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Brustkrebsmonat Oktober

Große Fortschritte bei Überleben und Lebensqualität

Therapie des metastasierten Mammakarzinoms

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

4.10.2023

Beim metastasierten Mammakarzinom geht es nicht mehr allein um die Lebenserwartung der Patientinnen, auch Krankheitskontrolle und Lebensqualität spielen eine wichtige Rolle. Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu den aktuellen Empfehlungen.

Immer mehr Krebskranke leben immer länger – ohne wirklich geheilt zu sein. Auch das Mammakarzinom per Definition ab Diagnosestellung einer Metastasierung als nicht mehr kurativ behandelbar [1]. Während sich die Prognose des frühen Mammakarzinoms schon seit Jahren deutlich verbessert hat, waren in der metastasierten Situation (MBC) lange Zeit nur marginale Überlebensvorteile zu verzeichnen.

Das hat sich durch die Einführung neuer Substanzen in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Es gibt immer mehr Patientinnen, die viele Jahre mit einem metastasierten Mammakarzinom leben. Und damit rückt – neben dem Überleben – ein anderer Aspekt immer mehr in den Blickwinkel: die suffiziente Symptomkontrolle bei guter Lebensqualität. Das ist mithilfe von Medikamenten möglich, die eine Progression möglichst unterbinden. Für die Reduktion der damit einhergehenden Nebenwirkungen stehen weitere Medikamente sowie nicht medikamentöse Begleitmaßnahmen zur Verfügung [2].

Metastasen sind am häufigsten in Knochen, Lymphknoten, Leber, Lunge und zentralem Nervensystem (ZNS) zu finden. Der klinische Verlauf wird durch tumorspezifische Faktoren (Anzahl und Lokalisation der Metastasen, Tumorbiologie, primäres Tumorstadium, progressionsfreies Intervall) sowie durch patientinnenspezifische Faktoren (Komorbiditäten, Alter, Vortherapie) beeinflusst. Diese Faktoren steuern auch die Auswahl der therapeutischen Sub­stanzen [1].

Beim MBC werden die systemischen Therapieoptionen heute biomarkergestützt ausgewählt [2]. Die histologische Sicherung einer Metastase mit Bestimmung der Tumorbiologie ist daher essenziell. Neben den Standardmarkern (Hormonrezeptoren, HER2, PD-L1, BRCA) gehören mittlerweile auch der neu definierte Status HER2-low sowie der ESR1-Mutationsstatus dazu. In fortgeschrittenen Erkrankungssituationen kann auch eine Multigenanalyse im Zuge eines molekularen Tumorboards sinnvoll sein.

Wichtig ist beim MBC die Anpassung des Therapiekonzepts an die individuelle Situation unter Berücksichtigung des Patientinnenwillens und sozialer Aspekte [3]. Digitale Gesundheitsanwendungen können dabei helfen, Adhärenz und Nebenwirkungsmanagement zu verbessern. Aktuell werden dazu im DiGA-Verzeichnis die Anwendungen „PINK! Coach“ und „optimune“ gelistet [4].

Systemische Therapie

Standard-Erstlinientherapie beim luminalen MBC ist die endokrin basierte Therapie mit der Kombination aus einem CDK4/6-Inhibitor (Palbociclib, Ribociclib, Abemaciclib) und einer antihormonellen Therapie [2] (Abb. 1). Alle 3 CDK4/6-Inhibitoren haben in Phase-III-Studien eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) gezeigt. Unterschiede zwischen den CDK4/6-Inhibitoren bestehen im Hinblick auf Einnahmeschemata und Nebenwirkungsprofile, bei allen besteht die Option einer Pausierung oder einer Dosisreduktion im Falle von Nebenwirkungen [5].

Die Standard-Erstlinientherapie wird bis zur Progression durchgeführt, weitere Therapielinien sind ­möglich (Abb. 1). Beim HER2-low-Status kann eine Therapie mit Trastuzumab-Deruxtecan prognoseverbessernd sein. Auch Sacituzumab-Govitecan zeigte beim luminalen MBC einen signifikanten PFS- und OS-Vorteil vs. Chemotherapie. Beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) sind bei positivem PD-L1- oder gBRCA-Status biomarkergesteuerte Therapien wirksam (Abb. 2) [2].

Interessant ist hier vor allem der immuntherapeutische Ansatz: Das Mammakarzinom hat im Vergleich der Tumorentitäten nur eine mittlere Immunogenität. Sie ist beim TNBC am höchsten und beim ER-positiven am geringsten – das HER2-positive Mammakarzinom liegt in der Mitte. Folglich ist die Immuntherapie beim TNBC am weitesten etabliert. Hier empfiehlt die AGO als Erstlinientherapie bei entsprechender molekularer Typisierung die Gabe eines Immuncheckpoint-Inhibitors (ICI) in Kombination mit einer Chemotherapie. Noch am Anfang der klinischen Erforschung stehen Kombinationstherapien zusammen mit zielgerichteten Therapieoptionen wie PARP-Inhibitoren oder CDK4/6-Inhibitoren. Eins scheint dagegen aus der translationalen Forschung ziemlich sicher: Die neoadjuvante Gabe eines ICI geht mit höheren Remissionsraten einher als die adjuvante Gabe. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass viel mehr angreifbare Tumorantigene vorhanden sind, solange der Tumor noch präsent ist. Sind beide Biomarker (PD-L1- und gBRCA) negativ, ist eine Chemotherapie nötig.

