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Dermatologie

Spezifische Immuntherapie

Update Hyposensibilisierung Teil 2

Prof. Dr. med. Ludger Klimek

Ein wesentliches Ziel der Allergiebehandlung liegt in der Verhinderung der Krankheitsprogression. Dieses Ziel kann derzeit einzig mit der spezifischen Immuntherapie (SIT) als krankheitsmodifizierende Behandlung erreicht werden.

Eine grundsätzliche Empfehlung zur Bevor­zugung von Allergenextrakten einzelner Hersteller kann nicht gegeben werden. Die Ergebnisse ­klinischer Studien mit unterschiedlichen Produkten sind nicht direkt miteinander vergleichbar. ­Es wird daher auch in der aktuellen Leitlinie empfohlen, die Wirksamkeit von Allergenpräparaten einzeln und unabhängig von der Art der Applikationsart (z. B. subkutan oder sublingual) zu beurteilen. Die Auswahl der relevanten Allergene soll laut Leitlinien grundsätzlich von einem Facharzt vorgenommen werden, der über die allergologische Weiterbildung in seinem Kerngebiet oder die Zusatzweiterbildung Allergologie verfügt. ­Gefordert wird die Verwendung von qualitativ hochwertigen Allergenextrakten mit ge­sichertem Wirksamkeitsnachweis.

Aufgrund der Studienlage besteht die höchste ­Evidenz für die Wirksamkeit der SIT derzeit für die subkutane und sublinguale Behandlung mit ver­schiedenen Gräserpollenextrakten. Auch sublingual zu verabreichende Gräserpollentabletten wurden aufgrund der Studienlage für Erwachsene und ­Kinder (ab 5 Jahren) offiziell zugelassen. ­Publiziert sind Langzeitergebnisse, die einen an­hal­tenden ­Effekt nach Ende der Behandlung mit einzelnen ­sublingualen Präparaten bei Erwachsenen dokumentieren.

Die sublinguale Therapie mit diesen Extrakten kann aktuell auch bei Kindern regulär durchgeführt ­werden. Die Zurückhaltung der pädiatrischen Fachgesellschaften wird dadurch begründet, dass es unter der spezifischen sublingualen Immuntherapie (SLIT), insbesondere zu Therapiebeginn, ausgesprochen häufig zu lokalen Nebenwirkungen kommt, die Zweifel an einer langfristigen Therapieadhärenz begründen. Nicht ausreichend geprüft sind bislang die Wirksamkeit der SLIT bei allergischem Asthma, der asthmapräventive Effekt und die präventive Wirkung bezüglich der Entwicklung von Neusensibilisierungen. Die Studienlage für die SLIT mit anderen Allergenen wird in Deutschland von den Fachgesellschaften überwiegend als nicht ausreichend angesehen. Zu beachten ist aber, dass dennoch einzelne Extrakte aus anderen Allergenquellen den Status eines Fertigarzneimittels erlangt haben. Der aktuelle Zulassungsstatus der einzelnen Allergenpräparate ist auf der Seite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) im Internet abrufbar.

Derzeit obliegt dem Arzt die Bewertung der Studien für unterschiedliche ­Präparate; zukünftig werden alle neu zugelassenen Allergenextrakte, die der Therapieallergene-Verordnung (TAV) unterliegen, in ausreichenden, vom PEI geprüften Studien ihre Wirksamkeit bewiesen haben. Während der Übergangsphase (bis 2017) sind jedoch auch weiterhin Allergenextrakte auf dem Markt, deren Wirksamkeit aufgrund fehlender Studien überhaupt nicht abgeschätzt werden kann.

Prinzipiell können für die spezifische subkutane Immuntherapie (SCIT) native Allergene oder Allergoide verwendet werden. Allergoide sind in ihrer dreidimensionalen Struktur modifizierte Moleküle bzw. Allergenmultimere. Ziel der Modifikation ist die Reduktion IgE-bindender Epitope (in der Regel Konformationsepi­tope) bei Erhalt der T-Zell-Epitope (in der Regel sequenzielle Epitope). Klinische Studien zur Wirksamkeit von Allergoiden liegen für Extrakte von Gräserpollen, Baumpollen und Milben vor.

