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Gynäkologie

Prävention

Impfen in der Frauenarztpraxis

Dipl.-Med. Dörte Meisel

Impfungen zählen zu den wirksamsten Präventionsmaßnahmen der modernen Medizin, doch durch die unzureichende Einhaltung der Impfempfehlungen sind viele Patientinnen gefährdet. Impfen ist daher ein wichtiges Thema – gerade in der Frauenarztpraxis.

In Deutschland werden von der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) Impfempfehlungen erlassen, die jeweils an die gegenwärtige Situation angepasst sind. Sie sind auch die Basis dessen, was als schulmedizinischer Standard angesehen und von den Krankenkassen als Standardleistung übernommen wird.

Als typische Impfung für die Frauenarztpraxis galt lange lediglich die Rötelnimpfung. Heute können wir als Gynäkologen viel mehr: Kinder und Jugendliche, Kinderwunschpatientinnen, Schwangere, Krebspatientinnen und Seniorinnen – alle haben Anspruch auf einen vollständigen Impfschutz. Und alle empfohlenen Impfungen sollten bei allen meinen Patientinnen aktuell sein – das ist mein Anspruch.

Mein Praxisteam erfragt deshalb nicht nur die letzte Regelblutung, sondern lässt sich immer auch den Impfausweis vorlegen. Unsere Patientinnen kennen das schon und die meisten bringen den Impfausweis unaufgefordert mit. Die hier Säumigen bitte ich nachdrücklich darum – mit dem Hinweis, dass ich sie zu ihrer eigenen Sicherheit impfen möchte.

Und ich bin pedantisch: Was nicht im Impfbuch eingetragen ist, ist auch nicht passiert – so sieht das auch das RKI. Leider sind viele – vor allem hausärztliche – Kollegen beim Eintragen da etwas schlampig und tragen Impfungen nicht oder nicht vollständig ein. Ich betone deshalb immer: nicht delegierbare ärztliche Leistungen sind Aufklärung, Indikationsstellung und Dokumentation. Diese Leistungen müssen höchstpersönlich von der ärztlichen Leitung der Praxis erbracht werden.

Vollständig dokumentieren

Wichtig ist auch – und das vergessen leider viele: Handelt es sich um einen Importimpfstoff mit fremden Schriftzeichen, dann müssen der Name und die Indikation des Impfstoffs gut lesbar übersetzt werden. Sonst versteht der nächste Kollege beim Blick in den Ausweis nur Bahnhof. Parallel pflege ich die Impfdaten in das Impfmodul des Praxissystems ein und bin so immer aktuell über den Impfstatus informiert. Hier vermerke ich auch, wenn die Patientin den Ausweis nicht vorgelegt hat.

Impfen ist durchaus auch finanziell lukrativ und ohne viel Aufwand in den Praxisablauf integrierbar. Ich impfe selbst, statt an meine Impfschwester zu dele­gieren. Dabei ergibt sich immer die Gelegenheit zu einem Gespräch über gynäkologische oder Impf­themen – etwa: „Haben Sie Enkelkinder? Und sind die HPV-geimpft?“ Das hält in der Sprechstunde nicht mehr als zwei Minuten auf und bringt nebenbei ein Mehr an Information.

Bei Kinderwunschpatientinnen ist eine Überprüfung des Impfstatus wichtig: Varizellen zweimal geimpft oder durchgemacht? Bei unbekanntem Impfstatus ist die Titerbestimmung genauso Kassenleistung wie die nachfolgende Varizellenimpfung. Der Rötelnimpfstatus ist Bestandteil der Schwangerschaftsfeststellung – nichts ist peinlicher, als erst hier die fehlende zweite Impfung zu bemerken oder einen negative Röteltiter vom Labor zu bekommen.

Varizellen und Gürtelrose

Während das Varicella-Zoster-Virus (VZV) bei Erstinfektion Varizellen (Windpocken) verursacht, manifestiert sich ein Herpes Zoster (Gürtelrose) bei endogener Reaktivierung der latent in den Nervenganglien verbliebenen VZV. Ein Herpes Zoster kommt vorwiegend bei immungeschwächten bzw. älteren Menschen vor.

Besonders gefürchtet ist das postherpetische Schmerzsyndrom, das mehrere Monate nach dem Auftauchen der Zoster-Bläschen andauern kann. Herpes Zoster ist nicht ansteckend, die Bläschenflüssigkeit kann jedoch beim Ungeimpften Windpocken auslösen – hier ist besondere Vorsicht mit ungeimpften Schwangeren geboten. Leider ist die empfohlene zweimalige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-Zoster-Totimpfstoff im Abstand von mindestens zwei bis maximal sechs Monaten nur selten verfügbar.

