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Gynäkologie

Präimplantationsdiagnostik

Gesetzeslage und Vorgehen in der Praxis

PD Dr. med. Dolores Foth

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) war lange ethisch und politisch umstritten, da sie grundlegende Fragen nach dem Wert sich entwickelnden Lebens aufwirft. Seit 2014 ist eine legale Durchführung der PID möglich und in der Zwischenzeit gibt es ausreichende praktische Erfahrung. Wir beleuchten Gesetzeslage und Vorgehen in der Praxis.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) war in Deutschland bis 2010 durch das Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG) verboten und bedrohte „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe ..., wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt.“

Ein Blick zurück ...

Deutschland gehört zu den Ländern der EU, in denen die PID spät zugelassen wurde. Noch jünger sind die Regelungen nur in der Schweiz und in Österreich. In Großbritannien und den Niederlanden wurde das Verfahren bereits in den 1990er-Jahren entwickelt und dort entsprechend früh auch rechtlich geregelt. Die PID wird in manchen Ländern (z. B. Italien) besonders restriktiv, in anderen dagegen viel liberaler gehandhabt (z. B. Belgien, Spanien, Tschechien).

Im März 2011 legte der Deutscher Ethikrat eine Stellungnahme zur PID vor, welche den Sachstand und die Argumente von Befürwortern und Gegnern einer Zulassung der PID zusammenfasste. Dreizehn Mitglieder des Ethikrates beurteilten die PID unter bestimmten Einschränkungen für ethisch gerechtfertigt, weil sie einen Weg eröffnet, einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik gemäß medizinischer Indikation zu vermeiden, und auch Paaren eine Chance auf Hilfe bietet, die aus genetischen Gründen wiederholte Fehl- oder Totgeburten erlebt haben. In beiden Fällen sprechen gewichtige Gründe des Gesundheitsschutzes der Frau für die Zulassung der PID. Elf Mitglieder des Ethikrates vertraten die Auffassung, dass die Durchführung der PID ethisch nicht gerechtfertigt ist und verboten werden sollte. Schließlich entschied der Deutsche Bundestag am 7. Juli 2011 über den künftigen Umgang mit der PID und stellte fest, dass die PID in Deutschland eingeschränkt erlaubt wird.

Anpassungen im Embryonenschutzgesetz

Das Embryonenschutzgesetz wurde durch Einfügen eines neuen Paragrafen (§ 3a) geändert: Dieser § 3a beinhaltet folgende Regelungen (Auszug):

(1) Wer Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer genetisch untersucht (Präimplantationsdiagnostik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Besteht auf Grund der genetischen Disposition der Eltern oder eines Elternteiles für deren Nachkommen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig, wer zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik einen Embryo in vitro vor dem intrauterinen Transfer auf die Gefahr dieser Krankheit untersucht. Nicht rechtswidrig handelt auch, wer eine Präimplantationsdiagnostik zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vornimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

(3) Eine Präimplantationsdiagnostik nach Absatz 2 darf nur nach einer medizinischen und psychosozialen Beratung und schriftlichen Einwilligung der Mutter von fachlich geschulten Ärzten nach einem positiven Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommission und in für die Präimplantationsdiagnostik lizenzierten Zentren vorgenommen werden. Die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen werden in einer Zentralstelle dokumentiert.

Sonderfall Polkörperdiagnostik

Die Polkörperdiagnostik (PKD) fällt nicht unter das ESchG. Bei der PKD erfolgt die genetische Untersuchung vor Abschluss der Befruchtung. Die Polkörperdiagnostik ist die früheste Form einer genetischen Testung vor der Implantation. Sie fällt nicht unter die gesetzlichen Rahmenbedingungen der PID. Mögliche Indikationen für eine PKD sind z. B. alle Situationen, in denen die Frau allein Überträgerin einer monogenen Erbkrankheit ist.

Seit 1. Februar 2014 ist auf Basis der Verordnung zur Regelung der Präimplan­­­t­a­tions­diagnostik eine legale Durchführung der PID möglich.

