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Dermatologie

Zukunft der Dermatoonkologie

Mehr Patienten, weniger Versorgung?

Ines Schulz-Hanke

29.5.2025

Der Altenquotient, also das Verhältnis zwischen Personen ab 65 Jahren und Erwerbsfähigen, wird bis 2035 in Deutschland 55 % übersteigen, und nach heutigen Maßstäben müssten bis 2045 wohl 30 % mehr Melanome und sonstige bösartige Neubildungen der Haut stationär behandelt werden. Geht das? Ein Versorgungsausblick.

Derzeit arbeiten in Deutschland 6 511 Dermatologinnen und Dermatologen, 3 955 davon Frauen, 76,2 % ambulant, erklärte Prof. Dr. med. Matthias Goebeler (Würzburg), Schatzmeister der DDG. Seit 2021 sei die Zahl der dermatologisch Berufstätigen zwar jedes Jahr gestiegen, 2023 zuletzt um 2 %, dennoch werde sich die Versorgung verschlechtern, potenziell bis hin zu einer dermatologischen Unterversorgung ganzer Regionen bis 2035.

Hintergrund sei zum einen das Alter der Hautärzte und -ärztinnen – in Bayern z. B. ist die Hälfte 55 Jahre aufwärts. Außerdem habe der Anteil an Teilzeitkräften im Krankenhaus insgesamt kontinuierlich zugenommen, von 12 % im Jahr 2004 auf 30 % in 2023 – bei Männern von 5 auf 20 %. Im niedergelassenen Bereich sei eine ähnliche Entwicklung anzunehmen. Zum anderen machten die unzureichende Vergütung und das unternehmerische Risiko den Beruf unattraktiv im GKV-Bereich, ebenso die überregulierte Gesundheitsbürokratie, der Mangel an Fachangestellten, der hohe Work-Load und eine schlechte Work-Life-Balance.

Digitalisierung und was noch (nicht) hilft

Die Zahl der Medizinstudienplätze zu erhöhen, ­genüge nicht, da sich aktuell nur 2,2 % der Medizinstudierenden für die Dermatologie entschieden und die Ausbildung 11 Jahre dauere. Zusätzliche 1 000 Studienplätze brächten somit ab 2035 bundesweit nur 22 weitere dermatologische Fachkräfte pro Jahr.

Die digitale Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten und -befunden, Teledermatologie mit Smartphones und 3D-Scannern, Chatbots zur Anamneseerhebung, KI-Unterstützung für Diagnosefindung, Therapieentscheidungen und das Schreiben von Arztbriefen sowie digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) könnten Prozesse vereinfachen und entlasten, nicht jedoch die strukturellen Probleme lösen. Zudem behinderten Datenschutzanforderungen und ungenügende Interoperabilität die Umsetzung digitaler Lösungen. Auch müssten digitale Medizinprodukte aufwendig, kostenträchtig und krankheitsspezifisch evaluiert werden.

Medizin ist teuer und wird noch teurer

Mit 13,1 % des Bruttoinlandsprodukts seien in Deutschland die Gesundheitsausgaben höher als in jedem europäischen Nachbarland. Weltweit hätten nur die USA mit 17,4 % noch höhere Ausgaben. ­Insgesamt 26 % der Mittel flössen in den stationären, 25 % in den ambulanten Bereich, 19 % in die ­Medikamentenkosten dort. Die Zahl der Krankenhausbetten pro 1 000 Einwohner sei weltweit die dritthöchste und 3- bzw. 2-mal höher als in den USA und der Schweiz – mit seiner Ausstattung an ärztlichem und Pflegepersonal steht Deutschland mit 8,4 bzw. 18,7 pro 1 000 stationären Fällen in Europa aber nur an Platz 15. Und der Trend zu höheren Arzneimittelkosten werde sich halten, so Goebelers Prognose: An der Würzburger Hautklinik seien die Kosten für (tages-)stationär und ambulant applizierte Medikamente von 2011 bis 2023 um 1 181 % gestiegen, die Ärztepersonalkosten um 84 %.

Glänzende Möglichkeiten, aber triste Bedingungen.

