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Kongress-Ticker

Anaphylaxie

Allergische Sofortreaktionen nehmen zu

10.7.2023

Viele Patienten tragen ein allergisches Potenzial in sich, von dem sie nichts wissen. Durch Triggerfaktoren kann es dann zu einer Anaphylaxie kommen. Arztpraxen sollten für die Notfallbetreuung der Patienten vorbereitet sein, beispielsweise durch einen Notfallkoffer und eingeübte Abläufe.

Anaphylaxie ist die höchste Stufe einer allergischen Sofortreaktion, die mit lebensbedrohlichen Faktoren verbunden ist. Die epidemiologische Studienlage ist im Gegensatz zu anderen allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma oder atopischem Ekzem sehr gering [1]. Mit der Zunahme allergischer ­Erkrankungen werden auch mehr anaphylaktische Reaktionen verzeichnet. Bei einer Gesamthäufigkeit von 42/100 000 Personenjahren im Zeitraum von 2001 bis 2010 gab es einen jährlichen Anstieg von 4,3 %, bei Nahrungsmittel-induzierter Anaphylaxie waren es sogar 9,8 % [2,3]. Dabei fällt auf, dass besonders im Kindesalter Nahrungsmittel-induzierte Anaphylaxien auf dem Vormarsch sind.

„So stiegen die Notaufnahmen seit dem Jahr 2007 (41/100 000) bis zum Jahr 2012 um fast das doppelte an (72/100 000)“, erläuterte PD Dr. med. Katharina Blümchen (Frankfurt). Das liege unter anderem an der Reaktion auf assoziierte Allergene. So reagieren beispielsweise Patienten mit allergischer Rhinitis auch auf Allergene, die in Nahrungsmitteln und in Pollenkörnern enthalten sind (Pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergie).

Ernst zu nehmen seien Erdnussallergien bei Kindern, die einerseits häufig auftreten und bei denen andererseits ­kleinste Mengen ausreichen, um eine Anaphylaxie auszulösen. „Ein Anaphylaxie-Notfallset sollte bei betroffenen Kindern immer mitgeführt werden, wobei der Schweregrad nach Verzehr von Erdnussspuren nicht vorhersehbar ist. Es kann, muss aber nicht zu einer Anaphylaxie kommen“, sagte Blümchen.

Laut Prof. Dr. med. Johannes Ring (München) gibt es viele Faktoren, die den Schweregrad einer allergischen Reaktion beeinflussen können. Beispiele sind:

  • Tageszeit (Sympathikus, Parasympathikus)
  • Umgebung (Temperatur, Feuchtigkeit, Pollen, Staub)
  • Allergen (Gehalt, Natur, Exposition)
  • Grundkrankheit (z. B. Mastozytose, kardiovaskuläre Situation)
  • hormoneller Status (z. B. Schwangerschaft, Menstruation)
  • Immunsystem-Stimulierung (z. B. Infekt)
  • Pharmaka (z. B. Betablocker, ACE-Hemmer, Cyclooxygenase-Inhibitoren)
  • toxikologische Einflüsse (z. B. Alkohol)
  • psychische Verfassung (z. B. Stress)
  • körperliche Anstrengung (z. B. Hypoxie)

Je mehr Faktoren zusammenkommen, desto schwerer kann die Reaktion ausfallen (Summationsanaphylaxie). Ein wichtiger Aspekt sei auch die Einnahme bestimmter Medikamente. So können dem Experten zufolge Betablocker und ACE-Hemmer den Schweregrad einer Anaphylaxie verstärken.

Schnelles Handeln kann Leben retten

„Kofaktoren machen die Vorhersehbarkeit einer anaphylaktischen Reaktion schwierig, denn sie können auch bei geringem Allergenkontakt schwere Reaktionen triggern“, erklärte Ring. Er berichtete von einer 23-jährigen Studentin, die beim Skifahren mehrmals eine Anaphylaxie am Nachmittag nach der Abfahrt ins Tal erlitt. Die sonst gesunde Patientin hatte das zum ersten Mal. Was war passiert? Die Patientin aß auf der Hütte Germknödel mit Mohn, was sie zu Hause ohne Probleme vertrug. Ein Hauttest ergab eine starke allergische Reaktion auf Mohnsamen mit Lymphangitis. „Das Beispiel zeigt, dass viele Patienten ohne es zu wissen, ein allergisches Potenzial in sich tragen. Durch Triggerfaktoren wie Sport kann es zu schweren anaphylaktischen Reaktionen kommen.“

Anaphylaxie-Management in der Praxis

Prof. Dr. med. Ludger Klimek (Wiesbaden) ging auf die Notfallbetreuung der Patienten im Praxisalltag ein. Dazu brauche man Räumlichkeiten und eine entsprechende Ausstattung. „Wichtig ist, einen Raum mit einer freistehenden Liege, die von allen Seiten zugänglich ist, bereitzuhalten. Die Aufgaben des Praxisteams müssen definiert sein, ebenso sollte der Notfall­koffer regelmäßig überprüft werden“, so Klimek. Dem Experten zufolge sollten alle sechs Monate die Abläufe geübt werden. „Neben der ­ausreichenden Zufuhr von Sauerstoff und Gabe von Infusions­lösungen (Volumen muss rasch aufgefüllt werden) bestehen als medikamentöse Optionen auch die Gabe eines Antihistaminikums i. v., einer Kortikosteroid-Kurzinfusion oder von Adrenalin i. m. oder i. v.“ Die intramuskuläre Injektion sei Klimek zufolge am effektivsten und auch von den deutschen und ­europäischen Leit­linien zur Anaphylaxietherapie empfohlen.

„Wichtig ist ein schnelles Handeln. Tödliche Anaphylaxien laufen schnell ab. Bei Nahrungsmitteln hat man 30 Minuten bis zum Atem-/Kreislaufstillstand, bei Insektenstichen 15 Minuten, und bei Medikamenten, die i. v. verabreicht wurden, 5 Minuten“ [4].

Adrenalin-Autoinjektoren, die nach einer entsprechenden Schulung einfach anzuwenden sind, sollten dagegen für gefährdete Patienten und für Begleitpersonen verordnet werden. Die derzeit verfügbaren Autoinjektoren unterscheiden sich in ihrer Technik und Anwendung. „Setzen Sie das Aut-idem-Kreuz, wenn ihr Patient auf einen bestimmten Injektor geschult wurde“, empfahl Klimek. Die Applikation sollte immer am Oberschenkel erfolgen, weil da die Muskulatur auch bei älteren oder leichtgewichtigen Patienten gegeben ist. „Bei übergewichtigen Patienten sind Pens mit starker Auslösekraft vorzuziehen, weil dann trotz Fettgewebe die benötigte Adrenalinzufuhr gewährleistet ist.“ (Thema: >Allergie)

1 Ring J (ed): Anaphylaxis. Karger Basel 2010
2 Lee S et al., J Allergy Clin Immunol 2017; 139: 182–8.e2
3 Parlaman JP et al., Hosp Pediatr 2016; 6: 269–74
4 Pumphrey RS, Clin Exp Allergy 2000; 30: 1144

Auftaktveranstaltung „Neues zur Anaphylaxie: spannende Daten – hilfreich für die Praxis“

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