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Dermatologie

Ulcus cruris

Die medikamentöse Behandlung: Eine unterschätzte Therapiesäule?

Dr. med. Moritz Ronicke

23.2.2024

Kompressionstherapie und Interventionen beziehungsweise Operationen sind seit Langem Standard in der Therapie des Ulcus cruris venosum. Doch sind dies die einzigen Behandlungsoptionen? Auch zahlreiche pharmakologische Ansätze wurden bei dieser Erkrankung untersucht.

Das Ulcus cruris venosum ist, insbesondere bei Menschen über 65 Jahre, eine häufige Erkrankung, welche die Lebensqualität deutlich einschränkt [1,2]. Leider heilen nur etwa 60 % der Wunden innerhalb kürzerer Zeit (12 Wochen) ab und oft kommt es zu Rezidiven [3]. Als etablierte Therapiesäulen stehen die Kompression mit Kurzzugbinden oder Kompressionssystemen sowie interventionelle oder operative Maßnahmen im Vordergrund. Jedoch wurden immer wieder auch medikamentöse Therapien untersucht, welche die Blutgerinnung und/oder Entzündungsreaktionen günstig beeinflussen sollen. Bei allen hier besprochenen Medikamenten handelt es sich jedoch um Off-Label-Therapien.

Acetylsalicylsäure

Vielversprechend sah zunächst eine randomisierte, placebokontrollierte Studie aus Großbritannien mit 20 Patientinnen und Patienten aus, in der diese Acetylsalicylsäure (ASS) in einer Dosierung von 300 mg einmal täglich über 4 Monate einnahmen: 38 % der Personen der Interventionsgruppe zeigten eine komplette Abheilung der Wunden gegenüber 0 % in der Placebogruppe. Nachfolgende Studien mit bis zu 251 Teilnehmenden konnten den ersten Eindruck jedoch nicht bestätigen und zeigten eher eine schlechtere Abheilung unter der Einnahme von ASS [4-6].

Niedermolekulares Heparin

Aus der Gruppe der niedermolekularen Heparine ist Nadroparin die einzige Substanz, für die eine Untersuchung durchgeführt wurde. Eine randomisierte, placebokontrollierte Studie mit 284 Patientinnen und Patienten zeigte über 12 Monate eine höhere Abheilungsrate (83,8 % vs. 60,6 %; p < 0,001) und eine schnellere Reduktion der Wundfläche für niedrig dosiertes Nadroparin (2 850 IU s. c. einmal täglich). Therapieassoziierte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Im Nachbeobachtungszeitraum von 5 Jahren konnte eine deutlich niedrigere Rezidivrate festgestellt werden als bei Personen, die das Medikament nicht erhalten hatten. Interessant ist, dass ältere Personen stärker profitierten als jüngere [7]. Eine Bestätigung der Ergebnisse hat bisher leider nicht stattgefunden.

Pentoxifyllin

Das Rheologikum ist für die periphere arterielle ­Verschlusskrankheit Stadium II nach Fontaine zugelassen. Jedoch gab es auch für die Indikation Ulcus cruris venosum bereits 2012 eine große systematische Übersichtsarbeit. Es wurden 12 randomisiert kontrollierte Studien mit insgesamt 864 Patientinnen und Patienten identifiziert. Zusammenfassend zeigte sich eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Abheilung unter der Einnahme von Pentoxifyllin 400 mg p. o. dreimal täglich [8]. Erstaunlicherweise war dieser Effekt vergleichbar stark wie der, welcher in einer umfassenden Übersichtsarbeit für die ­Kompressionstherapie festgestellt wurde [9]. Insbesondere profitierten Personen, deren Wunde zuvor ­besonders schlecht heilte.

