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Kongress-Ticker

VIRTUELL – MÄRZ 2021

Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.

Angelika Ramm-Fischer

27.7.2021

Endorphine – mehr als körpereigenes Analgetikum

Endorphine sind als körpereigenes Schmerzmittel bekannt. Sie sind allerdings auch ein Hauptbotenstoff für das Belohnungszentrum im Gehirn und daher eng mit Suchtverhalten verquickt, erläuterte Prof. Dr. med. Borwin Bandelow (Göttingen). Werden die Endorphinrezeptoren besetzt, so werden Wohlgefühle ausgelöst, z. B. beim Essen, Trinken und Sex. Auch bei anderen Gelegenheiten werden Endorphine ausgeschüttet − dann, wenn der Körper in den Survival-Modus schaltet, also eine lebensgefährliche Situation besteht. Hier sollte man entweder gut davonrennen oder gut kämpfen können. Dieser Modus kann auch künstlich herbeigeführt werden, beispielsweise bei gefährlichen Sportarten wie Bungee-Jumping. Wer süchtig nach diesem Hochgefühl ist, wird als Adrenalin-Junkie bezeichnet – richtiger wäre eigentlich Endorphin-Junkie. Auch Hungern lässt den Körper in den Überlebensmodus schalten. Das erklärt, warum bei Anorexia nervosa sich die Kranken im Hungerzustand wohler fühlen als satt.

Exzellenz-Vortrag Prof. Dr. med. Borwin Bandelow (Göttingen)

Pandemie und Schmerzen

„Besonders chronischen Schmerzpatienten geht es derzeit schlechter und der Therapiebedarf erhöht sich“, beklagte Dr. med. Thomas Cegla (Wuppertal). Immerhin sind rund 17 % der Bevölkerung von chronischen Schmerzen betroffen. Unter den Älteren, die während der Pandemie besonderen Einschränkungen unterliegen, sind es sogar 28 %. In einer Befragung in der Schmerzklinik Wuppertal sagten 44 % der Patienten, dass ihre Schmerzen in der Pandemie zugenommen haben, 70 % gaben eine Stimmungsverschlechterung an. Gleichzeitig stehen viele Therapieangebote, z. B. die Physiotherapie, nur eingeschränkt zur Verfügung oder Patienten nehmen sie aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nicht wahr. Auch Treffen von Selbsthilfegruppen waren oder sind im Lockdown nicht möglich. Als Lösungsansätze sowohl für die Behandlung psychischer Symptome als auch im Umgang mit Schmerzen empfehlen Experten die Nutzung digitaler Angebote. So sind bereits verschiedene digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zur Therapie depressiver Symptome zugelassen. Auch Telefon- oder Videosprechstunden können helfen.

Pressemitteilung der DGS

Neues Modul „Kopfschmerz“ im Praxisregister Schmerz

Um sowohl Ärzten die Versorgung im Praxisalltag zu erleichtern als auch die Versorgungsforschung voranzubringen, wird nun das Modul „Kopfschmerz“ in das PraxisRegister Schmerz implementiert. Das neue Modul ist validiert, patientenzentriert sowie Smartphone-tauglich, um die Handhabung im Alltag zu vereinfachen, berichtete PD Dr. med. Michael A. Überall (Nürnberg). Das Modul „Kopfschmerz“ enthält z. B. den MIDAS (Migraine Disability Assessment)-Fragebogen sowie den HIT-6 (Headache Impact Test-6). Dieser berücksichtigt u. a. Häufigkeit und Schwere der Schmerzen, die Fähigkeit der Patienten, den Alltag zu bewältigen, das Bedürfnis, sich hinzulegen, Müdigkeit, Gereiztheit und Konzentrationsfähigkeit. „Je nach Situation können Ärzte und Patienten Fragen auswählen, die dazu geeignet sind, die individuelle Kopfschmerzerkrankung und deren Verlauf am besten zu diagnostizieren und den Verlauf abzubilden“, so Überall. Mit dem PraxisRegister Schmerz unterstützt die DGS das weltweit größte Schmerzregister. Aktuell beteiligen sich daran bundesweit 219 Einrichtungen mit 779 Schmerzmedizinern, 805 Ärzten anderer Fachrichtungen und 2 568 nicht ärztlichen Schmerzspezialisten. Bis zum 31.12.2020 wurden 302 617 Behandlungsfälle dokumentiert.