Präimplantationsdiagnostikverordnung – PIDV

Die PIDV und gesetzliche Regelungen auf Landesebene bestimmen die institutionellen Rahmenbedingungen für die PID. Zuständig sind die jeweiligen Landesbehörden (meist die Ärztekammern, zum Teil Ministerien). Vom Gesetz besteht kein Anspruch auf Zulassung zur PID. Die Zusammensetzung und der Prüfauftrag der Kommissionen sind in der PIDV geregelt.

Die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen haben Ausführungsgesetze bzw. einen Staatsvertrag verabschiedet, um die institutionelle Anbindung und die Rahmenbedingungen für die PID-Ethikkommissionen festzulegen. Dazu gehören die Kostenregelung für die Entscheidung der PID-Ethikkommission zum Antrag der Frau.

Die PID-Zentren werden meist durch die für Gesundheit zuständigen Landesministerien zugelassen. In Berlin ist eine nachgeordnete Behörde, in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen sind die Landesärztekammern für die Zulassung der Zentren zuständig. Mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, dessen Gesetz die Möglichkeit der Begrenzung auf ein Zentrum vorsieht (§ 2 Präimplantationsdiagnostikgesetz NRW), wird die Anzahl der Zentren in den Bundesländern nicht begrenzt.

Einige Bundesländer haben sich für gemeinsame PID-Ethikkommissionen entschieden. Es gibt aktuell folgende PID-Ethikkommissionen:

• Nord: Hamburg, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein

• Süd: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Hessen, Sachsen, Thüringen

• Bayern

• Berlin

• Nordrhein-Westfalen

Prüfauftrag der PID-Ethikkommissionen

Die PID-Ethikkommission besteht aus acht Mitgliedern und setzt sich zusammen aus vier ärztlichen Vertretern verschiedener medizinischer Disziplinen, einem Sachverständigen für Ethik, einem Sachverständigen für Recht, einem Vertreter für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und einem Vertreter der Selbsthilfe der Menschen mit Behinderungen.

Jeder Antrag wird auf die medizinische Indikation gemäß ESchG geprüft (s. o.). Neben der medizinischen Indikation werden die für den konkreten Einzelfall maßgeblichen psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte berücksichtigt (§ 6 Abs. 4 PIDV). Ein Antrag kann nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder bewilligt werden. Die Entscheidung wird der Antragstellerin nach spätestens drei Monaten schriftlich mitgeteilt.

Die verschiedenen PID-Ethikkommissionen beurteilen einzelne Indikationen zum Teil unterschiedlich, auch dieselbe Kommission kann bei gleicher Indikation zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Die Unterschiede in der Bewertungspraxis verdeutlichen die individuelle Bewertung jedes Antrags. Es gibt in Deutschland keine „Liste“ für Erkrankungen mit zu erwartendem positivem Votum.

In der PIDV wird außerdem eindeutig klargestellt, dass die Altersindikation allein nicht als Begründung für eine PID herangezogen werden kann.

Die Gebührenordnungen sehen einen Kostenrahmen von 100 bis 5.000 Euro vor. Die bayerische PID-Ethikkommission erhebt eine Gebühr von 300 Euro, die PID-Ethikkommission bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg und die PID-Ethikkommission Nord in der Regel jeweils 1.500 Euro, in Ausnahmefällen auch 3.000 Euro. Die Rahmengebühr bei der Ärztekammer Nordrhein liegt je nach Aufwand zwischen 1.300 Euro und 3.000 Euro. Die Antragstellung erfolgt durch die Frau.

PID in der Praxis

Das Interesse an PID ergibt sich bei Paaren aufgrund bekannter genetischer Vorbefunde beim betroffenen Paar, der Familie oder bei bereits betroffenen Schwangerschaften aufgrund von genetischen Befunden bei Frau oder Mann. Das Gespräch zur PID umfasst die humangenetische, reproduktionsmedizinische und psychosoziale Beratung.

