Viele Krebstherapeutika können auch noch Jahre später das Herz schädigen und sogar die Todesursache sein. Wie groß das kardiovaskuläre Risiko vor, während und nach einer Krebsbehandlung ist und was getan werden sollte, lässt sich den neuen ESC-Leitlinien entnehmen.
Krebs überstanden – alles gut? Weit gefehlt, denn alle Krebstherapeutika (> Onkologie) können negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben. Und die Zahl der Betroffenen steigt, weil durch die verbesserte Therapie immer mehr Tumorpatienten ihre Erkrankung überleben. Wie Prof. Dr. med. Tienush Rassaf (Essen) berichtete, stirbt ein Drittel dieser Survivors im Langzeitverlauf an einer kardiovaskulären (CV) Erkrankung. Dabei ist das Spektrum der kardiotoxischen Erkrankungen breit: z. B. Bluthochdruck, Thromboembolien, Herzklappenerkrankungen, Rhythmusstörungen, Myokarditis, Herzinsuffizienz sowie koronare Herzkrankheit (KHK). Die vor Kurzem veröffentlichte europäische Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und den onkologischen Fachgesellschaften hat hierzu den Begriff der Cancer Therapy-related cardiovascular toxcicity (CRT-CVT) geprägt [1].
Das CRT-CVT-Risiko setzt sich aus drei Teilbereichen zusammen: • den Risikofaktoren und Vorerkrankungen, die Patienten mitbringen, • dem Krebs selbst (plus vorangegangene Krebserkrankungen, vor allem im Kindesalter; erhöhen das CV-Risiko) und • dem Risiko durch die Behandlung.
Wie hoch ist das Risiko?
Die Risikostratifizierung erfolgt für jede einzelne Substanzgruppe (z. B. Antrazykline oder VEGF-Hemmer). In die jeweilige Analyse fließen die Patientenparameter wie Lebensstil, CV-Vorerkrankungen, Untersuchungsergebnisse von Herzecho oder Laboruntersuchungen usw. ein. Danach werden die Risikogruppen eingeteilt (gering, mittel, schwer/sehr schwer) und dann im Team mit Onkologen, Kardiologen und Patienten entschieden, ob eine bestimmte Krebstherapie begonnen werden soll.
Während der Tumortherapie wird je nach kardialer Erkrankung und CRT-CVT-Risiko beurteilt, wie häufig kontrolliert werden sollte. In den Tabellen der Leitlinie lässt sich dann ablesen, bei welcher Krebstherapie und welcher CV-Erkrankung welche Untersuchungen in welchen Abständen erfolgen sollten, um möglichst frühzeitig der Kardiotoxizität auf die Spur zu kommen und gegensteuern zu können.
Jahrelanges Risiko
Das gilt auch für die Zeit nach der Krebstherapie (> Onkologie). Auch wenn keine onkologischen Interventionen mehr erfolgen, können Patienten noch Jahre nach der Chemotherapie CV-Ereignisse erleiden. Je nach Risikostratefizierung sollten die Patienten regelmäßig einem Kardiologen vorgestellt werden, spätestens jedoch nach einem Jahr. Auch hier gilt es, möglichst früh eine sich anbahnende Kardiotoxizität zu entdecken. Werde dieser Zeitpunkt verpasst, könnten auch viele Maßnahmen nicht mehr wirken, so Rassaf.
1 Lyon AR et al., 2022 ESC Guidelines on cardio-oncology, Eur Heart J 2022; DOI 10.1093/eurheartj/ehac244
Session „Kardiologie überschreitet Grenzen“, Vortrag Prof. Dr. med. Tienush Rassaf (Essen) „Kardiotoxizität von Chemotherapeutika – vorhersagbares Risiko?“