Statement von PD Dr. med. Michael A. Überall (Nürnberg) zur Auftakt-Pressekonferenz

Kurzes Leben für Blutegel

Das Ansetzen von Hirudo medicinalis ist in der Naturheilkunde eine bewährte Therapieoption bei Schmerzen an oberflächlichen Gelenken wie Knie oder Daumensattelgelenk. Die Blutegel saugen bis zu 50 ml Blut auf einmal, von dem sie bis zu zwei Jahre zehren können. So viel Zeit bekommen die Tiere heutzutage nicht mehr. Bis vor Kurzem konnten medizinische Blutegel nach ihrem Einsatz ihr Rentnerdasein in speziellen Teichen der Züchter genießen. Ein weiterer Einsatz war aus hygienischen Gründen nicht vorgesehen. Mit der Verschärfung der Hygieneregeln müssen Blutegel nun nach ihrer Verwendung vernichtet werden. In der Praxis von Dr. med. Ute Mückshoff (Oberhausen) werden die vollgefressenen Tiere nach dem Abfallen tiefgefroren, mit Alkohol übergossen und dann entsorgt.

Session „Tag des Fachpersonals“, Vortrag Dr. med. Ute Mückshoff (Oberhausen)

No Go: ASS + Ibuprofen

Ibuprofen hebt die Wirkung der niedrig dosierten Therapie mit  Acetylsalicylsäure (ASS) als Infarkt-Prophylaxe auf. Darauf machte Prof. Dr. rer. nat. Burkhard Hinz (Rostock) aufmerksam. In Deutschland ist Ibuprofen eines der am häufigsten verwendeten Schmerzmittel. Bei Patienten, die low-dose (100 mg) ASS zur Thrombozytenaggregationshemmung einnehmen, kann das aber fatal sein. Daher empfiehlt Hinz analog zur US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) Ibuprofen frühestens 30 Minuten nach der ASS-Einnahme und höchstens acht Stunden vor der nächsten ASS-Dosis einzunehmen. Hinz befürwortete, Patienten unter Low-Dose-ASS über diese Wechselwirkung aufzuklären, da Ibuprofen oft zur Selbsttherapie verwendet wird. Auch Metamizol führe zu einer kompletten Blockade der ASS-vermittelten Hemmung der Thrombozytenaggregation, so Hinz. Für die ebenfalls viel verordneten nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) Diclofenac und Meloxicam bestehe diese Wechselwirkung offenbar nicht, für Naproxen lägen widersprüchliche Ergebnisse vor.

Session „Schmerztherapie – Sicherheit und Verträglichkeit im Fokus“, Vortrag Prof. Dr. med. Burkhard Hinz (Rostock)

Opioid-Dauertherapie

Wirklücken lassen sich vermeiden

Bei Patienten mit chronischen starken Schmerzen ist eine Langzeittherapie mit Opioiden oft unumgänglich. Dabei ist darauf zu achten, dass diese auch wirklich 24 Stunden wirken und es nicht zu einer end-of-dose-failure kommt.

„Ziel der Therapie bei Patienten mit chronischen starken Schmerzen (CSS) ist eine schnell wirkende, nebenwirkungsarme und zuverlässige Analgesie“, erinnerte Dr. med. Johannes Horlemann (Kevelaer). Doch Schmerzreduktion ist nicht alles, Betroffene sollen damit auch eine möglichst normale Lebensqualität wiedererlangen. Das heißt im Einzelnen: ungestörter Schlaf, generell aktive Alltagsgestaltung (evtl. auch Arbeitsfähigkeit), Lebensfreude, an sozialen Kontakten teilhaben, Mobilität bzw. Verkehrstüchtigkeit ermöglichen. Das gelte auch für Tumorschmerzpatienten, so Horlemann. Er zitierte aus den aktuellen Praxisleitlinien DGS, nach denen bei diesen Patienten die Dauermedikation mit Opioiden eine 24-Stunden-Abdeckung mittels Retardformulierungen gewährleisten soll. Das erreichen jedoch nicht alle infrage kommenden Präparate. Horlemann berichtete, dass bei Morphin ein Drittel der Patienten bereits vor dem Ende der offiziellen Wirkzeit wieder Schmerzen bekommen. Zwar haben die meisten eine Zusatztherapie mit schnell wirkenden Analgetika zur Überbrückung dieser Wirklücke, doch die Belastung ist groß. Die Patienten leben so in ständiger Angst vor dem wiederkehrenden Schmerz.

