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Gynäkologie

Modern, einfach und sicher?

Zyklus-Apps für Kontrazeption und Kinderwunsch

Dr. med. Lisa-Maria Wallwiener und Dr. med. Petra Frank-Herrmann

Das Interesse der Patientinnen an Familienplanungs-Apps ist riesig, doch wie zuverlässig sind sie? Wir stellen die verschiedenen Arten von Zyklus-Apps vor und beleuchten ihre Vor- und Nachteilae für die Szenarien Kinderwunsch und Kontrazeption.

In der gynäkologischen Praxis gibt es kaum eine Patientin, die bei der Frage nach ihrer letzten Menstruationsblutung nicht ihr Handy zückt, um in einer entsprechenden App nachzusehen. Dabei wird schnell klar, dass der Einsatz des Smartphones noch weit darüber hinaus geht: Apps sollen auch bei der Familienplanung helfen. Dazukommt die aktuelle Entwicklung der zunehmenden Infragestellung einer hormonellen Kon­trazeption sowie ein wachsendes Interesse an natür­lichen Körpervorgängen im weiblichen Zyklus. „Fertility awareness“ ist modern. Dies ist vor dem Hintergrund, dass ein sicheres Konzept zur „Natürlichen Familienplanung“ (NFP) bereits existiert, unter dem Namen Sensiplan-Methode etabliert ist und von der „Sektion Natürliche Fertilität“ (SNF) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) als sehr sichere Familienplanungsmethode auch empfohlen wird, zu begrüßen. Die Methodensicherheit dieser Methode beträgt 0,4 ungeplante Schwangerschaften pro 100 Frauenjahre, die Gebrauchssicherheit 1,8 und liegt damit im hoch sicheren Bereich.[1] Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass diese hohe Sicherheit aber nur dann gegeben ist, wenn das Erlernen der Methode und die Aufzeichnung und Auswertung der Zyklusdaten nach einem bestimmten Muster erfolgt. Darüber hinaus muss bei Bedarf Zugang zu einem qualifizierten NFP-Beratungsservice gegeben sein. Eine beliebige Übertragung dieser nach­ge­wie­senen Sicherheit auf Apps ist demnach nicht möglich.Apps, die zur Familienplanung verwendet werden, können wie folgt eingeteilt werden (Tab. 1):

1. Prognose-Apps

Unter Zuhilfenahme von Informationen aus vergangenen Zyklen, z. B. Zykluslänge, Temperaturanstieg (= Sonderform der kalkulothermalen Apps), wird die fruchtbare Phase im aktuellen Zyklus prognostiziert.

2. NFP-Apps

Beobachtungen von Körperzeichen (Temperatur, Zervixschleim und ggf. Autopalpation des Muttermundes) werden nach Algorithmen, die auf bekannten oder teilweise auch unbekannten NFP-Methoden basieren, ausgewertet. Die fruchtbare Phase wird aufgrund von Informationen aus dem aktuellen Zyklus bestimmt.

3. Zyklus-Apps mit assoziierten ­Messsystemen im experimentellen Stadium

Experimentelle Parameter oder Hormonmessungen (im Urin oder Speichel) fließen in die Auswertung mit ein.

Prognose-Apps

Die intraindividuelle Variabilität des Zyklus erheblich. Die Zykluslänge schwankt bei zwei Drittel aller Frauen um mehr als sieben Tage.[2,3] Mit Kenntnis dieser Tatsache wird klar, dass eine Prognose-App, die rein auf Informationen aus vorangegangenen Zyklen basiert (meist gemittelte Zykluslängen), nicht mit einer ausreichenden Präzision auswerten kann. Eine korrekte Prognoserate von z. B. 85 % mittels mathematischer Algorithmen ist zwar ein guter Erfolg, aber in Bezug auf den Anspruch an eine sichere Familienplanungsmethode keine akzeptable Alternative. Um dies zu verdeutlichen, siehe folgendes Beispiel einer Anwenderin (Tab. 2): Im ersten Anwendungszyklus wird offensichtlich zunächst von einem 28-Tage-Zyklus ausgegangen und in den Folgezyklen wird entsprechend die Ovulationsprädiktion angeglichen. Die App-Entwickler sprechen in diesem Fall von einer „lernenden“ App. Im zweiten und dritten Zyklus (Dauer: 32/33 Tage) wird demnach die Ovulation zu früh angesetzt, im vierten Zyklus (Dauer: 27 Tage) zu spät. Eine Sonderform stellen einige kalkulothermale Apps dar. Die Temperaturkurve wird zwar erhoben, aber ihre Auswertung fließt nicht in den aktuellen Zyklus mit ein, sondern es werden Annahmen der Ovulation im Folgezyklus daraus gezogen (z. B. Natural Cycles, Ovolane, OvulaRing). Mit diesem Vorgehen kann die Ovulation (bestimmt durch LH-Anstieg), beispielsweise in einer Studie mit 949 Zyklen, nur in 21 % korrekt vorhergesagt werden.[3]

