Patienten mit reseziertem Ösophaguskarzinom nach Radiochemotherapie profitieren von einer adjuvanten Behandlung mit Nivolumab. Wie eine Phase-III-Studie zeigte, war das krankheitsfreie Überleben signifikant verlängert. Mitbeteiligt war Prof. Dr. med. Markus Möhler, Universitätsmedizin Mainz.
Beim Ösophaguskarzinom werden zwei verschiedene Gewebetypen unterschieden, das Plattenepithelkarzinom und das Adenokarzinom (> Onkologie). Letzteres steigt in den westlichen Ländern kontinuierlich an. Für Deutschland prognostizierte das Robert Koch-Institut im Jahr 2018, dass 5.700 Männer und 1.700 Frauen neu an Speiseröhrenkrebs erkranken. Dies entspricht einem Anteil an allen bösartigen Neubildungen von 3% bei Männern und 1% bei Frauen. Das Ösophaguskarzinom zählt zu den Tumorarten mit einer sehr schlechten Prognose, die relative 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei 16‒17% [1]. Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Karzinom des Ösophagus oder des gastroösophagealen Übergangs werden neoadjuvant mit Radiochemotherapie behandelt, danach erfolgt die Operation. Für Patienten mit einem hohen Rezidivrisiko gibt es bisher keine adjuvante Weiterbehandlung, sie werden beobachtet. Erstmals wurde nun in einer internationalen Phase-III-Studie eine adjuvante Immuntherapie eingesetzt [2]. Patienten, die nach der Therapie keine komplette Remission erreichten, erhielten postoperativ den Checkpoint-Inhibitor Nivolumab. Nivolumab ist ein humaner Immunglobulin-G4 monoklonaler Anti-PD-1-Antikörper. Dieser bindet an das Programmed Cell Death Protein-1 und blockiert die Wechselwirkung des Rezeptors mit den Liganden PD-L1 und PD-L2. Diese können von antigenpräsentierenden Zellen und auch von Tumorzellen exprimiert werden. Bindet der Rezeptor an die Liganden, wird die T-Zellproliferation und Zytokinausschüttung gehemmt und damit die Tumorabwehrreaktion potenziert.
Die CheckMate-577-Studie wurde randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert bei Erwachsenen mit reseziertem (R0) Ösophaguskarzinom oder Karzinom des gastroösophagealen Übergangs im Stadium II oder III durchgeführt. Nach der neoadjuvanten Radiochemotherapie hatten die Patienten bleibende pathologische Veränderungen zurückbehalten, und damit ein hohes Rezidivrisiko. Nach einer 2:1-Randomisierung erhielten sie entweder Nivolumab (240mg i.v. alle zwei Wochen über 16 Wochen, danach 480mg i.v. alle vier Wochen) oder Placebo für maximal ein Jahr. Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben. Von den 532 Patienten unter Nivolumab betrug das durchschnittliche krankheitsfreie Überleben 22,4 Monate (95%-Konfidenzintervall [KI] 16,6‒34,0), verglichen mit 11,0 Monaten bei den 262 Patienten mit Placebo (95%-KI 8,3‒14,3; Risikoquotient für Rezidiv oder Tod 0,69; 96,4%-KI 0,56‒0,86; p<0,001). Wie eine Post-hoc-Analyse zeigte, war das krankheitsfreie Überleben unabhängig von der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen. Die Post-hoc-Analyse zeigte auch, dass bei vorab festgelegten Subgruppen (Demografie, Krankheitscharakteristika, einschließlich PD-L1-Expression in Tumorzellen) Nivolumab favorisiert wurde. Unerwünschte Wirkungen (Grad 3 oder 4) traten unter Nivolumab bei 71 von 532 Patienten auf (13%), unter Placebo bei 15 von 260 Patienten (6%). In der Verum-Gruppe brachen 9% die Therapie ab, unter Placebo 3%. Damit stimmte das Sicherheitsprofil mit früheren Studien bei gastroösophagealen und anderen soliden Tumoren überein, so die Autoren. Eine klinisch bedeutsame Verbesserung mit Nivolumab und Placebo wurde zu einigen Zeitpunkten auf der visuellen Analogskala „Three level EuroQol five-dimensional questionnaire“ (EQ-5D-3L) beobachtet. Bei keiner Gruppe trat eine solche Verbesserung beim „Functional Assessemnt of Cancer Therapy“ (FACT-E) Gesamtscore oder beim EQ-5D-3L Utility Score auf.
Nivolumab war mit einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens assoziiert. Das Rezidivrisiko wurde um 31% reduziert, das mediane Überleben war in der Nivolumab-Gruppe doppelt so lange wie in der Placebo-Gruppe. Wie die anhaltende Teilung der Kaplan-Meier-Kurve zeigte, war der therapeutische Nutzen dauerhaft. Zusätzlich dazu war das Risiko für Fernmetastasen oder Tod um 26% niedriger. Das Überleben ohne Fernmetastasen war unter Nivolumab 10,7 Monate länger als unter Placebo. Mit diesen Daten wurde Nivolumab nach den USA nun auch in Deutschland und der EU für die adjuvante Behandlung beim Ösophaguskarzinom zugelassen.
Prof. Dr. med. Markus Möhler
Leiter der gastroenterologisch-onkologischen Ambulanz
I. Medizinische Klinik und Poliklinik Mainz
markus.moehler@unimedizin-mainz.de
3 Fragen, 3 Antworten:
In der CheckMate-577-Studie wurde besonders auf das Kriterium geachtet, dass nur Patienten ohne pathologische komplette Regression eingeschlossen wurden. Dies sind Patienten mit schlechterer Prognose. Hier wurde auch beobachtet, dass die gute Erholung nach der Operation wichtig für das Überleben der Patienten ist. Es schadet nicht, wenn Patienten auch erst zehn Wochen nach der Operation mit Nivolumab beginnen.
Eindeutig ja, denn eine vergleichbare Studie mit einem solch guten Ergebnis hatten wir bisher noch nie. Zusätzlich zeigen die Ergebnisse für Patienten mit sehr hohem Rezidivrisiko Nivolumab als einzige Therapieoption. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die erstaunlich hohe Anzahl von langfristigen Krebsüberlebern mit Nivolumab gegenüber zahlreichen Patienten der Placebo-Kontrollgruppe mit frühen Rezidiven/Metastasen und notwendiger, auch teurer Chemotherapie die Kosten rechtfertigen.
Gerade aufgrund der verbesserten metastasierungsfreien Zeit und verbesserten PFS2 (time to second objective disease progression) als Surrogat für das Gesamtüberleben erwarten wir eine erkennbare Verbesserung der Überlebensrate und damit eine bessere Krankheitsprognose.
1 S3-Leitlinie Ösophaguskarzinom 2018, S3-Leitlinie Ösophaguskarzinom (leitlinienprogramm-onkologie.de)
2 Kelly RJ et al., N Engl J Med April 1, 2021; 384: 1191‒1203; DOI 10.1056/NE