Die Zahl der Cancer Survivors steigt. Doch in Deutschland fehlt eine koordinierte Nachsorge. Viele Langzeitüberlebende fühlen sich vor allem bei psychischen oder sozialen Langzeitfolgen nicht ausreichend unterstützt und versorgt.
In Deutschland erkrankten im Jahr 2018 497 890 Menschen an Krebs. Das Erkrankungsrisiko liegt bei Frauen bei 43 %, bei Männern bei 51 %. Der prozentuale Anteil der häufigsten Tumorlokalisationen an allen Krebsneuerkrankungen war 2018 für das maligne Melanom der Haut 4,7 % (Frauen) bzw. 4,5 % (Männer). Insgesamt leben ca. 4,4 Millionen Menschen mit oder nach einer Krebserkrankung. Die Fortschritte in der Behandlung führen dazu, dass ein immer größerer Anteil der Betroffenen die Krankheit überlebt. „Ab fünf Jahren ist das ein Langzeitüberleben“, sagte Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf (Essen) und fragte: „Wie geht es diesen Patienten?“ Auf das maligne Melanom bezogen, fasste er zusammen, dass es ein strukturiertes Follow-up-Programm mit Fokus auf die Definition von Rezidiven, die sozio-soziale Beratung inklusive Rehabilitation („Kur“) und psychosoziale Angebote geben würde. Fehlen würde ein vollumfängliches Survivorship-Programm, mit einem Verständnis für die Patientenbedürfnisse und mit Angeboten.
Fehlende Langzeitdatenbanken
Dr. med. Georgia Schilling (Sylt) führte aus, dass der Begriff „Cancer Survivor(ship)“ schwierig wäre, denn es wäre eine inhomogene Gruppe mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen. So identifizierten sich manche eher mit dem Begriff „einer Person, die Krebs gehabt hat“, während sich andere „als mit Krebs lebende“ verstünden. Sie bemängelte, dass es wenige Informationen über Langzeitfolgen geben würde und verwies auf die Notwendigkeit von Langzeitdatenbanken, die andauernde und lebensverändernde Nebenwirkungen und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität sammeln. Cancer Survivors vor allem bis 70 Jahre wären stärker psychisch belastet als die Allgemeinbevölkerung, erläuterte Schilling. Zu den häufigsten psychischen Langzeitfolgen nach Krebs gehören Depressionen (12 %) und Angststörungen (18 %). Die Rezidiv-/Progredienzangst ist eine der zehn häufigsten Belastungen und der am häufigsten genannte ungedeckte Versorgungsbedarf. Hinzu kommen Anpassungsstörungen (11 %) und posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) (20 %). Zudem hat die Hälfte der Patienten hohen Distress.
Nicht zuletzt ist die Wahrscheinlichkeit, an einer depressiven Störung zu erkranken, bei Tumorpatienten mehr als fünfmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Auch die sozialen Belastungen wie Einsamkeit oder Probleme am Arbeitsplatz können immens sein. Bei dem Gesundheitsverhalten sah Schilling ebenfalls „viel Luft nach oben“. So würden beispielsweise 15 % nach der Diagnose rauchen, 87 % würden nicht ausreichend Gemüse und Obst essen und 89 % würden keine körperliche Aktivität ausüben. Ihr Fazit: Nach mehr als zehn Jahren Cancer Survivorship in Deutschland hätten mehr als ein Drittel der Patienten unerfüllten Unterstützungsbedarf. Die mangelnde Unterstützung zeige sich vor allem in Bereichen, in denen keine pharmakologische Therapie verfügbar ist. „Wir verlieren unsere Patienten auf dem Weg zurück ins Leben.“
Lunch-Symposium „Cancer Survivorship und das maligne Melanom“ (Veranstalter: Novartis Pharma GmbH)