- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Azidoseausgleich verbessert Überlebenswahrscheinlichkeit bei chronischen Nierenerkrankungen

Bicarbonat verhindert Fortschreiten

Dr. med. Peter Stiefelhagen

23.9.2022

Bei älteren Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz sollte frühzeitig mit einer Bicarbonat- Supplementierung begonnen werden, nämlich dann, wenn der Bicarbonatspiegel im unteren Normbereich liegt. Anzustreben sind hochnormale Werte. Das zeigte eine Kohortenstudie mit 133 Probanden.

 Die chronische Niereninsuffizienz (CKD) ist mit einer Inzidenz von ca. 15 % keine seltene Erkrankung, ­wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt. Dies liegt auch daran, dass mit voranschreitendem Alter physiologischerweise die Nierenfunktion etwas abnimmt. Der Verlust an Nierenfunktion hat ab einer GFR von 40–50 ml/min/1,73 m2 eine gestörte Ausscheidung von Ammonium zur Folge, sprich, es entwickelt ­sich eine metabolische Azidose durch eine kompensatorische Retention von H+-Ionen. Die metabolische Azidose wiederum führt zu einer weiteren Verschlechterung der Nierenfunktion, wie Observationsstudien zeigen konnten. Dabei ergab sich eine umgekehrte Korrelation zwischen dem Bicarbonatspiegel und der Abnahme der GFR. Somit ist die Niere bei der metabolischen Azidose Opfer und Täter zugleich und es gilt, diesen Teufelskreis mittels einer Bicarbonat-Substitution zu durchbrechen. Die Ergebnisse von entsprechenden Interventionsstudien sprechen eindeutig dafür, dass mit einer Bicarbonat-Gabe die Progression der Niereninsuffizienz abgeschwächt werden kann. Während der untere Grenzwert für das Bicarbonat bei 27,4 mEq/l liegt, gibt es bisher keine Daten über den Zielwert, den man bei der Substitution anstreben sollte, um das Fortschreiten der CKD aufzuhalten. Dabei stellt sich die Frage, ob mehr auch mehr bringt, d. h., ob auch Patienten, deren Bicarbonatwerte im unteren Normal­bereich liegen, von einer Bicarbonat-Gabe profitieren können, also hochnormale Werte das Therapieziel sein sollten.

Dieser Frage ging eine retrospektive Kohortenstudie nach [1]. Eingeschlossen wurden 133 ältere Patienten mit einer CKD, wobei als häufigste Ursachen eine diabetische Nephropathie (33,6 %) und eine chronische Glomerulonephritis (62 %) vorlagen. Bei allen Patienten war der Bicarbonatwert bei wiederholten Messungen im Normbereich. Endpunkt der Studie war eine Abnahme der eGFR von 25 % oder mehr bzw. der Beginn einer Dialyse. Von den Studienteilnehmern waren 36,3 % weiblich und das Durchschnittsalter betrug 70,4 Jahre. Die mediane eGFR lag bei 25,7 ml/min/1,73 m2 und der Bicarbonatwert ­zwischen 23,4 mEq/l und 28,8 mEq/l. Verglichen wurde eine Gruppe mit einem medianen Bicarbonatspiegel von 23,4 mEq/l (28 Patienten) mit einer Kontrollgruppe (85 Patienten), die einen medianen Bicarbonatspiegel von 28,8 mEq/l aufwies, wobei die Baseline-Charakteristika durchaus vergleichbar waren. Doch in der Gruppe mit niedrigem Bicarbonatspiegel war die eGFR niedriger (15,1 vs. 29,1 ml/min/1,73 m2) sowie der Kaliumwert höher und die Proteinurie war stärker.

Risikoreduktion bei höheren Bicarbonatspiegeln

Innerhalb von zwei Jahren zeigten 40,7 % der Patien­ten eine Abnahme der eGFR um mindestens 25 %. Bei niedrigem Bicarbonatspiegel waren es 67,9 % vs. 31,8 % in der Kontrollguppe. Von den Patienten wurden 10,9 % dialysepflichtig; betroffen waren 21,4 % in der Gruppe mit niedrigem Bicarbonat, aber nur 4,7 % in der Kontrollgruppe mit hohen Bicarbonatwerten. Auch bei der Proteinurie schnitt die Gruppe mit den nied­rigen Bicarbonatwerten deutlich schlechter ab (1,25 vs. 0,83 g/Tag im 24-Stunden-Urin). Kein Patient war verstorben.

Zusammenfassend ergab sich bei diesem älteren Studienkollektiv ein deutlich höheres Risiko für eine Progression der CKD bei einem Bicarbonatwert im unteren Normbereich im Vergleich zu den Patienten der Kontrollgruppe mit einem hohen Wert von 28,8 mEq/l. Nach entsprechender Adjustierung betrug die HR 3,511. Schon ein um 1 mEq/l höherer Bicarbonatspiegel verringerte das Risiko für eine Progression um 18 %. Insgesamt erwies sich ein niedriger Bicarbonatspiegel als ein unabhängiger Risikofaktor für die Progression der CKD. Es spricht einiges dafür, dass bei 28,8 mEq/l das Ende der Fahnenstange bei der empfohlenen Bicarbonat-Substitution noch nicht erreicht ist. In weiteren Studien sollte geklärt werden, wo der optimale Zielbereich für das Serum-Bicarbonat liegt.

Diese Studie zeigt, dass bei älteren Patienten mit einer CKD der Serum-Bicarbonatspiegel einen unabhängigen Risikofaktor für eine Progression der CKD darstellt, auch wenn der Wert noch im Normbereich liegt. Somit dürfte es im Hinblick auf den Erhalt der Nierenfunktion vorteilhaft sein, mit einer Substitution frühzeitig zu beginnen und hochnormale Bicarbonatspiegel anzustreben.

Kanda E et al., BMC Nephrology 2013; 14: 4

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt