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Gynäkologie

Sexuell übertragbare Infektionen

STI in der gynäkologischen Praxis

Prof. Dr. med. Achim Rody

Gynäkologische Infektionen werden häufig sexuell übertragen und verlaufen zunächst asymptomatisch. Da sie unbehandelt jedoch zu schwerwiegenden Komplikationen führen können, sollten Beratung und Diagnostik zu diesem Thema in jeder gynäkologischen Praxis ihren festen Platz haben.

STIs sind sexuell übertragbare Infektionen. Früher hießen sie in Deutschland Geschlechtskrankheiten, heute ist international STI üblich, sexually transmitted infections. Welche Krankheiten das betrifft, ist in der Bevölkerung kaum bekannt. Im Rahmen einer Befragung durch die Bundeszentrale für gesund­heitliche Aufklärung (BZgA) ordnete zwar 99 % der Befragten HIV in diese Kategorie ein und immerhin rund die Hälfte Gonorrhoe und Syphilis, bei anderen Erregern hört das Wissen dann aber schnell auf (Abb. S. 9). Dabei zählen Chlamydien und humane Papillom­viren (HPV) zu den am häufigsten sexuell übertragenen Erregern in Deutschland. Potenzielle Langzeitfolgen können hier u. a. ein Zervixkarzinom oder Infertilität sein, in der Schwangerschaft sind negative Folgen für den Fetus möglich. STIs betreffen alle Bevölkerungsgruppen, die aktuelle epidemiologische Lage wird vom RKI regelmäßig publiziert.[1]

Beratung

STIs sollten frühzeitig erkannt werden, um gesundheitlichen Schaden abzuwenden und um die Infektion ggf. weiterer Sexualpartner zu verhindern. Zu diesem Zweck wurde das Chlamydien-Screeningprogramm eingeführt,[2] das Programm für Zervixkarzinom-Früherkennung wird aktuell gerade neu aufgestellt. Die Inzidenz vom Zervixkarzinom konnte schon durch den PAP-Abstrich deutlich gesenkt werden. Viele Frauen, die heute am Zervixkarzinom erkranken, haben nicht am Screeningprogramm teilgenommen.[3] Da STIs häufig verdeckt ablaufen, sollte die Beratung den individuellen Beratungsbedarf von Rat­suchenden ermitteln und deren individuelle und soziale Ressourcen berücksichtigen. Regelmäßig können in der Praxis folgende Anlässe genutzt werden, um mit der Patientin eine STI-Beratung durchzuführen:

• Die Patientin möchte Symptome abklären, die im Zusammenhang mit einem möglichen Risiko stehen.
• Eine symptomlose Patientin möchte eine mög­liche Risikosituation abklären.
• Eine Patientin gehört einem Netzwerk mit bekannter erhöhter STI-Prävalenz an.

Ziel ist es dabei zu versuchen, das individuelle Risiko einer Patientin für eine Infektion abzuschätzen. Auch in Situationen ohne spezifischen Anlass (z. B. Schwangerschaftsabbruch, Verschreibung von Kon­trazeptiva) können Patientinnen auf STIs und deren Prävention angesprochen und ggf. eine Diagnostik veranlasst werden.

Die STI-Beratung schließt auch die Sexualanamnese mit ein. Um von den Frauen ehrliche Antworten zu erhalten, sollte der Hintergrund der teils sehr intimen Fragen erläutert werden. Die S2k-Leitlinie „STI – Beratung, Diagnostik und Therapie“ geht ausführlich auf diese Beratungssituation ein. Die aktuelle Version befindet sich zum Zeitpunkt der Drucklegung gerade in der finalen Abstimmungsphase. In Abhängigkeit vom individuellen Risiko können nach Beratung gezielte Screening-Untersuchungen vorgenommen werden. Frauen mit häufig wechselnden heterosexuellen Kontakten sollte die HIV-, Chlamydien- und Gonorrhoediagnostik sowie Hepatitis-A- und -B- je nach Impfstatus angeboten werden. Eine Hepatitis-C-Diagnostik ist vor allem bei Kontakten ins Drogenmilieu sinnvoll. Die weitere erregerspezifische gezielte Diagnostik erfolgt je nach klinischem Bild und Symptomen.