Ich habe im vergangenen Jahr jede Schwangere gegen Grippe geimpft. Wenn eine Patientin ablehnt, erkläre ich, dass die Impfung vor allem zum Schutz des Ungeborenen gedacht ist und Erkrankungsverläufe in der Schwangerschaft besonders schwer sind. Überzeugt das nicht, fordere ich ihre Unterschrift, dass sie die Verantwortung für negative Folgen übernimmt. Und das überzeugt dann doch die eine oder andere noch. Oft impfe ich auch gleich die werdenden Väter.

Von der Notwendigkeit der aktuell vom RKI empfohlenen Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft ist die werdende Mutter leicht zu überzeugen. Dem Argument „Das ist zum Wohl Ihres Kindes“ kann sich die junge Familie nicht entziehen. Meist ist nur notwendig, zu erklären, dass der sonst übliche Abstand von zehn Jahren für die Schwangerschaft nicht gilt.

Die Statistiken zum Impfen sind erschreckend. Lediglich 32,4 % der erwachsenen Bevölkerung haben in den vorangegangenen zehn Jahren eine Pertussis-Impfung erhalten (Abb. 1).1 Insgesamt wiesen nur 14,1 % der Frauen im gebärfähigen Alter und nur 22 % der Personen mit im Haushalt lebenden Kleinkindern (

Patientinnen ansprechen

HPV-Impfungen empfehle ich nicht nur den Mädchen im entsprechenden Alter, sondern spreche sie auch bei ihren Müttern oder Omas an. Ganz wichtig: Die Söhne und Enkel nicht vergessen. Viele Mütter wissen nicht, dass die HPV-Impfung auch für Jungen empfohlen ist. Die Knaben kommen dann zum Teil zu mir – im empfohlenen Alter werden sie eher selten vom Haus- oder Kinderarzt gesehen. Mir ist gleich wer –Hauptsache es wird geimpft.

Gegen Pneumokokken bei Ü60- oder jüngeren ­Risikopatientinnen (z. B. Rheuma-, Asthma- oder Diabetespatientinnen) kann natürlich auch der Hausarzt impfen – tut er häufig aber nicht. Gerade die Corona-Pandemie hat die Bereitschaft der ­Patientinnen zur Pneumokokken-Impfung deutlich erhöht. Ich weise die Patientinnen immer auf möglich Nebenwirkungen hin – auch mit dem Hinweis, dass eine lokale Reaktion zeigt, dass das Immunsystem reagiert. Pneumokokken und Grippe kann man übrigens gut an einem Termin zusammen impfen: einmal rechts, einmal links.

Manche Patientinnen fragen nach Reiseimpfungen, andere spreche ich darauf an, wenn die Sprache generell auf Urlaub kommt. Manche der Impfungen sind Selbstzahlerleistungen, andere werden auf Antrag von der Kasse erstattet. Für die Patientinnen ist es also immer ratsam, vorher bei der Kasse anzufragen. Gibt die grünes Licht, verordne ich den Impfstoff, schreibe eine Rechnung fürs Impfen und die Patientin kann dann alles zusammen bei der Kasse einreichen.

Service mit Erinnerungsfunktion

In unserer Praxis ist Impfen eine Serviceleistung:

Wer nur zum Impfen kommt, braucht nicht zu warten. Dafür haben wir ein eigenes Zimmer, dort bereitet mein Team alles vor und ich kann bequem zwischen zwei gynäkologischen Patientinnen die Indikation stellen und impfen. Das geht schnell und wird von den ­Patientinnen sehr geschätzt. Besonders in der Grippezeit werden sogar die Partner mitgebracht, die sich die Wartezeit in vollen Hausarztpraxen so gern schenken. Was sich in meiner Praxis sehr bewährt hat, ist ein Recall-System. Oft wird die Wiederholungsimpfung z. B. bei Masern, HPV oder Varizellen vergessen. Wir erinnern per ­E-Mail oder SMS mit Einverständnis der Patientin.

Impfen ist eine ärztliche Leistung – für mich eine der wichtigsten Erfindungen in der Medizin. Und die Entscheidung für eine Impfung zeigt auch Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Laut einer Schätzung der BZgA gibt es nur ca. 6 % Impfgegner – das allein erklärt die schlechten Impfraten in Deutschland nicht. Wir sollten und müssen hier aktiv werden, die Diskussion über die Masernimpfung ist sowieso in der Praxis angekommen. Die Pandemie hat viele unserer Patientinnen für Impfungen sensibilisiert und wir warten auf einen Corona-Impfstoff. Darauf müssen wir vorbereitet sein.

Die Autorin

Dipl.-Med. Dörte Meisel
Frauenarztpraxis Wettin
Großer Schweizerling 3
06193 Wettin-Löbejün, OT Wettin

info@frauenarztpraxis.info

[1] Rieck T et al., Bundesgesundheitsbl 2019; 62: 422–432
[2] RKI Epid Bull 2020; 3: 16

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