Lebensqualität verbessern

Mit einer „besseren“ Galenik lässt sich diese end-of-dose-failure vermeiden. So kommt es etwa mit der 24-Stunden-Retardfreisetzung von Hydromorphon nur bei 7,4 % zu einer solchen Wirklücke [1,2]. Hydromorphon weist Horlemann zufolge noch weitere Vorteile auf. Es hat eine geringe Plasmaeiweißbindung und wird nicht über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt. Die Wechselwirkungsrate ist somit gering. Hydromorphon eignet sich daher für Multimorbide, z. B geriatrische Patienten, oder Menschen in der Palliativsituation. Bezüglich der Lebensqualität legte Horlemann auf die beiden Aspekte Verkehrstüchtigkeit und Schlaf besonderen Wert. Mit retardierten Opioiden wie Hydromorphon lässt sich z. B. zuverlässig ein Steady-State erreichen. Das wiederum ermöglicht Patienten Mobilität. Mit dem PKW Entfernungen bewältigen zu können, sei besonders im ländlichen Bereich wichtig, wo die öffentlichen Verkehrsmittel rar sind, betonte Horlemann. Nicht zuletzt müssen die Patienten auch ihren Schmerztherapeuten erreichen können. Horlemann machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die behandelnden Ärzte nicht vergessen sollten, den Patienten entsprechende Atteste über die Opioidtherapie mitzugeben. Ein erholsamer Schlaf ist gerade auch für Schmerzpatienten sehr wichtig. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die Analgesie mit einem Opioid, dass gleichmäßige Plasmaspiegel über 24 Stunden gewährleistet wie die Retardformulierung von Hydromorphon. „Ausnahme ist hier Morphin, dass bei einer Dosierung von mehr als 30 mg Tagesmüdigkeit verursacht“, sagte Horlemann.arf

1 Überall MA et al., Schmerzmedizin 2018; 34(5): 64–78
2 Überall MA et al., Schmerzmedizin 2020; 36(3): 24–31
Session „Opioide im multimodalen Konzept“, Vortrag Dr. med. Johannes Horlemann: „Chronische Schmerzen und Opioide – was hilft wogegen?“ (Veranstalter: Aristo Pharma GmbH))

Cannabistherapie

Von Vollextrakten und Blüten

Auch wenn die Therapie mit Cannabisprodukten sich mehr und mehr in der Schmerzmedizin etabliert, ist die Anwendung nicht so einfach. So stellt sich etwa die Frage nach der Gewichtung der Hauptinhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol.

Arzneimittel aus indischem Hanf gelten mittlerweile als ernstzunehmende Therapeutika und werden zunehmend in den Praxisalltag integriert. Schließlich ergeben die vielen Inhaltsstoffe – über 600 wurden bereits identifiziert – ein weites Wirkspektrum: Die Phytocannabinoide wirken unter anderem gegen Schmerzen, Übelkeit und Spastik – was nicht nur Tumorpatienten zugutekommt. Mittlerweile stehen eine Vielzahl an Fertigarzneimitteln aus indischem Hanf zur Verfügung, aber auch Cannabisblüten werden eingesetzt. Doch wie sieht das konkrete Vorgehen aus, wenn Behandler Patienten eine (Begleit-)Therapie mit Cannabis verordnen wollen?  Angelika Hilker (Bochum) betonte, dass die Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten hochindividuell ist. Das bedeutet, dass sich Arzt und Patient an eine richtige Vorgehensweise herantasten müssen. Die Fachärztin für Anästhesie nutzt Cannabispräparate hauptsächlich bei Schmerzsyndromen, Tumorerkrankungen, Spastik und Anorexie. Sie bevorzugt dabei Vollextrakte mit vielen synergistisch und additiv wirkenden Inhaltsstoffen, was einen Entourage-Effekt erzeugt. Standardisiert sind diese Vollextrakte auf Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und  Cannabidiol (CBD), die unterschiedliche Wirkschwerpunkte haben.

