Entscheidende Risikofaktoren für die Progression einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD) stellen arterielle Hypertonie und Albuminurie dar. Aber auch die metabolische Azidose beeinflusst den Krankheitsverlauf ungünstig und führt vermehrt zu renalen Komplikationen und verschlechtert sogar die Prognose quoad vitam.
Die chronische Niereninsuffizienz ist eine häufige Erkrankung mit einer Prävalenz von 14 %. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung mit ernster Prognose, d. h., die Mortalitätsrate ist mehr als doppelt so hoch wie bei Nierengesunden (117,9 Todesfälle pro 1 000 Patientenjahre vs. 47,5 Todesfälle pro 1 000 Patientenjahre) [1].
Eine verbreitete Komplikation der CKD ist die metabolische Azidose, die infolge einer diätetischen und metabolischen Säureüberladung sowie einer verminderten Säureexkretion entsteht. Sie ist wiederum ein Prädiktor und Risikofaktor für eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion, kardiovaskuläre Ereignisse, Immunschwäche, Sarkopenie und Osteoporose und schließlich auch für ein tödliches Ereignis. Kurzum, die Azidose ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert. Observationsstudien zum Zusammenhang zwischen Azidose und renaler Ereignisrate hatten bisher keine konsistenten Ergebnisse geliefert.
Jetzt wurde erneut im Zuge einer großen Kohortenstudie mit longitudinaler Verlaufskontrolle bei mehr als 51 558 nicht dialysepflichtigen CKD-Patienten im Stadium 3–5 mit und ohne metabolische Azidose der Frage nachgegangen, welchen Einfluss eine metabolische Azidose auf die Progression der CKD und auch auf die Prognose quoad vitam hat. Als Grundlage für diese Studie dienten die Daten einer großen US-amerikanischen Datenbank. Das Follow-up betrug bis zu zehn Jahre (2007–2017), im Median 3,9 Jahre [2].
Als nicht azidotisch galt ein Serum-Bicarbonatspiegel von 22 bis 29 mmol/l, ein Wert zwischen 12 und < 22 mmol/l als Azidose. Der durchschnittliche Serum-Bicarbonatspiegel lag in der Azidose-Gruppe bei 19,7 mmol/l, in der Gruppe ohne Azidose bei 26,1 mmol/l. Bezüglich anderer Charakteristika wie Alter und geschätzte glomerulären Filtrationsrate (eGFR) zu Beginn waren beide Gruppen durchaus vergleichbar. Als primärer kombinierter Endpunkt wurde eine Abnahme der eGFR von ≥ 40 % oder die Einleitung einer Nierenersatztherapie (Dialyse oder Nierentransplantation) oder Tod jedweder Ursache innerhalb von zwei Jahren festgesetzt. Sekundäre Endpunkte waren die Einzelkomponenten des primären Endpunkts. Miteinander verglichen wurden nach Adjustierung die beiden Patientengruppen, also die mit und die ohne metabolische Azidose.
Die Auswertung ergab eine signifikant geringere Rate an renalen und fatalen tödlichen Ereignissen bei Patienten ohne Azidose im Vergleich zu Patienten mit Azidose. Ein renales bzw. tödliches Ereignis trat innerhalb von zwei Jahren in der Gruppe mit Azidose bei 48 % ein, im Vergleich zu nur 17 % bei Patienten ohne Azidose. Dies bedeutet ein dreifach erhöhtes Risiko. Der Benefit bei Patienten ohne Azidose war in allen CKD-Stadien gleichermaßen (Stadium 3a: 39 % vs. 12 %; Stadium 3b: 43 % vs. 16 %; Stadium 4: 59 % vs. 33 %; Stadium 5: 87 % vs. 82 %) nachweisbar, wobei die Inzidenz der Ereignisse in beiden Gruppen mit dem Ausmaß der renalen Insuffizienz korrelierte. Bei Patienten mit einem zehnjährigen Follow-up (etwa 30 000) betrug die Ereignisrate bei denen mit Azidose 74,1 % vs. 51,5 % bei Probanden ohne Azidose. Was den Verlust an Nierenfunktion (Abnahme der eGFR ≥ 40 %) betrifft, so wurde dies bei azidotischen Patienten in 10 % der Fälle im Vergleich zu 4 % bei Patienten ohne Azidose beobachtet. Dies entspricht einer Steigerung des Risikos des Nierenfunktionsverlusts bei Azidose um 20 %. Bei der Notwendigkeit für eine Nierenersatztherapie waren die Vergleichszahlen 20 % vs. 6 % (Dialyse 18 % vs. 5 %; Nierentransplantation 2,3 % vs. 0,8 %). Bei der Gesamtmortalität standen 31 % mit Azidose einer Rate von nur 10 % ohne Azidose gegenüber. Alle diese Ergebnisse waren statistisch signifikant (p < 0,001) (Abb.).
Bei der zehnjährigen Verlaufskontrolle zeigte sich für jeden Anstieg des Serum-Bicarbonats um 1 mmol/l beim primären kombinierten Endpunkt eine Risikoreduktion mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,926; beim zweijährigen Follow-up betrug die HR 0,873. Dies bedeutet nach entsprechender Adjustierung innerhalb von zwei Jahren eine Abnahme des Risikos von 13 % für den primären Endpunkt pro Anstieg des Bicarbonats um 1 mmol/l. Innerhalb von zehn Jahren wurde das Risiko um 7,4 % reduziert. Das Risiko für die Notwendigkeit einer Abnahme der eGFR um ≥ 40 % sank um 4,7 %, für die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie um 4,5 % und für ein tödliches Ereignis um 9,3 %.
Die Observationsstudie zeigt, dass bei CKD-Patienten eine Azidose ein zuverlässiger, unabhängiger und modifizierbarer Prädiktor und Risikofaktor nicht nur für eine renale Komplikation wie eine Verschlechterung der eGFR oder der Notwendigkeit für eine Nierenersatztherapie darstellt, sondern auch für ein tödliches Ereignis [2]. Daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit für eine konsequente Korrektur der Azidose mittels einer oralen Bicarbonat-Substitution, am besten mit einem Präparat mit magensaftresistenter Galenik.
1) United States Renal Data System, 2018 USRDS annual data report: Epidemiology of kidney disease in the United States. Bethesda: National Institutes of Health, National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases 2018
2) Tangri N et al., BMC Nephrology 2021; 22: 185