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Gynäkologie

Diagnostik der bakteriellen Vaginose

Vom Nativpräparat zum Next Generation Sequencing

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

16.4.2024

Die korrekte Diagnostik der bakteriellen Vaginose basiert in der Praxis noch immer auf klassisch mikroskopischen Verfahren. Vor allem bei rezidivierenden Verläufen kann jedoch eine weitergehende molekulare Diagnostik erforderlich sein. Ein Überblick auf Basis der aktuellen Leitlinie.

Die bakterielle Vaginose (BV) ist die häufigste mikrobielle Störung überhaupt mit einer Prävalenz von 5 %. Da sie auch mit zahlreichen geburtshilflichen Problemen verbunden ist (Prävalenz bei Schwangeren von 10–15 %), spielt sie eine wichtige Rolle in der gynäkologischen Praxis. Auch wenn nur etwa die Hälfte der betroffenen Frauen über Symptome klagt. Der Kernsatz zur Diagnostik der bakteriellen Vaginose fasst die aktuelle Leitlinie von 2023 in der Empfehlung 6.E4 zusammen [1]: „Die orientierende Diagnostik der bakteriellen Vaginose soll anhand von Anamnese, Klinik und dem mikroskopischen Nachweis von Schlüsselzellen (clue cells) im Nativpräparat, ggf. auch mit Beurteilung der Amsel-Kriterien, erfolgen.“ Vor jeder Diagnostik ist es wichtig, gezielt nachzufragen. Seit wann bestehen die Beschwerden? Juckt, brennt oder riecht es? Haben Konsistenz und Menge des Fluors sich auffällig verändert? Auch sollte nach Beschwerden beim Partner gefragt werden [2].

Diagnostik nach Amsel

Die bakterielle Vaginose wird meistens durch ­Gardnerella vaginalis verursacht. Es handelt sich um eine vaginale Fehlbesiedlung mit fakultativ ­pathogenen Keimen, die häufig aus dem Darm­bereich stammen. Eine so gestörte Vaginalflora bedeutet ein erhöhtes Risiko für andere Erreger, denn Anaerobier scheinen durch Stoffwechselprodukte von Gardnerella vaginalis in ihrer Vermehrungsfähigkeit gefördert zu werden.

Die bereits erwähnten Kriterien nach Richard ­Amsel gelten als erfüllt, wenn 3 der 4 folgenden Merk­male zutreffen [3]:

  • homogener, grau-weißlicher Fluor genitalis
  • pH-Wert des Vaginalsekrets > 4,5
  • fischiger Amingeruch des Fluors, insbesondere nach Zugabe eines Tropfens 10%iger Kalilauge (KOH)
  • Nachweis von mindestens 20 % Schlüsselzellen im Verhältnis zur Gesamtheit der pro Blickfeld sichtbaren Vaginal-Epithelzellen im Nativpräparat

Die pH-Messung des Fluors erfolgt mit Teststäbchen, die eine deutliche Verschiebung in den basischen Bereich zeigen (4,8–5,5 statt 3,8–4,5): Das gibt erste Hinweise auf die Besiedlung. Ein pH-Wert < 4,5 ­bedeutet die Anwesenheit von Laktobazillen, da nur sie Milchsäure bilden und sich bei diesem pH-Wert noch vermehren können. Fehlen die Laktobazillen, liegt der pH-Wert häufig bei etwa 5,5. Durch die ­Zugabe eines Tropfens 10 % KOH-Lösung zum Fluor wird im Falle einer Vaginose der typisch fischartige Geruch (Amine) verstärkt.

Das Anlegen von Kulturen ist zu aufwendig für die Routineanwendung.

Die Nativmikroskopie ermöglicht eine sofortige Beurteilung der Probe. Im Nativpräparat fallen „clue cells“ auf, die durch Besiedlung und Adhärenz von Kokken und Stäbchenbakterien gut erkennbar sind. Das Anlegen von Kulturen zum Nachweis der Bakterien ist im Normalfall aufgrund der aufwendigen ­Methodik und der Vielzahl der infrage kommenden Erreger nicht sinnvoll.