Die gute Verträglichkeit von Allergoiden begründet die kurze Aufdosierungsphase; die Erhaltungsdosis kann bei manchen Präparaten bereits am ersten Tag der Therapie erreicht werden. Aufdosierungsschemata für native Allergene sind in der Regel deutlich länger und benötigen bei klassischer Therapie bis zu drei Monate.

Je nach Präparat können Therapien ganzjährig oder präsaisonal durchgeführt werden, einzelne Allergoide sind für beide Therapieschemata zugelassen. Ein verwertbarer Vergleich der Wirksamkeit zwischen den unterschiedlichen Therapieschemata ist nicht publiziert.

Die Nebenwirkungen der SCIT umfassen insbesondere allergische Reaktionen bis zur schwerwiegenden Anaphylaxie. Die Injektion muss prinzipiell durch den Arzt erfolgen, Erfahrungen in der Behandlung allergischer Allgemeinreaktionen sind Voraussetzung. Offizielle Statistiken über schwere Reaktionen sind nicht publiziert, es ist aber bekannt, dass auch in den vergangenen Jahren tödliche Anaphylaxien aufgetreten sind.

Die sublinguale Immuntherapie wird entweder ganzjährig oder prä/kosaisonal durchgeführt. Die erste Gabe erfolgt insbesondere bei Hochdosispräparaten ­unter ärztlicher Überwachung. Im Weiteren wird die Behandlung vom Patienten selbst durchgeführt. Bei dieser Therapieform ist darauf zu achten, dass die Mundschleimhaut intakt ist. Bei Vorliegen von Aphthen oder Verletzungen können Nebenwirkungen verstärkt auftreten. Nach Zahnextraktion oder Zahnfleischbehandlungen muss eine Therapiepause eingelegt werden. Die Therapie sollte nicht unmittelbar nach dem Zähneputzen erfolgen, im Anschluss kann der Mund- und Rachenraum gespült werden.

Zur Abschwächung lokaler Reaktionen, die gerade bei Verwendung von Hochdosispräparaten zu Beginn der Therapie häufig sind, ist in den ersten Wochen die Vorbehandlung mit oralen Antihistaminika hilfreich. Im Vergleich zur SCIT sind leichte Nebenwirkungen häufiger, schwerwiegende Nebenwirkungen aber seltener. Tödliche Nebenwirkungen sind nach unserem Kenntnisstand bei dieser Therapieform bislang nicht berichtet worden.

Unabhängig von der Art der Applikation sollte die SIT über einen Zeitraum von zumindest drei Jahren durchgeführt werden. Für die SCIT konnte gezeigt werden, dass eine wesentliche Verlängerung statistisch gesehen keinen Zusatznutzen zeigt. In einer retrospektiven Untersuchung hielt der Effekt nach einer vierjährigen SLIT mit Milbenallergenen länger an als nach dreijähriger Therapie. Ein fünftes Behandlungsjahr erbrachte keinen weiteren Benefit für die Patienten.

Adjuvantien

Der Zusatz von Adjuvantien zielt auf eine Verstärkung der immunologischen Wirkung, durch Modulation der allergenspezifischen T-Zell-Antwort in Richtung Toleranz ab. Unter dieser Prämisse ist auf dem deutschen Markt ein Präparat mit Monophosphoryl-Lipid A (MPL) als Adjuvans erhältlich. Die postulierte verstärkte immunologische Wirksamkeit durch das bakterielle Molekül ist wegen fehlender Wirksamkeitsstudien im Vergleich zu dem Allergenextrakt ohne das entsprechende Adjuvans aber nicht abzuschätzen. Die Verwendung anderer Moleküle als Adjuvantien befindet sich derzeit in der klinischen Prüfung.

Rekombinante Allergene

Die Majorallergene der wichtigsten inhalativen Allergenquellen sind bekannt und können heute rekombinant hergestellt werden. Für die SIT kann damit das Problem der Standardisierung elegant gelöst werden, da solche Proteine in großen Mengen und immer gleichbleibender Qualität produziert werden können. Die Dosis kann exakt in µg angegeben werden.

