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Umwelttoxin TCE

Eine mögliche Ursache von M. Parkinson

1.6.2023

Der Anstieg neurodegenerativer Alterserkrankungen wie M. Alzheimer und M. Parkinson ist höher als erwartet. Die Prävalenz nimmt insbesondere bei Parkinson überproportional zu – also deutlich mehr, als allein durch die Überalterung der Gesellschaft erklärt werden kann. Offensichtlich spielen Lifestyle – und auch Umweltfaktoren eine Rolle. Eine aktuelle Kohortenstudie zeigt beispielsweise, dass Jahrzehnte nach Exposition mit dem Lösungsmittel TCE das Parkinson-Risiko bei US-Veteranen um 70 % höher war als bei jenen, die dieser Substanz nicht ausgesetzt waren.

Neben dem demographischen Wandel spielen bei der Entstehung chronischer neurodegenerativer Erkrankungen auch lebensstilbedingte oder Umwelt-Faktoren eine Rolle. Hierzu gehören neben niedrigem Bildungsstand, Schwerhörigkeit, Depression, Bluthochdruck, Rauchen, Übergewicht, körperliche Inaktivität, Diabetes mellitus, Mangel an sozialen Kontakten, Schädel-Hirn-Traumen, exzessivem Alkoholkonsum auch Umwelttoxine. Die Liste möglicher Kandidaten ist lang (Pflanzenschutzmittel/Pestizide, Lösemittel wie Toluol, Mineralöle, chemische Weichmacher, Bisphenol A, Mikroplastik, Nanopartikel oder neurotoxische Metalle). Seit längerer Zeit wird auch die mögliche Rolle des industriellen Lösungsmittels Trichlorethylen (TCE) bei der Entstehung von M. Parkinson diskutiert (> Neurologie). Eine jetzt publizierte Studie erhärtet den Verdacht auf toxische Effekte von TCE deutlich.

Auch das Risiko von Parkinsonprodromalphasen ist erhöht

Die US-amerikanische bevölkerungsbasierte Kohortenstudie untersuchte das Parkinson-Risiko bei Marineangehörigen (n=172.128), die zwischen 1975 und 1985 für mindestens drei Monate in Camp Lejeune, North Carolina, stationiert waren. Dort war es in dieser Zeit zu einer Verunreinigung des Trinkwassers mit verschiedenen volatilen organischen Lösungsmitteln gekommen. Die höchsten Konzentrationen betrafen TCE: Die Werte überstiegen das bis zur 70-fache der zulässigen Menge. Die heutigen Veteranen waren bei ihrer Ankunft im Camp ungefähr 20 Jahre alt und haben durchschnittlich zwei Jahre dort gelebt. Verglichen wurde diese Kohorte mit einer zweiten (n=168.361), die in Camp Pendleton, Kalifornien, stationiert war (ohne Trinkwasserkontamination). Die demografischen Merkmale der beiden Kohorten waren vergleichbar (z. B. ca. 95-96% Männer). Die Nachuntersuchungen stammen aus den Jahren 1997 bis 2021, das mittlere Alter der Nachuntersuchten betrug knapp 60 Jahre.

Insgesamt hatten 430 Veteranen eine Parkinson-Erkrankung entwickelt, 279 aus Camp Lejeune (Prävalenz 0,33%) und 151 aus Camp Pendleton (Prävalenz 0,21%). Somit war das Parkinson-Risiko in multivariablen Rechenmodellen statistisch für Veteranen aus Camp Lejeune um 70% höher (OR 1,70; p<0,001) und sie hatten auch ein um 15% erhöhtes kumulatives Risiko für prodromale Parkinson-Diagnosen, d. h. Symptome, die Jahrzehnte vor einer Parkinsonerkrankung gehäuft auftreten wie Tremor, Angsterkrankungen und erektile Dysfunktion. Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass gerade bei den potentiell prodromal Erkrankten in der noch relativ jungen Population vermutlich in den nächsten Jahrzehnten viele weitere Parkinson-Fälle diagnostiziert werden könnten.

Giftmüllexporte: Eine mögliche Ursache erhöhter Parkinsonprävalenz in den Importländern

„Die Auswirkung von Umwelttoxinen wie TCE auf das Parkinson-Risiko zu erforschen, ist ausgesprochen wichtig“, erklärt Prof. Dr. med. Daniela Berg, Kiel, stellvertretende Präsidentin der DGN. „Noch lässt sich eine Kausalkette zwischen Exposition und einer späteren Parkinson-Erkrankung nicht nachweisen. An dieser Fragestellung und der Quantifizierung des Risikos arbeiten derzeit mehrere internationale Forschergruppen.“

Dennoch sieht die Expertin auch jenseits des aktuellen Studienergebnisses viele Indizien für den Zusammenhang zwischen Umweltgiften und den Anstieg neurodegenerativer Erkrankungen. So ist beispielsweise die altersstandardisierte Punktprävalenz von Parkinson in den Ländern Nordafrikas und des Mittleren Ostens in den letzten 30 Jahren um über 15% gestiegen (DOI10.1186/s12889-023-15018-x). „Hier spielen auch Lebensstilfaktoren eine Rolle, wie Ernährung – einerseits Mangelernährung, andererseits Übernahme von Ernährungsgewohnheiten der Industrienationen mit hochprozessierten, zuckerreichen Fastfood-Nahrungsmitteln –, weniger Bewegung und Exposition gegenüber Schadstoffen aus zunehmender Industrialisierung. Auch ist bekannt, dass die EU seit den 80er Jahren ihren giftigen Müll in viele dieser Länder exportiert, wo Menschen, z. T. sogar Kinder, ihn auf den Halden ungeschützt sortieren.“

Pressemitteilung „Welchen Anteil haben Umweltschadstoffe am Anstieg von Parkinson und Alzheimer?“ Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN), Berlin, 24.5.2023 (https://dgn.org/artikel/welchen-anteil-haben-umweltschadstoffe-am-anstieg-von-parkinson-und-alzheimer).

Goldman SM et al.: Risk of Parkinson Disease Among Service Members at Marine Corps Base Camp Lejeune. JAMA Neurol 2023 May 15; e231168 (DOI 10.1001/jamaneurol.2023.1168).

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