Metastasenabhängige Therapieoptionen

Bei ossären Metastasen sollte die Systemtherapie um osteoonkologisch wirksame Präparate ergänzt werden (Bisphosphonate, Denosumab s. c. eingesetzt [1,2]. Bei Hirnmetastasen empfiehlt die AGO für singuläre bzw. Oligometastasen möglichst eine neurochirurgische Entfernung, ggf. mit strahlentherapeutischer Nachbehandlung. Bei HER2-positivem MBC existieren zerebral wirksame systemische Therapieoptionen [2]. Hirnmetastasen müssen stets interdisziplinär behandelt werden. Bei oligometastasierter Erkrankung sollte der Fokus auf der Systemtherapie liegen, da eine zusätzliche Lokaltherapie keinen zusätzlichen PFS-Vorteil erbracht hat [6]. Weitere therapeutische Säulen stellen Bewegungstherapie, Ernährungstherapie, Psychoonkologie, Stressmanagement und Komplementärmedizin dar.

Fazit

Das metastasierte Mammakarzinom stellt eine chronische Erkrankung dar, bei dem in der ­Zwischenzeit durch neue Therapien gute Erfolge erreicht werden. Grundlage ist die Systemtherapie auf Basis biologischer Marker. Neue Therapieformen wie Antikörper-Drug-Konjugate oder Immuncheckpoint-Inhibitoren können die Wirksamkeit bei allen Subtypen weiter verbessern. Lokale und supportive Maßnahmen können sinnvoll sein und zum Erhalt der Lebensqualität beitragen.

Im Interview

Prof. Dr. med. Achim Rody
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gynäkologie)
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

achim.rody@uksh.de

Wo stehen wir heute bei der Therapie des metastasierten Mammakarzinoms?

Herr Prof. Rody, die Fortschritte in der Therapie des metastasierten Mammakarzinoms hinkten denen beim frühen Mammakarzinom ja lange deutlich hinterher. Wie stellt sich die Situation denn heute dar?

Wir haben aus dem metastasierten Mammakarzinom viel Erfahrungen und viele neue Substanzen generiert. Es ist ja immer so, dass neue Substanzen oder Therapiekonzepte zunächst in der metastasierten Situation erprobt werden. Wir haben in den letzten Jahren wenig Fortschritt in der metastasierten Situation gesehen, was das progressionsfreie Überleben und was das Gesamtüberleben anbetrifft. Da haben Sie völlig recht. Aber wenn wir uns jetzt die Situation anschauen: Die neuen Substanzen sind alle in der metastasierten Situation im Rahmen von klinischen Studien überprüft worden, und dort zeigten sich deutliche Verbesserungen, was das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben anbetrifft. Diese Substanzen sind sehr zeitnah auch in die frühe Therapiephase überführt worden. Das metastasierte Mammakarzinom ist paradigmatisch für die Etablierung neuer Substanzen, von den Erkenntnissen profitieren dann auch die Patientinnen mit frühem Mammakarzinom.

Auch unser Verständnis der Tumorbiologie ist aus der metastasierten Situation gewachsen. Ein Beispiel ist die zirkulierende Tumor-DNA, die wir jetzt als neuen biologischen Parameter etablieren werden, wahrscheinlich schon in naher Zukunft. Damit könnte die Nachbeobachtung nach einer Tumorerkrankung auf ganz andere Füße gestellt werden. Es wäre großartig, wenn wir über biologische Parameter frühe Rezidive erkennen oder vielleicht sogar im Rahmen der Früherkennung Tumorerkrankungen frühzeitig herausfiltern.

Die verbesserte frühe Systemtherapie führt ja unter anderem auch dazu, dass Patientinnen in der Rezidivsituation mit Metastasen oft schon intensiv vorbehandelt sind. Welche Auswirkungen hat das auf die Therapieplanung?

Es war in der Vergangenheit sicherlich ein Problem, dass viele Substanzen bereits in der adjuvanten Situation eingesetzt wurden. Die setzte man dann nicht mehr in der metastasierten Situation ein, weil man der Meinung war, dass der Tumor resistent auf diese Therapiemodalitäten sei. Wir haben allerdings in den letzten Jahren herausgefunden, dass der Zeitabstand zwischen verschiedenen Therapien möglicherweise ein entscheidender, prädiktiver Marker ist. Bei einem frühen Rezidiv ist es sicherlich nicht sinnvoll, diese Therapien noch einmal einzusetzen. Wenn aber die Patientin nach Abschluss einer Therapie lange Zeit rezidivfrei war, kann es sich auch in der metastasierten Situation lohnen, diese Substanzen nochmals einzusetzen. Wir sind ja derzeit in der glücklichen Lage, über viele Substanzen zu verfügen, die wir in der metastasierten Situation einsetzen können. Grundsätzlich gilt natürlich immer „best treatment first“. Das heißt, in der frühen Situation sollte man alle Substanzen einsetzen, die man dann in dieser Situation auch zur Verfügung hat.

