeutung. So reguliert Insulin sowohl über den Insulinrezeptor (INSR) als auch über den Insulin-artigen Wachstumsfaktor-1-Rezeptor (IGF1R) Wachstum, Funktion und Überleben von β-Zellen. Essenziell wäre also, eine übermäßige Insulinresistenz der β -Zellen zu stoppen und die Sensitivität von INSR und IGF1R zu erhalten.

Als Schlüsselfaktor der INSR- und IGF1R-Desensitivierung hatten wir kürzlich den insulinhemmenden Rezeptor identifiziert und Inceptor genannt. Die Entfernung von Inceptor in den β-Zellen magerer und normoglykämischer Mäuse verstärkte die Signalgebung über INSR und IGF1R und führte zu einer erhöhten β-Zellmasse und verbesserter Glucosetoleranz. Offen blieb, ob eine Inhibition von Inceptor bei übergewichtigen Mäusen mit Glucoseintoleranz ähnlich positive Effekte bewirken kann. Und: Ob Inceptor den Glucosemetabolismus auch über zentrale Mecha­nismen reguliert, denn eine stärkere Expression von Inceptor findet nicht nur im Pankreas, sondern auch im Gehirn und der Hypophyse statt.

Was die Entfernung von Inceptor bewirkt

Um die Hypothese des pharmakologischen Potenzials der Inceptor-INSR/IGF1R-Achse zu bestätigen, bestimmten wir die räumliche und zelluläre Lokalisation von Inceptor im Gehirn. Und untersuchten, ob das Entfernen von Inceptor aus allen Körperzellen, der altersbedingte β-Zell/Inceptor-Verlust, der gezielte Cre-vermittelte Inceptor-Verlust im zentralen Nervensystem oder den Proopiomelanocortin (POMC) bzw. den Agouti-related Peptid (AgRP) exprimierenden Neuronen den Energie- und/oder Glucosemetabolismus bei adipösen männlichen Mäusen beeinflusst [1].

Inceptor-KO-Mäuse (IKOM; gänzlich ohne Inceptor) zeigten verglichen mit Wildtyp-Mäusen (WTM) eine stark herabgesetzte Inceptor-Immunreaktivität im Gehirn sowie in Hypophyse und Pankreas. Wurde hochkalorisch gefüttert, zeigten die IKOM im Vergleich zu WTM eine normale Nahrungsaufnahme, aber ein leicht erhöhtes Körpergewicht. Trotz der Gewichtszunahme wiesen adipöse IKOM eine bessere Glucosetoleranz auf als adipöse WTM – ohne Veränderung der Insulinsensitivität. Zudem hatten die adipösen IKOM verringerte HbA1C-Werte und eine gesteigerte Glucose-stimulierte Insulinsekretion.

Da Inceptor im Hypothalamus weitverbreitet ist, prüften wir den Einfluss eines gezielten Verlusts von Inceptor in Neuronen bei adipösen Mäusen. Auch diese zeigten verglichen mit der WT-Kontrolle bei hochkalorischer Nahrungszufuhr keinen Unterschied bzgl. Körpergewicht, Nahrungsaufnahme oder Fettmasse, lediglich eine leichte Zunahme der Magermasse. Keine Unterschiede wurden auch bzgl. der Nüchtern-Glucose-Werte beobachtet, aber es zeigte sich wie bei den IKOM eine erhöhte Glucosetoleranz bei Mäusen mit Inceptor-Verlust in den Neuronen.

Bei der gezielten Entfernung von Inceptor in AgRP-Neuronen bei adipösen Mäusen ergaben sich bei hochkalorischer Fütterung keine Unterschiede bzgl. Körpergewicht oder -komposition zur WT-Kontrolle, aber leicht erhöhte Level bzgl. des Nüchternblutzuckers und letztlich keine Unterschiede bzgl. der Glucosetoleranz und der Insulinsensitivität.

Wurde Inceptor in POMC-Neuronen entfernt, zeigten sich zwischen diesen Mäusen und der WT-Kontrolle bei der hochkalorischen Fütterung ebenfalls keine Unterschiede bzgl. Körpergwicht und -komposition, Glucosetoleranz oder Insulinsensitivität.

Schließlich untersuchten wir noch den Einfluss der gezielten Entfernung von Inceptor aus pankreatischen β-Zellen bei erwachsenen adipösen Mäusen (altersbedingter β-Zell/Inceptor-Mangel) auf die ­glykämische Kontrolle. Hier zeigten sich bei hochkalorischer Nahrungs­zufuhr wieder eine ­verbesserte Glucosetoleranz und erhöhte Insulinsensitivität vs. der WT-Kontrolle und keine Unterschiede bei Körper­gewicht und -komposition. Zudem zeigten diese KO-Mäuse keine signifikanten Unterschiede zur WT-Kontrolle bzgl. Nüchternblutzucker und Plasma-Glucagon, aber eine leicht erhöhte β-Zell-Masse und eine signi­fikante Verbesserung der HbA1C-Level.

Fazit

Den Daten zufolge stellt die Inhibition von Inceptor – gänzlich, spezifisch in ZNS-Neuronen oder pankreatischen β-Zellen – einen vielversprechenden Ansatz dar, um die Glucose-Homöostase bei Adipösen zu verbessern und die β-Zelle zu schützen. Deshalb erforscht unser Labor derzeit das Potenzial verschiedener Inceptor-blockierender Wirkstoffklassen.

Der Autor

Prof. Dr. rer. nat. Heiko Lickert
Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Institut für Diabetes und Regenerations­forschung
85764 Neuherberg

heiko.lickert@helmholtz-muenchen.de

  1. Grandl G et al., Nature Metabolism 2024; DOI 10.1038/s42255-024-00991-3
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Bildnachweis: privat

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