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Adipositas

Schwierigkeiten in der Kommunikation?

14.7.2025

Trotz wachsender Evidenz zur chronischen und multifaktoriellen Natur von Adipositas klaffen die Vorstellungen von Patienten und Patientinnen und Ärzten bzw. Ärztinnen über Ursachen und Therapieziele weit auseinander. Diese Diskrepanz, so die Ergebnisse einer aktuellen internationalen Real-World-Studie, gefährde eine effektive, personalisierte Versorgung.

Die Studie analysierte Daten von 1 379 Erwachsenen mit Adipositas aus sieben westlichen Ländern (u. a. Deutschland, USA, Australien). Befragt wurden sowohl die Behandelnden als auch die Adipositas-Betroffenen selbst – getrennt voneinander zu Ursachen und Zielen der Fettleibigkeitstherapie.

Die Mehrheit der befragten Ärztinnen und Ärzte (69 %) führte Überessen und (61 %) Bewegungsmangel als Hauptursachen für die Adipositas ihrer Patientinnen und Patienten an. Diese Zuschreibungen nahmen mit dem Schweregrad der Adipositas –  gemessen per BMI und Edmonton Obesity Staging System (EOSS) –  zu. Auch sozioökonomische Faktoren wie ungesunde Ernährung oder mangelnde Gesundheitsbildung wurden häufig genannt. Biologische Faktoren wie genetische Prädisposition landeten in der Wahrnehmung der Ärztinnen und Ärzte hingegen erst auf Platz sieben.

Auch die Betroffenen selbst sahen überwiegend Verhaltens- und Umweltfaktoren als mitverantwortlich (87 %). Doch im Unterschied zu den Ärztinnen und Ärzten stuften 81 % biologische Ursachen –  allen voran genetische –  als entscheidend ein. Die Differenz in der Bewertung biologischer Einflussfaktoren (Ärzteschaft: 61 %) legt einen fundamentalen Perspektivunterschied offen.

Noch deutlicher wird der „Disconnect“ bei den Therapiezielen: Während Ärztinnen und Ärzte auf medizinische Verbesserungen wie Blutdrucksenkung, Mobilitätssteigerung und Lebensqualitätsgewinn fokussieren, artikulieren Patientinnen und Patienten vorrangig emotionale und soziale Wünsche – etwa sich wohler zu fühlen, besser auszusehen oder Kleidung in handelsüblichen Größen zu finden.

Stigmatisierung durch (falsche) Ursachenzuschreibung und Schuldzuweisung

Die Leiterin der Studie Dr. Ximena Ramos Salas (Kristianstad, Schweden) verweist auf ein zentrales Problem: Die Attribution von Adipositas auf Verhalten korreliert in Studien mit höherem Gewichtsstigma. Ärztinnen und Ärzte, die primär verhaltensbedingte Ursachen annehmen, neigen unbewusst zu Schuldzuweisungen  was die therapeutische Beziehung belasten kann. Umgekehrt wird die Rolle biologischer Faktoren oft unterschätzt, obwohl sie – ebenso wie psychische oder soziale Komponenten - entscheidend für eine erfolgreiche, personalisierte Therapie sind.

Die Studie belegt eindrücklich, dass eine rein medizinisch-biometrische Zieldefinition am Bedürfnisprofil vieler Betroffener vorbeigeht. Die praktische Konsequenz: Ärztinnen und Ärzte sollten in der Adipositasberatung bewusster die individuelle Sichtweise ihrer Patientinnen und Patienten erfragen – und auch subjektiv wichtige Therapieziele ernst nehmen. Nur so kann eine gemeinsame Zieldefinition gelingen – als Grundvoraussetzung für Therapieadhärenz und langfristigen Erfolg. Gleichzeitig ist eine kritisch-reflektierende Auseinandersetzung mit eigenen Ursachenzuschreibungen und potenziellen Vorurteilen im ärztlichen Selbstverständnis unerlässlich.

Salas XR et al.: Disconnect between the perceptions of people with obesity and their physicians in real-world settings in Europe, the United States, and Australia. Posterpräsentation (PO4.237) sowie Referat von Salas bei einer Kongress-Pressekonferenz (13.5.2025) beim „32nd European Congress on Obesity“ (ECO 2025), Malaga (ES), 11.-14.5.2025. Veranstalter „European Association for the Study of Obesity (EASO)“, London.

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