Herpes genitalis

Herpes genitalis wird durch Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) und dem Herpes-simplex-Virus 2 (HSV-2) verursacht. Bei den meisten Personen verläuft die HSV-Infektion subklinisch. Sollten doch Symptome auftreten, äußern sie sich als Ulkus oder entzündetes Hautbläschen. Diese Läsionen treten am häufigsten im Intimbereich sowie an den Lippen auf, die Bläschenflüssigkeit ist dabei hoch infektiös.[4] Mögliche lokale Symp­tome sind neben stärksten Schmerzen unter anderem Dysurie, vaginaler und urethraler Ausfluss sowie inguinale Lymphadenitis. Nachdem die Primärläsionen abgeheilt sind, persistiert das Virus lebenslänglich in der Zelle und kann zur erneuten Erkrankung führen.

„ Auch in Situationen ohne spezifischen Anlass können Patientinnen auf STIs und deren Prävention angesprochen werden.”

HSV-Infektionen in der Schwangerschaft bedeuten eine erhebliche Gefährdung für das Kind. Besonders gefürchtet sind die Herpesenzephalitis sowie die disseminierte HSV-Infektion mit einem möglichen Multiorganversagen. Um insbesondere perinatale HSV-Infektionen zu vermeiden, wird bei Frauen mit akutem Herpes genitalis oder typischen Frühsymptomen eine Sectio empfohlen.

Die antivirale Therapie erfolgt systemisch mit Aciclovir, Famciclovir oder Valaciclovir. Nur bei leichten Verlaufsformen außerhalb der Schwangerschaft ist die topische Therapie ausreichend. Spontan entbinden dürfen Frauen unter Aciclovir-Prophylaxe ab der 36. SSW im Falle von rezidivierenden HSV-Infektionen sowie länger zurückliegender (vor 28. SSW) Primärinfektion.[5] Da Aciclovir zur Behandlung während einer Schwangerschaft keine Zulassung hat, ist eine Off-Label-Use-Aufklärung notwendig.

Syphilis

Die nahezu ausschließlich sexuell übertragene, durch Treponema pallidum verursachte Erkrankung verläuft in mehreren Stadien.[6] Sie kann direkt durch einen Erregernachweis oder über serologische Tests im Rahmen eines Stufentests diagnostiziert werden. Die Durchführung eines Lues-Suchtests in der Schwangerschaft gehört zum Standardscreening nach den Mutterschaftsrichtlinien. Bei einer Syphilis in der Schwangerschaft ist eine vertikale Übertragung ab dem 2. Trimenon möglich, dank der Screeninguntersuchung im Rahmen der Schwangerenvorsorge aber sehr selten.[7] Therapiert wird die Syphilis mit Benzathin-Benzyl­penicillin, als Alternativen stehen bei Allergie Ceftriaxon, Doxycyclin (Cave: nicht bei Schwangeren) sowie Erythromycin zur Verfügung.[8] Die Mitbehandlung der Sexualpartner sollte die Untersuchung und ggf. Mitbehandlung aller infrage kommender Personen ab drei Monaten vor der Erkrankung umfassen.[9]

Urethritis, Zervizitis, Vaginitis und bakterielle Vaginose

Infektionen der Urethra, der Zervix und Vagina können isoliert oder in Kombination auftreten. Mögliche Symptome sowie die Verursacher können daher ähnlich sein. Typische Symptome der Urethritis sind Dysurie, eitriger oder schleimig-eitriger Ausfluss sowie Juckreiz, Hauptverursacher sind Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis, sowie Mycoplasma genitalium, Trichomonas vaginalis und Ureaplasma urealyticum.