„Start low – go slow – stay low“

Hilker beginnt die Therapie in der Regel mit einem Extrakt, der gleich viel THC und CBD enthält. Sie startet mit sehr geringen Dosen und steigert dann auf 10 mg/ml THC und 10 mg/ml CBD pro Tag. Dieses 1:1-Verhältnis zu Therapiebeginn kann je nach Bedarf variiert werden. Ist beispielsweise eine stärkere Schmerzlinderung erforderlich, wird der THC-Anteil auf 25 mg/ml erhöht. Stehen Schlafstörungen im Vordergrund, steigert Hilker den auch antientzündlich wirkenden CBD-Anteil auf 20 mg/ml. Diese Dosistitration ist auch deshalb erforderlich, weil die THC-Toleranz von Patient zu Patient – aufgrund von genetischen Varianten bei den Abbauenzymen oder wegen früherem THC-Gebrauch –  stark schwanken kann. Treten Nebenwirkungen (Schwindel und Müdigkeit sind am häufigsten) auf, sollte die Dosis verringert werden.  Die öligen Vollextrakte wirken wie eine Retardformulierung und sind meist gut verträglich – aber es dauert lange, bis die Wirkung eintritt. Diese Wirklücke lässt sich mit dem Inhalieren von verdampften Cannabisblüten überbrücken. Die Anwendung ist allerdings etwas umständlich: Die Blüten müssen zerkleinert, die Dosis abgewogen und dann in einen Verdampfer gegeben werden. Weil anders als beim oral eingenommenen Extrakt kein First-pass-Effekt gegeben ist, tritt die Wirkung sehr schnell ein, wenige Atemzüge genügen. arf

Session „Cannabis in der Medizin – Warum die individuelle Therapie so wichtig ist“, Vortrag Angelika Hilker: Vollspektrumextrakte, Cannabisblüte oder beides – Was ist wann und für wen geeignet? (Veranstalter: Tilray Deutschland GmbH und Hormosan Pharma GmbH)

Osteoarthritis

Muskelaufbau hilft gegen Entzündung

Sport vermindert proinflammatorische und stärkt entzündungs­hemmende Zytokine. Damit Arthritis-Patienten sich aber überhaupt bewegen können, müssen zunächst die Schmerzen reduziert werden. Je nach Begleiterkrankungen ist hier das richtige NSAID zu wählen.

Der typische Arthrose-Patient ist über 50 Jahre, hat zu wenig Bewegung und dementsprechend zu wenig Muskelmasse, sprich Sarkopenie, erläuterte Prof. Dr. med. Hans-Georg Predel von der Sporthochschule Köln. Hinzukommt oft noch ein großes Spektrum an assoziierten Erkrankungen wie Adipositas, Typ-2-Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, orthopädische Pro­bleme oder Schlafapnoe. Die Corona-Pandemie ­inklusive Homeoffice verstärkt Bewegungsmangel und Übergewicht. ­Predel berichtete von einer ­Forsa-Umfrage, nach der im Homeoffice 27 % der Befragten an Gewicht ­zugelegt haben.

Fett fördert Inflammation

Übergewicht setzt dem Knorpel zu: direkt durch Fehlbelastungen, indirekt durch erhöhte Harnsäure­spiegel, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und konsekutive Entzündungen. Als weiterer nicht zu beeinflussender Risikofaktor kommt noch die altersbedingte Degeneration des Knorpels hinzu. Das Fettgewebe hat noch einen weiteren indirekten negativen Effekt: Es produziert Adipokine, die ihrerseits proinflammatorische Zytokine wie TNF-α und damit die Entzündung am Knorpel fördern.

Adipokine und Fettmasse senken

Entsprechend gilt es, das Fettgewebe und damit die Adipokine zu reduzieren. Sport steht dabei ganz oben auf der Liste der therapeutischen Optionen. Nicht nur als Teil eines Gewichtsreduktionsprogramms, sondern auch als entzündungshemmende Maßnahme sowie als allgemeine Prävention. „So hebt Bewegung – vorzugsweise im Freien – nicht nur die Stimmung , sondern stärkt auch das Immunsystem“, sagte Predel. Bei der Wahl der Sportart sollte auf eine geringe Stoßbelastung und eine ­Gewichtsentlastung geachtet werden, um keinen zusätzlichen mechanischen Reiz auszulösen. Geeignet seien vor allem Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking, Wassergymnastik und Yoga.