Als erster Schritt erfolgt die humangenetische Beratung am PID-Zentrum. Im Gespräch werden neben der PID die Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik im Allgemeinen und die speziellen Möglichkeiten in Abhängigkeit vom bereits vorliegenden genetischen Befund besprochen. Je nachdem welche Befunde vorliegen, muss gegebenenfalls eine erneute genetische Untersuchung in Erwägung gezogen werden. Dies geschieht im Regelfall im Labor, das die spätere PID durchführen würde. Indikationen für eine PID sind u. a. monogene Erkrankungen und reziproke Translokationen (balancierte Chromosomenveränderungen) bei einem Partner.

Im zweiten Schritt erfolgt die reproduktionsmedizinische Beratung des Paares. Für die PID ist die Durchführung einer ICSI-Therapie auch ohne vorhandene andere medizinische Indikation für eine ICSI-Therapie notwendig. Die Abläufe, Risiken, Erfolgschancen und Kosten der ICSI-Therapie werden erläutert und die medizinischen Voraussetzungen für die Durchführung der ICSI-Therapie überprüft. Diese beinhalten bei der Frau die gynäkologische Untersuchung einschließlich des vaginalen Ultraschalls, der Bestimmung des Anti-Müller-Hormons und weiterer endokrinologischer Befunde je nach individueller Situation. Beim Mann wird ein Spermiogramm erstellt. Von beiden Partnern sind Untersuchungen auf Hepatitis B, C und HIV vorgeschrieben. Die psychosoziale Beratung sollte durch eine Ärztin/einen Arzt durchgeführt werden, die der nicht selbst an der Durchführung der PID beteiligt ist. Die Antragstellung an die Ethikkommission erfolgt bei bestehenden Voraussetzungen durch die Frau selbst. Bei positivem Votum der Ethikkommission kann eine PID durchgeführt werden.

Unterschiedliche Verfahren

Das genetische Verfahren für die geplante PID muss vor Stimulationsstart etabliert werden. Für die Etablierung der PID werden Blut- oder DNA-Proben des Paares und je nach Fragestellung von weiteren Familienangehörigen, etwa einem betroffenen Kind oder den Eltern des Paares, benötigt.

Die Verfahren der genetischen Untersuchung unterscheiden sich nach dem Ziel der PID. Für die Untersuchung auf eine bestimmte monogene Erkrankung wird nach der Amplifikation der relevanten Genabschnitte entweder ein direkter Nachweis der betreffenden Mutation durchgeführt oder es wird ein indirekter Nachweis mithilfe von Mikrosatellitenmarkern angestrebt. Das Verfahren muss individuell etabliert werden und kann zeitlich einige Monate benötigen. Für die Untersuchung auf Translokationen kommt das Verfahren der mikroarraybasierten komparativen genomischen Hybridisierung (aCGH) zum Einsatz. Die Next Generation Sequencing (NGS)-Technologie und das Karyomapping gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Nach Vorliegen der genetischen Etablierung der PID startet die kontrollierte ovarielle Überstimulation zur Eizellentnahme durch vaginale Punktion. Für eine PID erfolgt die ovarielle Stimulation hoch dosiert im Antagonistenprotokoll. Ziel der ovariellen Stimulationsbehandlung ist die Gewinnung möglichst vieler Eizellen, bei Vermeidung eines ovariellen Überstimulationssyndroms. Bei hohem Risiko für ein ovarielles Überstimulationssyndrom erfolgt die Induktion der finalen Eizellreifung ohne Einsatz von humanem Choriongonadotropin (hCG) – GnRH-Trigger, sodass die Mechanismen der Überstimulation nicht ausgelöst werden können. Im Labor wird die Spermieninjektion durchgeführt. Für eine PID werden alle Vorkernstadien zu Blastozysten weiterkultiviert. Durchschnittlich ist, je nach Alter der Frau, mit der Entwicklung von zwei bis drei Blastozysten aus zehn gewonnenen Oozyten zu rechnen.