Die typische Zervizitis ist asymptomatisch. Indizien, die auf eine Zervizitis hindeuten, sind eitrig oder schleimig-eitriger Ausfluss, Leukorrhoe sowie erhöhte Vulnerabilität der Zervix bzw. der Endozervix. Hauptverursacher sind auch hier N. gonorrhoeae und C. trachomatis. Bei Abstrichen sollte deshalb explizit auf diese beiden Erreger getestet werden. Wenn Mykoplasmen, Ureaplasmen und andere Anaerobier die physiologische Vaginalflora verdrängen, spricht man von bakterieller Vaginose.4 Zur klinischen Diagnosestellung müssen mindestens drei der unten aufgeführten klinischen Zeichen vorhanden sein[10]:

• Fischgeruch des Fluors vor oder nach Hinzufügen von 10 % Kaliumhydroxidlösung,
• „clue cells“, vaginale Epithelzellen, welche mit einem Bakterienrasen überzogen sind,
• vaginaler pH-Wert > 4,5,
• dünner, gleichmäßig an den Scheidenwänden verteilter vaginaler Ausfluss.

Die bakterielle Vaginose kann eine Vaginitis auslösen. Weitere, häufige Auslöser sind Trichomonaden und eine Candidainfektion.[8,11] Die Candidainfektion zählt nicht zu den STIs, mehr dazu lesen Sie im Beitrag ab Seite 12. Bei Befall mit Trichomonaden ist die Partnerbehandlung dringend notwendig. Die bakterielle Vaginose in der Schwangerschaft ist ein Risikofaktor für Frühgeburtlichkeit und muss daher nur in der Schwangerschaft und außerhalb der Schwangerschaft bei Symptomen behandelt werden.[11] Eine Mitbehandlung des Partners ist nicht notwendig. Die Behandlung erfolgt mit Metronidazol oder Clindamycin oral oder als Vaginalcreme. Aufgrund eines möglicherweise erhöhten Abortrisikos bei Einnahme von Metronidazol und Clindamycin in der Frühschwangerschaft sollte eine bakterielle Vaginose vor der 20. SSW mit Clindamycin-Vaginalcreme oder Dequaliniumchlorid-Vaginaltabletten behandelt werden. Um die Rezidivquote nach der Therapie einer bakteriellen Vaginose zu reduzieren, kann eine Substitution mit Lactobakterien über mehrere Wochen erfolgen.[12]

HPV

Die höchste Prävalenz bezüglich einer Infektion mit humanen Papilllomviren (HPV) liegt bei Frauen im Alter von 25 Jahren,[13] Infektionen mit HPV werden in low-risk und high-risk eingeteilt. Eine Spontanheilung sowie eine Reinfektion mit HPV sind möglich. Während Infektionen mit Low-risk-HPV (z. B. Serotypen 6 und 11) Condylomata acuminata verursachen, können persistierende High-risk-HPV-Infektionen zu Dysplasien und verschiedenen Malignomen führen.[9] Bei ungefähr 70 % der Patientinnen ist das Platten­epithelkarzinom der Zervix mit den High-risk-HPV-Serotypen 16 und 18 assoziiert.[14] Gegen diese und verschiedene andere HPV sind verschiedene Impfstoffe als Primärprophylaxe auf dem Markt. Zur frühzeitigen Erkennung von Zervixdysplasien bzw. Karzinomen werden regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen empfohlen. Die weitere Therapie erfolgt dann leitliniengerecht. Genitalwarzen können topisch u. a. mit Imiquimod oder Podophyllotoxin oder chirurgisch, destruierend mittels Trichloressigsäure, Kryotherapie, Lasertherapie oder Kürettage behandelt werden.[15] Der auf dem Markt verfügbare Neunfachimpfstoff Gardasil 9 (gegen HPV 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58) ist zugelassen und zwar nicht nur bei Mädchen im Alter zwischen 9 und 13 Jahren, sondern auch bei Jungen. Die Impfrate in Deutschland lässt allerdings noch zu wünschen übrig.