Weg von subjektiven Kriterien

Problematisch bei den Amsel-Kriterien: Sie unterliegen einem subjektiven Faktor bei der Fluor- und Geruchsbewertung. Dadurch weist die Methode eine geringe Sensitiviät von 41,3 % auf, bei einer hohen Spezifität von 97,8 % und moderater Reproduzierbarkeit [4]. Ohne Kenntnisse der Nativmikroskopie sinkt die Sensitivität gar auf 22,8 %. Demgegenüber steht der große Vorteil der Sofortdiagnostik.

Als objektivere Alternativen haben sich in der ­Labordiagnostik der Nugent-Score und der Hay-Ison-Score etabliert [1]. Eine solche semiquantitative Bewertung empfiehlt die Leitlinie unter 6.E5. Der Nugent-Score mit einem Punktesystem von 0 bis 10 beurteilt grampositive Stäbchen (0 bis 4), kleine gramvariable und gramnegative Stäbchen (0 bis 4) und gekrümmte, „Mobiluncus-ähnliche“ Stäbchen (0 bis 2). Frauen mit klinischen BV-Symptomen wiesen in der Regel Werte von 7–10 auf, „gesunde“ Frauen Werte von 0–3. Werte von 4–6 gelten als „intermediär“ und lassen keine ­klinisch relevanten Aussagen zu. Nach den Hay-Ison-­Kriterien werden in der Gram-Färbung 5 Kategorien (Grad 0 bis 4) unterschieden.

Zwar sagt die Leitlinien-Empfehlung: „Die Labordiagnostik der bakteriellen Vaginose mittels mole­kulargenetischer Verfahren spielt in der klinischen Routine eine untergeordnete Rolle und sollte ­derzeit nur speziellen Fällen vorbehalten sein.“ ­Nativ- oder Grampräparat können jedoch lediglich Morpho­typen bestimmen. Die Aussagen über die Veränderungen der Vaginalmikrobiota sind daher mit Vorsicht zu genießen.

Vor allem bei Frauen mit rezidivierenden Verläufen oder nach Versagen einer Erstlinientherapie ist eine weitergehende Diagnostik von klinischer Relevanz. In den vergangenen Jahren sind dazu molekulargenetische Verfahren etabliert worden, die die Veränderungen genauer abbilden und damit für eine gezielte Therapie sein können [5].

  • Die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) auf Basis der 16S rRNA ermöglicht eine taxonomisch eindeutige Identifizierung der Mikroorganismen sowie die Beurteilung ihrer räumlichen Anordnung.
  • Beim Next Generation Sequencing (NGS) können auch Mikroorganismen identifiziert werden, wenn sie in der Probe nur in geringer Menge vorhanden sind. Ein routinemäßiger Einsatz ist aufgrund des hohen Aufwands bisher nicht erfolgt.
  • Die quantitative Multiplex-Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) bestimmt quantitativ die DNA von Gardnerella spp. im Verhältnis zur Lakto­bazillen-DNA der Probe. Die BV-qPCR kommt insbesondere bei Frauen mit Kinderwunsch, Schwangerschaft, IVF oder zum Screening bei Personen mit erhöhtem STI-Risiko zur Anwendung. Sie ist in Deutschland nur als Selbstzahlerleistung verfügbar.
  1. Bakterielle Vaginose. Leitlinie der DGG, OEGGG und SGGG, S2K-Level, AWMF-Reg.-Nr. 015-28, 2023
  2. Peters K, Privatarzt Gynäko; 2022; 13: 8–9
  3. Amsel R et al., Am J Med 1983; 74: 14–22
  4. Vieira-Baptista P et al., Int J Gynaecol Obstet 2022; 156: 552-559
  5. Sobel JD et al., J Clin Microbiol 2019; 57: e00227-19
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