Die Autorinnen und Autoren stellten außerdem fest, dass Betroffene von einer Kombinationstherapie mit Kompression und Pentoxifyllin grundsätzlich stärker profitieren als von einer Einzeltherapie. Jedoch war eine Pentoxifyllin-Behandlung auch ohne Kompressionstherapie einer Placebobehandlung deutlich überlegen. Hierfür wurde eine „number needed to treat“ von nur 3–4 berechnet. Lediglich bei den Nebenwirkungen schnitt Pentoxifyllin schlechter ab als die Kompressionstherapie. Die häufigsten Nebenwirkungen von Pentoxifyllin waren gastrointestinale Beschwerden in 72 % der Fälle.

Statine

Eine monozentrische, placebokontrollierte Studie mit 66 Personen konnte für Simvastatin in einer ­Dosierung von 40 mg p. o. einmal täglich höhere ­Abheilungsraten, eine schnellere Abheilung sowie eine stärkere Reduktion der Wundfläche zeigen. Kombiniert wurde auch hier die Behandlung mit einer Kompressionstherapie. Nebenwirkungen wurden in der Studie nicht beobachtet [10]. Bestätigt wurden die positiven Effekte von Statinen in einer Auswertung von Jull et al., die Personen mit Ulcus cruris venosum aus 3 Studien bezüglich Statin-Einnahme untersuchten. Nach dem Herausrechnen von Störgrößen ergab sich eine signifikant bessere Abheilungsrate bei Personen, die Simvastatin oder Atorvastatin einnahmen [11].

Nahrungsergänzungsmittel

Zur Behandlung des Ulcus cruris venosum wurden insbesondere Flavonoide, noch genauer die mikroni­sierte Flavonoidfraktion und Hydroxyethylrutoside, untersucht. Beide Substanzen konnten in den insgesamt 9 Studien mit über 1 000 Teilnehmenden einen Benefit für die Wundheilung zeigen. Bemängelt wurden in der dazu angefertigten Metaanalyse die unzureichenden Angaben in den Studien, welche zu einem nicht abschätzbaren Risiko für Verzerrungen führten [12].

Alle besprochenen medikamentösen Therapieansätze sind nicht für das Ulcus cruris venosum zugelassen. Insbesondere für Pentoxifyllin zeigt sich jedoch eine erstaunlich gute Datenlage bei tolerablem Nebenwirkungsprofil. Auch für Nadroparin und Statine liegen erste vielversprechende Ergebnisse vor. Bei den Flavonoiden ­sollte beachtet werden, dass diese nicht ­den­selben strengen gesetzlichen Kontrollen wie Arzneimittel unterliegen und daher in ihrer ­Dosis schwanken können. In der amerikanischen Leitlinie wird die Erwägung einer adjuvanten (pharma­kologischen) Therapie bei ausbleibender Abheilung bereits nach 4–6 Wochen empfohlen und dafür Pentoxifyllin explizit genannt [13].

Der Autor

Dr. med. Moritz Ronicke
Hautklinik Uniklinik Erlangen
91054 Erlangen

moritz.ronicke@uk-erlangen.de

1 Gonzalez-Consuegra RV et al., J Adv Nurs 2011; 67: 926–44
2 Margolis DJ et al., J Am Acad Dermatol 2002; 46: 381–6
3 Abbade LP et al., Int J Dermatol 2005; 44: 449–56
4 Jull A et al., BMJ 2017; 359: j5157
5 Helen T et al., Trials 2019; 20: 459
6 Weller CD et al., J Tissue Viability 2021; 30: 509–16
7 Serra R et al., Int Wound J 2015; 12: 150–3
8 Jull AB et al., Cochrane Database Syst Rev 2012; 12: CD001733
9 Shi C et al., Cochrane Database of Systematic Reviews 2021; 1 (7)
10 Evangelista M et al., British Journal of Dermatology 2014; 170: 1151–7
11 Jull A et al., Wound Repair Regen 2022; 30: 186–9
12 Scallon C et al., Cochrane Database of Systematic Reviews 2013; 5
13 O’Donnell TJP et al., J Vasc Surg 2014; 60: 3S–59S

Bildnachweis: Uniklinikum Erlangen

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