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Allgemeinmedizin

Niereninsuffizienz

Kardiovaskuläre Mortalität bei chronischer Azidose stark erhöht

Dr. med. Peter Stiefelhagen

29.7.2022

Eine metabolische Azidose begünstigt die Progression einer chronischen Niereninsuffizienz. Die Substitution mit Bicarbonat kann dies bremsen. Dies könnte auch relevant sein mit Blick auf eine Studie, die zeigte, dass niereninsuffiziente Patienten mit Azidose auch ein erhöhtes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis tragen.

Kardiovaskuläre Ereignisse sind weiterhin die führende Todesursache. Und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) haben ein stark erhöhtes Risiko für ein MACE-Ereignis, also Myokardinfarkt und Schlaganfall, wobei das Risiko mit dem Schweregrad der CKD korreliert. Nicht selten ist ein solches Ereignis bei diesen Patienten die eigentliche Todesursache. Zugleich ist die fortgeschrittene CKD oft mit einer metabolischen Azidose (MA) assoziiert. Dieser Teufelskreis aus Azidose und CKD erhöht die Mortalität. Bisher gab es aber keine Daten dafür, in wieweit das Vorliegen einer metabolischen Azidose das Gefäßrisiko zusätzlich erhöht.

Dieser Fragestellung wurde im Zuge einer großen amerikanischen Beobachtungsstudie nachgegangen, bei der die Daten von 51 558 Patienten mit einer CKD ohne Indikation für eine Dialyse ausgewertet wurden. Die Patienten wurden über zehn Jahre nachverfolgt. Dabei wurde über zwei Jahre regelmäßig der Bicarbonatspiegel und die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bestimmt. Der primäre kombinierte Endpunkt der Studie war ein MACE+-Ereignis (major adverse cardiovascular event) innerhalb von zwei Jahren: Herzinsuffizienz, Schlaganfall, kardiovaskuläres Ereignis oder Tod. Die konkrete Fragestellung lautete: Signalisiert eine metabolische Azidose ein von anderen Risikofaktoren unabhängiges erhöhtes Risiko für ein MACE+-Ereignis, sodass eine Bicarbonatsubsti­tution nicht nur aus renaler, sondern auch aus kardio- und zerebrovaskulärer Sicht sinnvoll sein dürfte?

Weniger Ereignisse bei normalem Bicarbonatspiegel

Die Auswertung der Studie erfolgte nach entsprechender Adjustierung. Innerhalb von zwei Jahren wurden insgesamt 24 873 (48 %) MACE+-Ereignisse dokumentiert. Patienten mit Azidose zu Beginn der Studie (34 %) waren häufiger betroffen als solche ohne Azidose (58 % vs. 44 %). Eine Abnahme des Serum-Bicarbonatspiegels um 1 mEq/l erhöhte das MACE+-Risiko um 4 %. Über zehn Jahre erlitten insgesamt 32 526 Patienten ein MACE+-Ereignis, das entspricht 161 Ereignissen pro 1 000 Patientenjahre.

Die isolierte Betrachtung der einzelnen Endpunkte ergab ein ähnliches Bild. Bei der Herzinsuffizienz standen 30 % Ereignisse bei Azidose 23 % ohne Azidose gegenüber. Beim Schlaganfall waren die Vergleichszahlen 20 % vs. 17 %, beim Myokardinfarkt 17 % vs. 12 % und beim kardiovaskulären Tod waren es 13 % vs. 5 %. Entsprechend betrug die Hazard Ratio (HR) 0,98 bzw. 0,98 bzw. 0,96 und 0,94. Bei allen Endpunkten war der Unterschied statistisch signifikant (p < 0,001) und es fand sich bei allen Endpunkten eine Korrelation zwischen dem Bicarbonatspiegel und der Häufigkeit eines Ereignisses mit Ausnahme der Herzinsuffizienz, wo ein solch strenger Zusammenhang nicht mit statistischer Signifikanz dokumentiert werden konnte.

Potenzial für Reduzierung kardiovaskulärer Ereignisse

Nach Meinung der Autoren zeigen diese Daten in überzeugender Weise, dass bei der Prävention kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse noch Luft nach oben ist, und zwar durch eine Korrektur der Azidose mittels oraler Bicarbonatsubstitution. Die Daten stehen in einer Reihe mit anderen Studien, die alle belegen, dass eine metabolische Azidose das Risiko für ein tödliches und nicht tödliches Gefäßereignis erhöht. Bicarbonat besitzt diesen Studien zufolge nicht nur das Potenzial für eine renale Prävention, sondern auch für eine kardio- und zerebrovaskuläre Prävention. Gleiches gilt für die Prävention der Herzinsuffizienz. Dieses Potenzial sollte genutzt werden.

Die vorliegende Studie konnte erstmals zeigen, dass bei Patienten mit einer chronischen Nieren­insuffizienz das Vorliegen einer metabolischen Azidose das Risiko für ein MACE+-Ereignis zusätzlich erhöht. Dies gilt sowohl für den kombinierten Endpunkt als auch für jedes einzelne Ereignis. Die Ergebnisse stellen die Rationale für eine Interventionsstudie dar, die beweisen sollte, dass mit einer Bicarbonatsubstitution das kardio- und zerebrovaskuläre Risiko und auch die Manifestation einer Herzinsuffizienz verringert bzw. verhindert werden kann.

Die vorliegende Studie konnte erstmals zeigen, dass bei Patienten mit einer chronischen Nieren­insuffizienz das Vorliegen einer metabolischen Azidose das Risiko für ein MACE+-Ereignis zusätzlich erhöht. Dies gilt sowohl für den kombinierten Endpunkt als auch für jedes einzelne Ereignis. Die Ergebnisse stellen die Rationale für eine Interventionsstudie dar, die beweisen sollte, dass mit einer Bicarbonatsubstitution das kardio- und zerebrovaskuläre Risiko und auch die Manifestation einer Herzinsuffizienz verringert bzw. verhindert werden kann.

Collister D et al., Kidney Med 2021; 3: 753–761

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