NFP-Apps

Wie eingangs bereits erwähnt, ist eine effektive und etablierte Methode der NFP gegeben. Einige Apps, z. B. Lady Cycle, myNFP, myWonder oder eine von drei Varianten von Lily, basieren auf der symptothermalen Methode Sensiplan, die nach dem „Double Check“-Verfahren sowohl den Beginn als auch das Ende des fertilen Fensters festlegt. Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass der Begriff „symptothermal“ nicht als automatisch sicher eingestuft werden kann, da für eine adäquate Sicherheit unbedingt das Double-Check-Verfahren hinzugezogen werden muss. Dieses beschreibt im Wesentlichen eine doppelte Absicherung zu Beginn sowie zu Ende des fertilen Fensters (Regeln zu Temperatur und Zervixschleim). So beruft sich z. B. die App OvaGraph zu Beginn des fertilen Fensters ausschließlich auf den Zervixschleim oder die App OvuView lässt einen Mix aus 17 verschiedenen NFP-Methoden mit sehr unterschiedlicher Effektivität zu. Bei Apps, die hauptsächlich auf der Temperatur als alleinigen Parameter beruhen (z. B. DaysyView, Ovy), ist bereits die Sicherheit der in diesen Fällen zugrunde gelegten NFP-Methode unbekannt. Zudem erfolgt beispielsweise bei Ovy die Angabe von Tagen mit hoher oder mittlerer Schwangerschaftschance – eine Angabe, die zur Kontrazeption nicht hilfreich ist. Betrachtet man die NFP-Apps, stellt sich nicht nur die Frage nach der Studienlage der zugrunde liegenden Methode, sondern auch nach Anwendungsstudien zur App selber. Unabhängige Studien zur Beurteilung der Gebrauchssicherheit von Apps sollten der Anspruch sein.

Zyklus-Apps mit assoziierten Messsystemen

Neben der Temperatur und der Beschaffenheit des Zervixschleims sind noch viele weitere Parameter mit dem weiblichen Zyklusgeschehen assoziiert. Bei zahlreichen Beobachtungen während der vergangenen Jahrzehnte wurde jedoch immer wieder festgestellt, dass diese in Bezug auf die präzise Eingrenzung des fertilen Fensters zu ungenau sind.[2] Die Messung von luteinisierendem Hormon (LH) im Urin ist beispielsweise ein weitverbreitetes Hilfsmittel zur Optimierung der Konzeptionswahrscheinlichkeit. Die konsequente Weiterentwicklung stellt die Kombination des Teststreifens mit einem entsprechenden Aufsatz auf dem Smartphone dar, mit welchem per Kamera die Konzentration ausgelesen und per App interpretiert werden kann. Die Hormone LH, FSH oder Pregnandiol werden auf diese Weise in Urin oder teilweise auch Speichel getestet und Rückschlüsse auf den Zyklus gezogen. Die Studienlage hierzu ist derzeit unbefriedigend bzw. zeigt eine zu große Schwankungs­breite.[4,5] Auch der weitverbreitete „Ovulationstest“ (Messung von LH im Urin) zeigt eine weit höhere Schwankungsbreite als bisher angenommen.[6] Die Unterstützung der Temperaturmessung in Form einer kontinuierlichen Nachtmessung mittels intravaginales Messsystem stellt eine vielversprechende Entwicklung auf diesem Gebiet dar. Wichtig ist, dass hierbei nach wie vor die Körperkerntemperatur erhoben wird. Der Vorteil kann eine Verringerung der Störanfälligkeit bei der Temperaturmessung sein.[7] Messungen der peripheren Körpertemperatur, beispielsweise in Form eines Fingerringes oder Armbandes, fallen in die Kategorie der bisher noch experimentellen Parameter (z. B. Ava, DuoFertility, Tempdrop). Das Armband Ava misst neben der peripheren Temperatur auch noch andere Parameter, z. B. die Herz- oder Atemfrequenz. Diese Parameter weisen nach ersten Pilotstudien eine Assoziation mit dem Zyklusgeschehen auf, jedoch mit solchen Schwankungen, dass ein exaktes Festlegen des fertilen Fensters kaum möglich erscheint.[8] Der Anstieg der peripheren Temperatur weist ebenfalls eine hohe Schwankungsbreite auf, außerdem konnte er bei einer Studie mit 437 ovulatorischen Zyklen in 18 % der Fälle gar nicht festgestellt werden. In weiteren 5 % der Fälle lag die Ovulation gar nach dem angegebenen fertilen Fenster.[9] Eine Übersicht über die derzeit auf dem Markt erhältlichen und häufig verwendeten Apps gibt Tab. 3.

Fazit

• Es besteht ein großes Interesse der Patientinnen an Familienplanungs-Apps, sowohl zur Unterstützung des Kinderwunsches als auch als sichere kontrazeptive Maßnahme.

• Prognose-Apps sind, da sie die Zyklusphysiologie nicht respektieren, generell über den Einsatz als Menstruationskalender hinaus nicht zu empfehlen. Hierzu zählen auch die kalkulothermalen Prognose-Apps, welche manchmal für die Patientin schwierig als solche zu identifizieren sind, da sie die Temperatur zwar erheben, aber nicht in die Auswertung des aktuellen Zyklus miteinbeziehen.

• Der Anspruch an eine App, die zur Familien­planung eingesetzt wird, sollte sein, dass eine unabhängige Studienlage zur Effektivität vorliegt. Zertifizierungen, die ausschließlich auf Aussagen und Unterlagen der Hersteller basieren, lassen keine Aussage über die Effektivität der App zu.

• NFP-Apps haben in einigen Fällen das Potenzial einer effektiven Familienplanungsmethode, ­sofern diese bereits außerhalb von Apps existiert und gute Daten zur Effektivität der Methode vorliegen. Eine entsprechende Studienlandschaft, auch zu diesen Apps, ist jedoch erforderlich.

Die Autorin

Dr. med. Lisa-Maria Wallwiener
Sektion Natürliche Fertilität der DGGEF e. V. Praxis für Frauengesundheit
Baierbrunner Str. 85
81379 München

lmwallwiener@gmx.net

Literatur bei der Autorin

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