HIV

Die HIV-Infektion äußert sich in 50–90 % der Fälle innerhalb von drei bis vier Wochen mit Symptomen, die einer Grippe ähneln können und von kurzer Krankheitsdauer sind.[9] Das Risiko für eine Frau, sich durch einen ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr mit einem infektiösen Partner mit HIV zu infizieren, liegt bei 0,08 %.[16] Allerdings gibt es verschiedene Kofaktoren, die zu einer Erhöhung des Infektionsrisikos führen. Diese sind insbesondere sowohl eine hohe Viruslast (VL) als auch Erkrankungen, die mit genitalen Ulzerationen einhergehen und damit einen Viruseintritt begünstigen können.[17] Verschiedene Maßnahmen können das HIV-Übertragungsrisiko reduzieren: Kondome (85 % Risikoreduktion) oder antiretrovirale Therapie (96 % Risikoreduktion).[9] Sollte ungeschützter Sexualkontakt stattgefunden haben, so kann je nach Gegebenheit eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) indiziert sein. Die antiretrovirale Kombinationstherapie zeigt auch bei Schwangeren mit bekannter HIV-Infektion eine deutliche Reduktion der Mutter-Kind-Transmissionsrate. In Europa lag vor Einführung der antiretroviralen Therapie das Übertragungsrisiko auf das Kind einer nicht stillenden Mutter bei 15–25 %,[18] durch die Kombinationstherapie liegt es nun < 1 %.[19] Der Entbindungsmodus bei HIV-infizierten Schwangeren stellte bis vor einigen Jahren noch die Schnittentbindung am wehenlosen Uterus dar. Mittlerweile dürfen auch Schwangere mit negativer Viruslast spontan entbunden werden. Nach wie vor sollte das Stillen jedoch nicht empfohlen werden, allerdings gibt es auch hier zunehmende Evidenz, dass dies bei fehlender Viruslast möglich erscheint.

FAZIT

STIs sollten frühzeitig erkannt werden, um gesundheitlichen Schaden abzuwenden und um die Infektion ggf. weiterer Sexualpartner zu verhindern. Da STIs häufig verdeckt ablaufen, sollte die Beratung immer den individuellen Beratungsbedarf von Ratsuchenden ermitteln. Die Beratung schließt auch die Sexualanamnese mit ein. Um von den Frauen ehrliche Antworten zu erhalten, sollte der Hintergrund der teils sehr intimen Fragen erläutert werden.

Die meisten Infektionen sind gut therapierbar und nur wenige Erreger sind für die Frau gefährlich. Anders ist die Situation in der Schwangerschaft, wo viele Erreger potenziell das Kind bedrohen. Dabei reichen die potenziellen Schäden von der leichten Infektion über geringe und schwere Fehlbildungen, zerebrale Retardierung, chronische Infektionen bis hin zur Totgeburt.

Der Autor

Prof. Dr. med. Achim Rody
Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein
Ratzeburger Allee 160, Haus 40
23538 Lübeck

achim.rody@uksh.de

[1] Bremer V et al., Bundesgesundheitsbl 2017; 60: 948–957
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[7] Robert-Koch-Institut 2016; www.rki.de/DE/Content/lnfekt/EpidBull/Archiv/2016/Ausgaben/50_16.pdf
[8] Boesecke CBN et al., 2014; dstig.de/images/DSTIG-Flyer/Leitfaden/sti-leitfaden_version%202.1 _web.pdf
[9] Wagenlehner FM et al., Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 11–22
[10] Amsel R et al., Am J Med 1983; 74: 14–22
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[19] Gingelmaier A et al., Geburtshilfe Frauenheilkd 2005; 65: 1058–1063

Bildnachweis: luismmolina, YuLi4ka  (iStockphoto)

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