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Kongress-Ticker

Gesundheitsminister Karl Lauterbach

Eine politische Vision für die Zukunft der Onkologie

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

28.11.2022

Zur Eröffnung des 35. Deutschen Krebskongresses stand auch Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach auf der Rednerliste. Und er hielt sich nicht lange an den üblichen Grußworten fest, sondern gab in einer mehr als 40-minütigen Rede seinen Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen.

Wissenstransfer darf nicht nur von der Grundlagenforschung in die Versorgungspraxis laufen, sondern muss auch umgekehrt funktionieren. Denn in klinischen Studien sind Patienten und Patientinnen mit relevanten Komorbiditäten oft ausgeschlossen, im Versorgungsalltag sind sie aber die Regel. „Deswegen tragen alle in Forschung und Klinik oder Praxis tätigen Mitarbeiter zur Generierung onkologischen Wissens gleichermaßen bei“, so Lauterbach wörtlich.


Nationaler Krebsplan 2.0

Der Nationale Krebsplan definiert den Rahmen der onkologischen Behandlung, aber jetzt nach 15 Jahren ist eine Neuausrichtung erforderlich. Zu den Plänen für die Zukunft gehört ein flächendeckendes klinisches Krebsregister, in dem die Daten der epidemiologischen Krebsregister mit den Abrechnungsdaten der Kassen zusammengeführt werden (> Abrechnung).

Im Innovationsfond-Projekt „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen) wurde die Wirksamkeit der Gesundheitsversorgung bei den häufigsten Krebserkrankungen in den Jahren 2009 bis 2017 untersucht. Analysiert wurde insbesondere das Überleben der an Krebs Erkrankten nach Behandlungen in Krankenhäusern mit und ohne Zertifizierung als onkologisches Zentrum. Bei allen betrachteten Krebsarten, darunter auch die gynäkologischen Entitäten Mamma-, Zervix-, Endometrium- und Ovarialkarzinom, wiesen die risikoadjustierten Modellierungen auf Überlebensvorteile bei Behandlungen in DKG-zertifizierten Zentren hin.


Prävention als Schlüssel

Präventionsmedizin ist angesichts der demografischen Entwicklung unumgänglich. 40 % der Krebserkrankungen wären durch präventive Maßnahmen erreichbar – doch die Realität sieht anders aus. „Wir müssen unser Augenmerk auf die Überschneidung von Risikofaktoren werfen“, fordert der Minister. „Ob bei der Krebserkrankung, bei Diabetes, bei kardiovaskulären oder neurodegenerativen Erkrankungen. Die Risikofaktoren sind immer die gleichen: Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel, falsche Ernährung und Übergewicht“. Ein neu zu gründendes Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit soll hier für mehr Tempo sorgen (> Gesundheitssystem).


Digitalisierung als unbedingte Voraussetzung

Beim Thema der digitalen Medizin wurde der Minister persönlich. „Vor 20 Jahren habe ich in der Vorbereitung eines Wahlprogramms für den damaligen Kanzler Gerhard Schröder mit am Konzept für die elektronische Patientenkarte gearbeitet, die dann später zur elektronischen Patientenakte wurde. Das war der Startschuss für die Digitalisierung. Wir sind jetzt zweistellige Milliardenbeträge weiter und ich hätte mir vor 20 Jahren niemals vorstellen können, dass wir heute noch nicht über dieses Instrument verfügen. Und deshalb brauchen wir Veränderungen.“ Seine Forderungen sind klar. Wenn die Politik will, dass etwas schnell kommt, muss die Politik auch die volle Verantwortung übernehmen. Die gematik soll deshalb zum Bundesinstitut werden. Als nächstes soll es eine Opt-out-Regelung statt der bisherigen Opt-in-Regelung geben. „Mit Opt-in bekommen wir niemals die Abdeckung, die wir benötigen“, ist sich der Minister sicher. Der Datenschutz dabei soll seiner Meinung nach angemessen sein, „aber die Latte darf nicht so hoch liegen, dass es nicht mehr funktionieren kann. Wenn ich Patientenschutz will, muss ich beim Datenschutz auch Kompromisse eingehen.“


Der Datenflut Herr werden

Wir brauchen vernünftige Konzepte für die Einbindung von künstlicher Intelligenz (KI) in die onkologische Versorgung. Während wir heute das Problem haben, dass wir zu wenige Daten generieren, wird schon bald ein neues Problem auftreten: zu viele Daten. Die Daten von Genom- und Expressionsanalysen auf Patientenebene sind so umfangreich, dass sie mit normalen statistischen Auswertungswerkzeugen nicht mehr zu bearbeiten sind – sondern nur noch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Er stellte dazu das in Israel entwickelte Modell der „Digital Twins“ als Zukunftsvision auch für die Versorgung in Deutschland vor. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Zahl der Krebspatienten bis 2035 nochmals um ca. 25 % ansteigen. Zum Schluss seiner Rede forderte Lauterbach eindringlich: „Wir müssen die Versorgung weiter verbessern!“

Eröffnungs-Vortrag des Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach

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