Erste klinische Studien, in denen rekombinante Gräserpollen-, Birkenpollen- und Katzenallergenproteine innerhalb der spezifischen Immuntherapie verabreicht wurden, sind publiziert. Die SIT mit einer Mischung aus fünf rekombinanten Gräserpollenproteinen (10 µg Phl p 1; 5 µg Phl p 2; 10 µg Phl p 5a; 10 µg Phl p 5b; 5 µg Phl p 6) führte im Vergleich zu Placebo zu einer Senkung des Symptom-Medikationsscores um 38,5 % und belegt als „Proof of concept“-Studie die prinzipielle Wirksamkeit dieses Proteinmixes.

Die Wirksamkeit der SIT mit rekombinantem und natürlichem Bet v 1 (je 15 µg) wurde im Vergleich zu einem nativen Birkenpollenextrakt, der ebenfalls 15 µg Bet v 1 enthielt, belegt. Signifikante Unterschiede in der Wirksamkeit der drei Präparate fanden sich nicht.

In Analogie zur Herstellung von Allergoiden kann auch die dreidimensionale Struktur rekombinanter Proteine verändert werden. Getestet wurde ein modifiziertes Bet-v-1-Molekül (Faltungsvariante) hinsichtlich klinischer Wirksamkeit und Verträglichkeit. Die extrem hohe Dosis von 80 µg dieses Proteins erwies sich als klinisch wirksam und gut verträglich.

Die Verwendung von Peptiden, die die notwendigen T-Zell-Epitope beinhalten, verspricht ebenfalls eine nebenwirkungsarme Therapie, wenn IgE-bindende Epitope, die für Nebenwirkungen verantwortlich sind, eliminiert werden. ­Dieser Ansatz hat zur Behandlung von Patienten mit Katzenallergie Anwendung gefunden.

Applikationswege

Sowohl subkutane wie auch sublinguale Applikation von Allergenextrakten ist etabliert. Schon lange existieren Studien über nasale Allergengabe, die jedoch wegen nicht unerheblicher nasaler Nebenwirkungen nicht empfohlen werden kann. Experimentelle Alternativen sind die in den vergangenen Jahren beschriebene intralymphatische und epikutane Allergenapplikation. Der intralymphatischen SIT liegt die Annahme zugrunde, dass injizierte Allergene von allergenpräsentierenden Zellen in Lymphknoten transportiert werden und dort mit dem Immunsystem interagieren. In einer Proof-of-concept-Studie war die dreimalige Gabe einer sehr geringen Allergenmenge in einen Leistenlymphknoten erfolgreich.

Von der gleichen Arbeitsgruppe wurde auch über die epikutane Applikation relativ hoher Allergenmengen berichtet, die ebenfalls eine immunologische Wirksamkeit aufwies. Ob Allergenpräparate zur intralymphatischen oder ­epikutanen Applikation zukünftig Marktreife erreichen werden, ist derzeit nicht abschätzbar.

FAZIT:

Bei der Auswahl von Allergenextrakten sollten Präparate bevorzugt werden, deren Wirksamkeit und Sicherheit in methodisch adäquaten klinischen Studien belegt worden ist. Die Therapie gemäß der Therapie­allergene-Verordnung wird die Auswahl geeigneter Präparate in Zukunft vereinfachen, da für neu zugelassene Präparate ein entsprechendes Studienprogramm Voraussetzung ist. Eine erfolgreiche Immuntherapie setzt eine ausreichend lange Behandlung (in der Regel über drei Jahre) voraus. Nach aktuellen Erhebungen erhalten aber weniger als 50 % der Patienten, die eine SIT beginnen, die Behandlung tatsächlich über einen Zeitraum von drei Jahren. Zukünftig müssen daher auch Maßnahmen entwickelt werden, die die Compliance bzw. die Adhärenz der Patienten an die SIT steigern. Recall-Systeme können in dieser Hinsicht neben der notwendigen intensiven Aufklärung der Patienten über Durchführung und Ziele dieser aufwendigen Therapie hilfreich sein.

Der Autor

Prof. Dr. med. Ludger Klimek
Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen
Zentrum für Rhinologie und Allergologie
65183 Wiesbaden

ludger.klimek@allergiezentrum.org

Literatur beim Autor

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