Am Tag drei der embryonalen Entwicklung wird die Zona pellucida des Embryos an einer Stelle mit einem Laser perforiert (Hatching). Im Blastozystenstadium kommt es zur Hernienbildung von Trophektodermzellen und die Trophektodermbiopsie kann an Tag fünf der embryonalen Entwicklung im Blastozystenstadium durchgeführt werden. Das Trophektoderm besitzt den gleichen Chromosomensatz und trägt nicht zur Entwicklung des eigentlichen Embryos bei, sodass keine Störung der embryonalen Entwicklung zu erwarten ist.

Die Blastozysten selbst werden nach erfolgter Biopsie durch Vitrifikation kryokonserviert. Voraussetzung für eine erfolgreiche PID sind optimal funktionierende Kryokonservierungsverfahren. Heutige Verfahren der Kryokonservierung, insbesondere die Vitrifikation, ermöglichen eine effektive Lagerung und sehr gute Auftauraten (> 90 %). An den gewonnenen Zellen wird die vorher etablierte genetische Analyse durchgeführt. Nach Erhalt der Ergebnisse der PID wird mit dem Paar von humangenetischer Seite besprochen, welche Blastozyten für den Transfer empfohlen werden können. Nach der PID wird in der Mehrheit eine Blastozyste transferiert. Im Aufklärungsgespräch vor der PID werden dem Paar mögliche Probleme und Situationen bei der ICSI und PID erläutert:

• fehlende Entwicklung von Blastozysten

• fehlende DNA in der Trophektodermbiopsie

• alle Blastozysten sind betroffen – es kann kein Transfer empfohlen werden

• Nachweis eines Mosaiks bei der PID mit unklarer klinischer Relevanz (ca. 2,5 %)

Die Wahrscheinlichkeit für eine Lebendgeburt pro PID-Behandlungszyklus liegt bei rund 20–30 %.

Erfahrungen in Deutschland

Da die PID-Praxis in Deutschland noch sehr jung ist, liegen kaum aussagekräftige Zahlen vor. Anhand von Veröffentlichungen einzelner PID-Ethikkommissionen sowie von Presseberichten kann für 2018 von unter 350 Anträgen bei den PID-Ethikkommissionen ausgegangen werden, von denen etwa 90 % bewilligt wurden. Genaue Daten zur Durchführung der PID werden jährlich durch das Paul-Ehrlich-Institut erhoben, allerdings nur alle vier Jahre ausgewertet und veröffentlicht.

Die Kosten der PID haben die Paare selbst zu tragen. Das Bundessozialgericht hat die PID als nicht zu den Krankenbehandlungen im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung zählend und auch nicht unter die Leistungspflicht im Zuge der künstlichen Befruchtung fallend bewertet. Daher werden die Kosten nicht erstattet, lediglich eine Teilerstattung ist möglich, wenn zur Indikation einer PID auch eine Fertilitätsstörung hinzukommt. Die Paare müssen für eine PID die Kosten für die Biopsie und die genetische Etablierung/Untersuchung, die ICSI-Therapie, die Kryokonservierung und die Gebühren für die PID-Ethikkommission zahlen. Die Kosten für eine PID belaufen sich insgesamt auf ca. 10.000 Euro. Zusätzlich fallen die Kosten für die genetische Etablierung an.

Die PID-Zentren führen deutlich mehr Beratungen interessierter Paare durch, als Anträge auf PID bei den Ethikkommissionen eingereicht werden. Mögliche Faktoren für die Entscheidung eines Paares, eine PID nach anfänglichem Interesse nicht weiter zu verfolgen, sind die Kosten der PID, das Prüfungsverfahren der PID-Ethikkommission und die Ungewissheit des Erfolgs in Anbetracht des Aufwands.

Die Autorin

PD Dr. med. Dolores Foth
MVZ PAN Institut GmbH
Interdisziplinäres Kinderwunschzentrum
Zeppelinstr. 1 | 50667 Köln

d.foth@pan-klinik.de
www.mvz-pan-institut.de

Literatur bei der Autorin

Bildnachweis: AlexeyBlogoodf (iStockphoto); privat

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