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Dermatologie

Bullöses Kontaktekzem

Ekzem im Rot-Schwarz-Tattoo

Dr. med. Viktor A. Czaika

10.5.2024

Tattoos erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Dabei wird die Körperkunst auch gern farbig gestaltet. Die Risiken dabei werden aber oft nicht bedacht oder sind in ihrem Umfang häufig gar nicht bekannt. Mit der neuen EU-Regelung REACH soll die Gefahr durch bedenkliche Inhaltsstoffe in Tätowierfarben minimiert werden.

Prinzipiell können alle Tätowierfarben Allergien auslösen, doch die Verwendung der Farbe „Rot“ ist diesbezüglich besonders riskant. Auch wenn nach EU-Verordnung von 2022 klassische Industriefarben weitgehend verboten werden, ist die praktische Gemengelage unklar. Dies zeigt auch der folgende Fall.

Fallbeispiel

Die 38-jährige Bürokauffrau hatte sich im etwa eine Woche zurückliegenden Auslandsurlaub einen ­„Marienkäfer“ auf den Fußrücken tätowieren lassen. Für dessen Gestaltung wurden die Farben „Schwarz“ und „Rot“ verwendet. Etwa 2 Tage nach Stechen des Tattoos spürte die Patientin in diesem Bereich einen stärkeren Juckreiz und zunehmendes ­Brennen. Am 3. Tag nach der Tätowierprozedur kam es zur Blasenbildung mit strenger Begrenzung auf das „Käfer-Tattoo“. Insbesondere früher gestochene und ebenfalls farbige Tattoos der Patientin wären unauffällig gewesen. Zeitgleich mit der zunehmenden Hautreaktion hätte sie auch eine leichtere Übelkeit und Kopfschmerzen bemerkt. Außerdem hätte sich bei aus der Jugend bekannter Neurodermitis ebenfalls im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tattoo im Bereich des Kopfes ein juckendes Ekzem entwickelt.

Dermatologischer Befund

Am Fußrücken des linken Beines fand sich das ­Tattoo im „Käfermotiv“ mit einer Ausdehnung von etwa 10 × 7 cm. Auf den in rot gestalteten Körper-Flügel-Bereich des Insekts begrenzt, fiel ein ödematös-­entzündliches Infiltrat mit einzelnen Blasen und ­Erosionen auf. Die umgebene Haut war nur diskret reaktiv entzündlich gerötet. Die schwarz gefärbten Kopf-, Fühler- und Beinanteile des Käfers zeigten keine entzündlichen Veränderungen (Abb. 1).

Stirn und Mittelgesicht der Patientin waren ekzematös verändert (Abb. 2 a). Das übrige Integument erschien unauffällig. Im Bereich der linken Hand fanden sich ältere unauffällige Tattoos, ebenfalls in roten und schwarzen Farbmotiven (Abb. 2 b).

Diagnosestellung

Die Blickdiagnose im anamnestischen Kontext war klar: Bei der bullös-erosiven Reaktion ausschließlich im rotfarbigen Anteil des Tattoos konnte es sich nur um ein Kontaktekzem als Reaktion auf die rote ­Tätowiertinte handeln. Eine primäre, durch ein ­kontaminiertes „Rot“ inokulierte Infektion hätte sich weiter ausgebreitet und dann auch eine eher ­krustig-purulente Morphe gehabt.

Die Unterscheidung eines rein irritativ-toxischen ­Kontaktekzems von einem allergischen Kontakt­ekzem bedürfte ggf. einer nachfolgenden allergologischen Testung. Der strenge Bezug auf die rot tätowierte ­Region bei Fehlen einer hämatogenen Streureaktion konnte auf die toxische Variante ­hinweisen. Andererseits waren die anamnestisch berichtete verzögerte Entzündungsreaktion und der verwendete rote Farbstoff Hinweise für ein ­allergisches Kontaktekzem. Bei Letzterem bestünde eine Sensibilisierung gegen das Allergen. Auch die Allgemeinsymptomatik und das im Kopfbereich exazerbierte atopische Ekzem sprachen für eine eher allergische Reaktion.

