Eine diagnostisch unberücksichtigte eingeschränkte Sehfähigkeit kann zu Fehldiagnosen hinsichtlich kognitiver Einschränkungen inkl. demenzieller Syndrome führen, wie jetzt eine australische Studie gezeigt hat. Dies gilt besonders dann, wenn alterungssynchrone Veränderungen, einschließlich Visuseinschränkungen, bei der Interpretation kognitiver Testergebnisse übersehen werden.
Die australische Studie sollte negative Auswirkungen einer eingeschränkten Sehfähigkeit auf die Leistung bei kognitiven Tests aufzeigen. Dazu wurden Zustände mittelschwerer bis schwerer altersbedingter Makuladegeneration (AMD) mit einer Spezialbrille bei einer Stichprobe von 24 normalsichtigen Probanden simuliert, während sie zwei kognitive Aufgaben absolvierten: eine sehfähigkeitsabhängige Reaktionszeitaufgabe und ein vom Visus unabhängiger Sprachflüssigkeitstest. Bei Verwendung der AMD-Simulationsbrille verringerte sich die Leistung bei der Reaktionszeitaufgabe signifikant (p<0,001) um bis zu 25 Prozentränge. Im Gegensatz dazu unterschied sich die Leistung beim Sprachflüssigkeitstest statistisch nicht zwischen der AMD-Simulation und normalem Visus (p=0,78). Aus Sicht der Autoren zeigen diese Ergebnisse, wie wichtig es ist, die Sehfähigkeit bei der Beurteilung kognitiver Funktionen zu berücksichtigen. Passiert das nicht, können erniedrigte Testergebnisse fälschlicherweise auf eingeschränkte kognitive Fähigkeiten hindeuten und zu falschen Diagnosen führen. Eine Visusdiagnostik, nicht zuletzt angesichts der weltweit zunehmenden Zahl von Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit, oft bedingt durch AMD, sollte bei allen kognitiven Problemen ‒ auch schon bei leichten kognitiven Beeinträchtigungen (LKB) ‒ in Betracht gezogen werden.
Macnamara A et al., Sci Rep 2022 Mar 8; 12: 4033, DOI 10.1038/s41598-022-07924-8, PMID 35260721