Teilweise haben wir Schwestersubstanzen, die wir in der metastasierten Situation einsetzen können. Und was sicher auch entscheidend ist, in den nächsten Jahren, ist die Suche nach Resistenz-Markern – entweder am Tumorgewebe oder in der zirkulierenden Tumor-DNA. Hier sind entsprechende klinische Studien angelaufen. Wenn Sie die Chance haben, dass eine Ihrer Patientinnen an einer klinischen Studie teilnehmen kann, sollten Sie diese Chance unbedingt nutzen.

Sie hatten gerade schon die Biomarker angesprochen. Welche Biomarker spielen beim metastasierten Mammakarzinom denn eine Rolle? Und sind molekular­pathologische Panels sinnvoll?

Biomarker spielen beim metastasierten Mammakarzinom eine zunehmend große Rolle, sogar stärker ausgeprägt als in der frühen Situation. Wir haben auf der einen Seite die Marker auf DNA-Ebene, die für die weitere Therapie entscheidend sind. Und wir haben die Immunhistochemie, die auf Expressionsebene ansetzt. Deshalb gilt der Grundsatz: Wir müssen Metastasen punktieren und die Biomarker dort bestimmen. Natürlich in erster Linie die klassischen Parameter wie ER, PR und HER2 neu. Aber wir haben durch die Zulassung der Immuncheckpoint-Inhibitoren gelernt, dass PD-L1 ein ganz wesentlicher Parameter ist. Die PARP-Inhibitoren haben eine Zulassung bei vorliegender Keimbahnmutation im BRCA1- oder -2-Gen. Und bei entsprechender familiärer Belastung ist natürlich auch die Panel-Testung wichtig, wie sie das Konsortium für den familiären Brust- und Eierstockkrebs empfiehlt.

Und es geht ja immer weiter. Wir werden ESR1, also eine Mutation im Estrogen-Rezeptor-Alpha-Gen als neuen Biomarker haben. Stichwort Zulassung von Elacestrant, einem Estrogen-Rezeptor-Down-Regulator, der nur bei Patientinnen mit nachgewiesener ESR1-Mutation angewendet werden sollte. Für die CDK4/6-Inhibitoren suchen wir noch nach Biomarkern, aber sie haben die endokrine Therapie vorangebracht. Molekulare pathologische Panels wären wünschenswert, es wäre wichtig, dass man von Anfang an weiß, welche Marker hier bei der Patientin entscheidend sind, und welche Marker können wir für unsere Therapieentscheidung anwenden?

Um die Sache noch ein bisschen komplexer zu machen: Wir lernen ja bei den Marken immer mehr, dass es nicht nur negativ oder positiv gibt. Bei HER2 wird aktuell diskutiert, ob HER2-low eine eigene Kategorie neben HER2-positiv und -negativ ist. Wie sehen Sie das denn aus klinischer Sicht?

Aus klinischer Sicht ist klar festzustellen, dass die Einteilung in positiv und negativ nicht mit der biologischen Realität in Einklang zu bringen ist. Wir wissen, dass die Biologie häufig ein Kontinuum darstellt. Deswegen ist oft auch eine Rebiopsie empfehlenswert. Haben wir tatsächlich eine komplett HER2-negative Situation oder ist doch eine gewisse Expression nachweisbar? Wir finden auch eine ER-low-Situation, wo wir diskutieren müssen, ob hier die Chemotherapie indiziert ist oder doch eine Antihormontherapie infrage kommt. Das müssen wir dann letztendlich auch mit der klinischen Situation in Einklang bringen: Ist die Patientin bereit, spezifische Nebenwirkungen zu akzeptieren, und welche Substanzen gibt es, die in dieser Situation entsprechend effektiv sind?

Herr Prof. Rody, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das komplette Interview finden sie auch zum nachhören hier in unserem Podcast.

1 Hester A et al., Gynäkologie 2023; 56: 330–40
2 AGO Kommission Mamma, Empfehlungen 2023; https:/www.ago-online.de/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-­empfehlungen/kommission-mamma
3 Lüftner D et al., Breast Care 2022; 17: 90–100
4 https://diga.bfarm.de/de, Stand: September 2023
5 Thill M et al., Ther AdvMed Oncol 2018; 17: 58835918793326
6 Chmura SI et al., J Clin Oncol 2022; 40: 1007

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Bildnachweis: Maris, M.Style (AdobeStock), privat

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