Angesichtes dieser Situation müsse die Wirtschaft ebenso stark wachsen, wie die Gesundheitskosten oder das Gesundheitssystem deutlich effizienter ­werden, und zwar durch:

  • sektorübergreifende Versorgung mit Ausbau der (altersgerechten) Ambulantisierung
  • Vermeidung von Fehl- und Doppelversorgung
  • verpflichtende Nutzung zertifizierter Zentren
  • effiziente Nutzung digitaler Technologien
  • verbesserte Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten
  • Entbürokratisierung

Die ärztliche Weiterbildung müsse stärker gesteuert, Fortbildungsformate industrieneutral ausgebaut werden. Das vertragsärztliche Versorgungspotenzial müsse v. a. in unterversorgten Regionen gestärkt und der Anteil an Vollzeitkräften erhöht werden. Es brauche mehr Anwerbung von Kräften aus dem Ausland – und deren Integration. Auf Patientenebene müssten gesundheitsbezogene Informationsvermittlung und Aufklärung sowie die Prävention gestärkt werden. Auch seien eine ideelle und ggf. finanzielle Eigenbeteiligung ­notwendig, ebenso ein stärkeres Kostenbewusstsein. Die medizinischen Möglichkeiten der Patientenversorgung seien „glänzend“, den „tristen“ Rahmenbedingungen müsse man aber gegensteuern.

Hautkrebs in Zahlen – Real-World-Data

Der Tenor in vielen ambulanten Praxen laute: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Hören wir auf mit dem Hautkrebsscreening“, berichtete der Vize­präsident des BVDD Dr. med. Thomas ­Stavermann (Berlin). Im vergangenen Jahr hätten deutsche ­Kliniken und Praxen 942 000 Fälle von Hauttumoren betreuen müssen. Dazu gehörten neben den ca. 300 000 Neuerkrankungen pro Jahr – das Hautkrebsscreening (HKS) habe mit 35 % eine gute Teilnehmerrate – auch jene Fälle, die leitliniengemäß wegen eines Melanoms oder weißen Hautkrebses im Nachsorgeprogramm seien. Auch steige die Zahl berufsbedingter Tumoren seit Jahren deutlich und auch hier gebe es besondere Versorgungsprogramme. Diese Patientenzahlen zu bewältigen, werde zunehmend schwer.

Mehr: Honorar, Risikostratifizierung, hausärztliche Unterstützung

Der GOÄ-Orientierungspunktwert sei um 3,85 % ­gestiegen, weniger als die Inflation. Gemäß neuem GOÄ-Entwurf müsse man „mehr gucken und reden“, denn für Technik und Operieren gebe es deutlich weniger Geld. Dies sei vielleicht diagnostisch vor­teilhaft, aber nicht für die Patientenversorgung. ­Solle diese besser werden, müssten – wie im Berufs­verband seit Jahren diskutiert – Risiken ­stratifiziert und Versorgungsbedarfe klarer herausgearbeitet werden. Außerdem enthielten die Leitlinien nicht mehr ­realisierbare Kontroll- und Nachsorgekonzepte für Hauttumoren, für die das Personal fehle. Dies mit Technik auszugleichen sei schwierig, sie stehe oft nicht zur Verfügung: ­Geschätzt verfügten nur 30 % der Praxen in Deutschland über eine Videodokumentation, der Rest müsse mit dem Auflichtmikroskop arbeiten. Die Versorgung onkologisch Erkrankter müsse sich wieder lohnen, damit nicht zum Auffüllen der ­Budgets über eine OP-Ziffer ­Nävuszellnävi aus­geschnitten würden, forderte ­Stavermann.

Bisher übernähmen Hausärztinnen und -ärzte nur 3–5 % des Hautkrebsscreenings. Sie müssten ­besser geschult und umfangreicher beteiligt werden, um eine Patientenselektion für die Überweisung in die Hautarztpraxis zu erreichen. Schließlich müsse die Weiterbildung attraktiver werden, damit mehr als nur 2,2 % der Medizinstudenten und -studentinnen die Dermatologie als interessantes Fach einschätzten.

Vorträge „Wie sieht die Versorgung der Hautkrebspatienten in Zukunft aus? Sicht der DDG und des BVDD“ anlässlich des 34. Deutschen Hautkrebskongresses, Würzburg 2024

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