Therapie und Verlauf

Für den therapeutischen Ansatz waren zunächst die rasche Reduktion der Entzündung und die Vermeidung einer zusätzlichen Superinfektion entscheidend. Auch war bei weiter zunehmender Entzündung eine vollkommene Zerstörung des Tattoos zu erwarten.

Es wurde – auch wegen der Allgemeinreaktion – ein kurzer systemischer Steroidstoß beginnend mit Prednisolon 80 mg p. o. durchgeführt und die Wirkstoffgabe über 7 Tage ausgeschlichen.

Lokal kam ein Kombipräparat aus Miconazol und Flupredniden zum Einsatz. Das hier enthaltene ­Antimykotikum Miconazol wirkt mit großer therapeutischer Breite gegen dermatologisch relevante grampositive Bakterien und hat entgegen lokalen Antibiotika kein relevantes Allergisierungsrisiko. Das Klasse-II-Steroid Flupredniden wirkt lokal anti­ekzematös. Unter der Behandlung kam es zum ­Abklingen der Entzündung und im Verlauf zu einem weitestgehenden Erhalt des Tattoos, allerdings mit deutlicher Abblassung der Rotfärbung.

Diskussion

Rote Tattoos können eher allergische Reaktionen auslösen als andersfarbige, insbesondere schwarze Tattoos. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Graz von 2021. Demnach enthalten Tätowierfarben ausnahmslos die Metalle Nickel und Chrom (typische Kontaktallergene). Die meisten Verunreinigungen allerdings gibt es im Rotfarbstoff. Hier waren zusätzlich noch Quecksilbersulfid und Zinnober enthalten, die das Risiko einer allergischen Reaktion deutlich erhöhen. „Rot“ hat den weiteren Nachteil, dass es sich sehr schlecht entfernen lässt, weil dieser Farbstoff vom Laser besonders schlecht „erkannt“ wird.

Grundsätzlich steigert sich das Risiko bei Menschen mit vorbestehenden Ekzemen bzw. bei bekannter atopischer Diathese. Roten Tätowiertinten, insbesondere Hennafarben, ist oft der schwarze Farbstoff Paraphenylendiamin (PPD) beigemischt, der oft zu bullösen und sogar zu anaphylaktischen Reaktionen führt. Das besondere Problem ist hier, dass die ­erzeugte Sensibilisierung bei erneuten anderwei­tigen PPD-Kontakten, z. B. über Haarfärbemittel, heftige Reaktionen erzeugen kann [1].

Im Gegensatz zu Lebensmittelfarben unterlagen die zum Tätowieren benutzten Industriestoffe auf ­EU-Ebene in praxi keiner konkreten Kontrolle. Seit dem 1. Januar 2022 aber gilt eine neue bindende EU-Regelung (REACH) [2]. Mehr als 4 000 gefähr­liche Chemikalien in Tätowierfarbstoffen sowie auch in Permanent Make-up unterliegen laut Verordnung der Beschränkung. Einzelne Stoffe sind mit Höchstkonzentrationsgrenzwerten belegt. Insbesondere gilt dies für Azofarbstoffe, krebserzeugende aromatische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Metalle und Methanol. Als bedenklichste Metalle gelten Chrom, Nickel, Kupfer, Barium und Blei. Alle Farben, in denen eine der etwa 4 200 beschränkten Chemikalien enthalten ist, dürfen nicht mehr auf dem Markt sein. Problematisch dabei ist, dass in einer Farbe oft 100 unterschiedliche Farbkomponenten, Lösungsmittel, Stabilisatoren und weitere Stoffe enthalten sind [3].

