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Suchtforschung

Online-Sucht: Ist verminderte Selbstkontrolle Folge oder Ursache?

23.5.2022

Vergnügen und Sucht stehen in einem engen Zusammenhang miteinander. Mit der Frage, wo genau der Übergang zwischen einer nützlichen Verwendung und einer suchtartigen Verwendung ist, hat sich ein Kognitionspsychologe aus Duisburg auseinandergesetzt.

Weltweit leiden bis zu 3% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter Computerspielsucht, rund 7% der Allgemeinbevölkerung wendet sich immer wieder suchtartig verschiedenen Internetanwendungen zu. „Weil wir Menschen insgesamt immer häufiger online sind, ist es wichtig, nachzuvollziehen, wann eine bereichernde Nutzung zu einer problematischen wird“, stellt der Kognitionspsychologe Prof. Dr. Matthias Brand von der Universität Duisburg-Essen (UDE) in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe von „Science“ fest, bei dem er die Ähnlichkeit zwischen problematischem Internetgebrauch und anderen Süchten vergleicht.

Beim tage- und nächtelangen Gaming vergessen viele sogar das Essen und Trinken und nehmen kaum noch Kontakt zu ihrer Außenwelt auf. „Die problematische Nutzung des Internets bietet Vergnügen und hilft dabei, Stress und negative Stimmungen abzubauen. Hier lassen sich Parallelen zu anderen Suchtmitteln ziehen: Auch sie wirken sich auf das Belohnungssystem des Gehirns aus“, so Brand.

Noch viel zu verstehen

Was sind aber die Resilienz- und die Risikofaktoren bzw. warum werden manche süchtig, während es anderen gelingt, ihre Internetnutzung gut zu kontrollieren, sodass sie funktional in den Alltag integriert ist und nicht zu negativen Konsequenzen führt? Brand beschreibt zwei Antriebswege zu süchtigem Online-Verhalten: „Der Wohlfühl-Pfad“ umfasst sowohl positive Verstärkungserfahrungen (Vergnügen, Belohnung) als auch negative (Abbau von Stress und negativer Stimmung). Der „Muss-Pfad“ umfasst Gewohnheiten, also z.B. automatische Reaktionen auf Reize, und insbesondere zwanghaftes Verhalten, obwohl man sich der negativen Konsequenzen bewusst ist.

Die Selbstkontrolle sei der wichtige Gegenpart zu den zwei Antriebswegen, so Brand, der argumentiert, dass es vermutlich ein Ungleichgewicht dieser Hirnsysteme bei Online-Süchtigen gibt. Was genau ein solches Ungleichgewicht verursacht, sei noch nicht klar. Genetische Faktoren könnten ebenso eine Rolle spielen wie familiäre. Auch wenn bereits viel in der Forschung zu Online-Süchten erreicht wurde, sind noch viele Fragen offen. So sei noch nicht geklärt, ob eine verminderte Selbstkontrolle Ursache oder Folge des süchtigen Verhaltens sei, oder beides. „Die Mechanismen hinter Online-Süchten und welche Rolle spezifische Features von Internetapplikationen spielen, müssen wir besser verstehen, um Prävention und Therapie weiterzuentwickeln“, so Brand.

Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen, Mai 2022
Brand M, Science 2022 May 20; 376: 798‒799, DOI 10.1126/science.abn4189, PMID 35587961

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