Abnehmen durch Sport

Und wie viel kann man nun durch Sport abnehmen? Predel rechnete vor, dass beim Einsatz großer ­Muskelgruppen bei niedriger bis mittlerer Intensität pro Minute 0,5–1,0 g Fett verbrannt werden. Das heißt, in der Stunde 30–60 g. Um ein Kilo Fett loszuwerden, müssten 15–30 Stunden Sport getrieben werden. Das klinge erstmal abschreckend, so Predel, aber es bedeute beispielsweise, dass mit einer Stunde Spazierengehen an fünf Tagen pro Woche ein Kilo Fett im Monat schwinden könnte – das wären im Jahr immerhin zwölf Kilo. Die Leitlinien zur Gewichtsabnahme durch Sport drücken es ähnlich aus: Sie empfehlen einen sehr moderaten Beginn mit einer Belastungsintensität im aeroben Bereich für 40–60 Minuten 3–5 x pro Woche.

Muskeln – mehr als nur Kontraktion

Für die Fettverbrennung ist Ausdauersport wichtig. Doch gerade bei Arthrose-Patienten ist der gezielte Muskelaufbau ebenso relevant. Denn laut Predel ist der Muskel weit mehr als nur eine Kontraktionsmaschine. Training wirkt dem physiologischen ­Muskelabbau, der immerhin 1 % pro Jahr ab dem 30. Lebensjahr beträgt, entgegen. Des Weiteren verbessert Muskeltraining die Biosensorik, den Stoffwechsel, die Kreislaufregulation, Kognition und die Stimmung.

Myokine vermitteln Entzündungshemmung

Vermittelt werden diese Effekte durch die bei einer Kontraktion der Muskelzelle gebildeten Myokine, berichtete Predel. Über 400 dieser Botenstoffe ­seien bisher identifiziert worden. Eines dieser ­Myokine ist Interleukin-6 (IL-6). Es reguliert den Fettsäureabbau, ist an der Bildung von Immunzellen beteiligt und wirkt entzündungshemmend. Das Myokin BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) ist ein Wachstumsfaktor für Nervenzellen, der möglicherweise vor Demenz schützt. Zudem werden bei Muskel­kontraktionen die insulin­ähnlichen Wachstumsfaktoren IGF-1 und IGF-2 ausgeschüttet, die das Knochenwachstum fördern. Daher sollte bei Patienten mit Gonarthrose und wenig Muskelmasse ein dynamisches Ganzkörperkrafttraining großer Muskelgruppen mit geringer Belastung, aber vielen Wiederholungen und progressiver Belastungssteigerung angestrebt werden. Mehr Muskeln helfen auch gegen Fett, denn so steigt der Grundumsatz der Energie – und natürlich auch der kalorische Umsatz.

Erst Schmerzlinderung, dann Sport

Damit Arthritis-Patienten überhaupt Sport treiben können, müssen zuerst die Bewegungsschmerzen gelindert werden. Bewährt haben sich nicht steroidale antiinflammatorische Substanzen (NSAID). ­Deren Einsatz ist auf das jeweilige Risikoprofil bzw. die Begleiterkrankungen der meist älteren Patienten abzustimmen. Cave: Die meisten NSAID bergen ein Risiko für gastrointestinale Blutungen oder kardiovaskuläre Ereignisse. Für Patienten mit vorbestehender Herz-Kreislauf-­Erkrankung wird als NSAID das kardioneutrale ­Naproxen empfohlen. Steht bei den Patienten eher ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen im Vordergrund, sollte das NSAID mit einem Protonenpumpen-Inhibitor (PPI) kombiniert werden. Doch auch diese Kombination hat ihre Tücken: ­Bekanntlich sinkt die Adhärenz, je mehr Tabletten ein Patient einnehmen muss. Das gilt auch für die Kombination aus NSAID und PPI – 62 % der Patienten lassen den PPI nach der dritten Verordnung weg, ergänzte PD Dr. med. Michael A. Überall (Nürnberg).

FAZIT:

Regelmäßige Bewegung ist gesund und hilft, körperliche Beschwerden zu lindern. Dabei gilt:

• Schmerzlinderung ist Voraussetzung für körperliche Aktivität.
• Bewegungsmangel trägt zur Entstehung von Gelenkschmerzen bei.
• Körperliche Aktivität lindert Schmerzen und wird in den Leitlinien empfohlen.

Session „Schmerztherapie – Sicherheit und Verträglichkeit im Fokus“, Vortrag Prof. Dr. med. Hans-Georg Predel: „Bewegung im Homeoffice – Bedeutung für den Patienten mit Arthrose“ (Veranstalter: Grünenthal GmbH)

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Bildnachweis: from2015 (iStockphoto)

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