Zunächst gilt der Analogie-Ausschluss, was bedeutet, dass das, was in Kosmetika nicht erlaubt ist, auch in Tätowiertinten nicht enthalten sein darf. Nach neuer Vorschrift müssen die Tätowierstoffe folgenden Vermerk enthalten: „Gemisch zur Verwendung in Tätowierungen oder Permanent Make-up“. Außerdem müssen Allergene wie Chromate, Kobalt und Nickel deklariert sein. Demnach dürfte das Tätowieren in nächster Zeit weitaus weniger bunt ausfallen. Denn in der Praxis ist es schwierig, die beliebten sehr farbenfrohen Industriestoff-Farben zu ersetzen, bei „Blau“ und „Grün“ ist dies derzeit nahezu gar nicht möglich [4]. Und so blieben als unbedenkliche, REACH-konforme Farben zunächst nur noch „Schwarz“, „Grau“ und „Weiß“. Obwohl eine 12-monatige Übergangsfrist galt, herrscht immer noch Unklarheit hinsichtlich des weiteren praktischen Vorgehens [5].

Inzwischen wird fieberhaft an der Entwicklung konformer Farben auch auf Bio-Basis gearbeitet, allerdings kann auch hier ein Allergierisiko nicht ausgeschlossen werden. Und wie auch im vorliegenden Fall werden sich Anhänger der Körperkunst künftig nicht nur wegen der niedrigeren Kosten, sondern vermutlich auch wegen der Verfügbarkeit der Farben im Ausland tätowieren lassen. Grundsätzlich ist es dann immer ratsam, sich zumindest die Hersteller und Produktinformationen der verwendeten Farben für „schlechte Zeiten“ aufzuheben.

Schließlich muss auch immer berücksichtigt werden, dass ekzematöse Unverträglichkeiten gegen Tattoos nicht das einzige Risiko darstellen. Ablagerungen in lymphatischen Organen, chronische Infektionen, Keloid­bildung und die begünstigte Entstehung ­maligner Hauttumoren sind weitere unkalkulierbare Risiken der insbesondere farbigen Körperkunst.

Alle Tätowierfarbstoffe können allergische Reaktionen auslösen, besonders aber rote, die neben ­Nickel und Chrom häufig auch Quecksilber und Zinnober enthalten. Gerade Menschen mit atopischer Diathese tragen ein erhöhtes Risiko. Da mit dem ­Inkrafttreten der REACH-Regelung Anfang 2022 kaum noch Tätowierfarben auf dem Markt sind, dürfte die Zahl der im Ausland gestochenen Tattoos zunehmen – und damit auch die ekzematösen ­Komplikationen.

Der Experte

Dr. med. Viktor Alexander Czaika
Facharzt für Dermatologie,
Venerologie und Innere Medizin
Bruno-Bügel-Weg 16
12439 Berlin

viktor.czaika@gmx.de

  1. Altmeyer P, Hg. Altmeyers Enzyklopädie Dermatologie: Tattoos, Nebenwirkungen. Berlin, Heidelberg: Springer; 2023
  2. Umweltbundesamt. Chemikalien/Reach. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt; 2022. https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/reach-chemikalien-reach
  3. European Chemicals Agency (ECHA). Tätowierfarben und Permanent Make-up. Helsinki: ECHA; 2022. https://echa.europa.eu/de/hot-topics/tattoo-inks
  4. Bundesamt für Risikobewertung (BfR). Tätowiermittel: Risikoeinschätzung von Pigment Blau 15:3 und Pigment Grün 7. Berlin: BfR; 2022. https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/taetowiermittel-risikoeinschaetzung-von-pigment-blau-15-3-und-pigment-gruen-7.pdf
  5. Europäische Kommission: Verordnung (EU) 2020/2081 der Kommission vom 14. Dezember 2020 zur Änderung des Anhangs XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) betreffend Stoffe in Tätowierfarben oder Permanent-Make-up. 2022. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R2081&from=EN

Bildnachweis: privat

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