Im Zuge der Reproduktionsmedizin gewinnt die Rolle des Mikrobioms zunehmend an Bedeutung. Potenzielle Zusammenhänge zwischen Dysbiose und mangelndem Erfolg reproduktionstechnischer Maßnahmen sind beschrieben, doch der Weg zu therapeutischen Ansätzen ist noch weit.
Obwohl sich die Reproduktionsmedizin in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt hat, sehen sich viele Paare weiterhin mit Sterilität und wiederholten Fehlgeburten konfrontiert. Bei der Ursachenforschung rückt jetzt zunehmend das Mikrobiom in den Vordergrund. Dessen Erforschung hat durch molekularbiologische Techniken wie die Hochdurchsatzsequenzierung von 16S-rRNA-Genen und die Metagenomsequenzierung erhebliche Fortschritte gemacht. Diese Methoden ermöglichen die detaillierte Analyse der mikrobiellen Vielfalt und des funktionellen Potenzials, während die quantitative Real-Time-PCR (qPCR) die exakte Quantifizierung spezifischer Bakterienarten erlaubt [1].
Das vaginale Mikrobiom ist für die reproduktive Gesundheit von zentraler Bedeutung. Es interagiert eng mit der Schleimhaut und dem Immunsystem und trägt zur Aufrechterhaltung eines stabilen sauren pH-Wertes (< 4,5) bei, schützt durch Milchsäure-, Wasserstoffperoxid- und Bakteriozinproduktion vor pathogenen Keimen und moduliert Immunreaktionen. Diese Schutzfunktion wird hauptsächlich durch Lactobacillus-Spezies gewährleistet. Eine Dysbiose des vaginalen Mikrobioms wird mit einer Reihe negativer reproduktiver Outcomes assoziiert [1].
Die bakterielle Vaginose (BV) ist die häufigste vaginale Dysbiose. Sie ist durch eine verminderte Präsenz von Lactobacillus-Spezies und ein vermehrtes Vorkommen BV-assoziierter Bakterien wie Gardnerella spp. gekennzeichnet. Die BV bleibt jedoch bei bis zu 80 % der Frauen asymptomatisch und wird daher klinisch oft unterschätzt [2]. Studien aus den 2010er-Jahren hatten jedoch schon gezeigt, dass IVF-Patientinnen mit BV schlechtere reproduktive Ergebnisse aufweisen, darunter wiederholtes Implantationsversagen, spontane Fehlgeburten und niedrigere Schwangerschaftsraten [3,4].
Die Diagnose vaginaler Dysbiosen erfolgt mittels mikroskopischer Untersuchung des Vaginalsekrets und pH-Wert-Messung (z. B. Amsel-Kriterien oder Nugent-Score). Darüber existiert das Konzept der „Community State Types (CSTs)“, welches das vaginale Mikrobiom anhand der 16S-rRNA-Sequenzierung in Gruppen einteilt, die von einzelnen Lactobacillus-Spezies dominiert werden (L. crispatus, L. gasseri, L. iners, L. jensenii) oder eine höhere Diversität aufweisen [5]. Klinisch relevant ist vor allem, ob ein von L. crispatus oder L. iners dominiertes Mikrobiom vorliegt. Das vaginale Mikrobiom unterliegt individuellen Unterschieden und Schwankungen, beeinflusst durch hormonelle Zyklen, sexuelle Aktivität und Hygiene. Eine spontane Erholungsfähigkeit eines ungünstigen vaginalen Mikrobioms wurde beobachtet, wobei 75 % der Patientinnen innerhalb von 3 Monaten ohne Behandlung ein günstigeres Profil entwickelten, insbesondere wenn L. crispatus nachweisbar war [1,6].
Das Mikrobiom des Endometriums ist erst seit etwa 10 Jahren bekannt und noch wenig erforscht.
Das Mikrobiom des Endometriums ist erst seit rund 10 Jahren überhaupt bekannt. Seitdem wird es mit Erkrankungen wie Endometriose, chronischer Endometritis und niedrigen ART-Erfolgsraten in Verbindung gebracht. Es konnte gezeigt werden, dass Lactobacillus-Spezies die dominierenden Bakterien im Uterus fruchtbarer Frauen sind. Bei Frauen mit Sterilitätsproblematik, die sich einer ART-Behandlung unterzogen, war ein Mikrobiom im rezeptiven Endometrium mit einem Lactobacillus-Anteil von weniger als 90 % signifikant mit geringeren Chancen auf eine erfolgreiche Implantation, eine anhaltende Schwangerschaft und eine Lebendgeburt assoziiert [7,8]. Allerdings werfen fehlende signifikante Unterschiede zwischen dem vaginalen und endometrialen Mikrobiom in statistischen Vergleichen die Frage nach der eigenständigen Existenz des endometrialen Mikrobioms auf [1].
Therapeutische Ansätze
Das große Interesse an der gezielten Modulation des Mikrobioms zur Steigerung der Fertilität und Reduzierung von Schwangerschaftskomplikationen ist evident. Die traditionelle Behandlung symptomatischer vaginaler Dysbiose erfolgt mit oral oder vaginal verabreichten Antibiotika (Metronidazol, Clindamycin), die zwar hohe Heilungsraten (80–90 %) erzielen, aber mit hohen Rezidivraten (bis zu 60 % innerhalb eines Jahres) und dem Risiko von Antibiotikaresistenzen sowie Nebenwirkungen (Störung des Darmmikrobioms, vulvovaginale Candidose) behaftet sind [1].
Pro- und Präbiotika bieten aussichtsreiche Alternativen. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die gesundheitsfördernde Effekte haben, während Präbiotika das Wachstum nützlicher Mikroben fördern. Produkte, die vaginale Lactobacillus-Stämme nutzen, zeigen vielversprechendere Ergebnisse. Eine randomisierte, placebokontrollierte Studie untersuchte den Effekt eines vaginal verabreichten L.-crispatus-Stamms nach antibiotischer Behandlung und zeigte eine niedrigere Rückfallrate nach 12 Wochen [9]. Neuere Studien lieferten jedoch auch negative Ergebnisse. So zeigte eine Studie aus Dänemark in einer ART-Population keine signifikanten Verbesserungen der Schwangerschafts- oder Lebendgeburtenraten durch den Einsatz von Probiotika in Kombination mit Antibiotika [10].
Ein vaginales Synbiotikum aus 3 L.-crispatus-Stämmen und einem Nährstoffkomplex zeigte in einer randomisierten, placebokontrollierten Studie Erfolg versprechende Ergebnisse zur Optimierung des vaginalen Mikrobioms: Bei 90 % der Frauen mit initialer Dysbiose führte die Behandlung zu einem optimalen L.-crispatus-dominierten Mikrobiom [1]. Ein weiteres Konzept ist die vaginale Mikrobiota-Transplantation (VMT), bei der ein komplettes mikrobielles Ökosystem von einer Spenderin übertragen wird. Eine Fallstudie zeigte einen „Proof of Concept“, allerdings sind weitere Studien erforderlich, um optimale Vorbehandlungen, spezifische Stämme und Dosierungen zu identifizieren.