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Allgemeinmedizin

Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung

COPD - neue Versorgungsleitlinie zu Diagnostik und Therapie

Prof. Dr. med. Heinrich Worth

In den aktualisierten Modulen der Nationalen VersorgungsLeitlinie COPD gibt es Neues in der Diagnostik und Therapie. Die Behandlung erfolgt individuell und setzt sich aus nicht medikamentösen Maßnahmen und Medikamenten wie Bronchodilatatoren einzeln oder in Kombination zusammen.

Im Juni 2021 wurden erste Module der neuen Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) unter Redaktionsleitung durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin veröffentlicht. Abgelöst wird hierdurch die 1. Auflage der NVL COPD aus dem Jahre 2006 mit redaktioneller Überarbeitung im Jahre 2012. Die Teilpublikation beinhaltet die Kapitel

  • Definition und Epidemiologie
  • Diagnostik und Monitoring
  • Tabakentwöhnung
  • nicht medikamentöse Therapie
  • medikamentöse Therapie
  • medizinische Rehabilitation
  • Versorgungskoordination

Zu den noch ausstehenden Themen gehören: akute Exazerbation, operative und interventionelle Verfahren, Palliativmedizinische Versorgung, Komorbiditäten und Arzt-Patienten-Kommunikation.


Neu gefasste Definition

In der aktuellen NVL wird die COPD als chronische, in der Regel progrediente Atemwegs- und Lungenkrankheit gekennzeichnet, die auch durch Gabe von Bronchodilatatoren eine nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion ist. Sie geht einher mit einer chronisch-obstruktiven Bronchitis und/oder einem Lungenemphysem. Bei Patienten mit Entwicklungsstörungen der Lunge oder schweren pulmonalen Infektionen in der Kindheit kann eine COPD auch ohne die Vorstufe einer chronischen Bronchitis und ohne deren Hauptrisikofaktor, das Tabakrauchen, auftreten. Dies impliziert auch, dass die Stigmatisierung vieler Patienten, an einer durch das Rauchen verursachten und damit selbst verschuldeten Krankheit zu leiden, zumindest teilweise entkräftet wird.


Aktuelle Diagnostik der COPD

Bei der Diagnostik der COPD soll entsprechend dem in Abb. 1 dargestellten Algorithmus vorgegangen werden. Die im Algorithmus aufgeführte Empfehlung zur vorrangigen Nutzung der LLN (Lower Limit of Normal) nach den GLI-Referenzwerten (Global Lung Initiative) beruht auf einer systematischen Recherche zur Über- bzw. Unterdiagnose der COPD. Die bisherige Nutzung des fixen Grenzwertes FEV1/FVC < 70 % nach Bronchodilatation führt dazu, dass im Vergleich zu den Patienten im Alter von 18 bis 85 Jahren gemessenen spirometrischen Daten (GLI-Werte) bei > 20 % der Teilnehmer bis zu einem Alter von 55 Jahren eine Atemwegsobstruktion unterdiagnostiziert wird, bei älteren Menschen wird diese in 16–23 % der Fälle hingegen überdiagnostiziert.

Daher kann der starre Grenzwert FEV1/FVC < 70 % nur bei fehlender Verfügbarkeit der GLI-Sollwerte zur Charakterisierung der Obstruktion herangezogen werden.

Anamnese

Eine ausführliche Anamnese ist wesentlicher Inhalt der initialen Diagnostik. Wichtige Bestandteile sind:

  • Exposition gegenüber Tabakrauch (aktiv, passiv, pack-years)
  • Beschwerden (Atemnot, Husten Auswurf)
  • Häufigkeit von Exazerbationen mit/ohne Krankenhausaufenthalt
  • Arbeitsplatzanamnese (Schadstoffexposition?)
  • Lungenkrankheiten in der Familienanamnese
  • Frühgeborene, Infekte in der Kindheit
  • Angaben zu Asthma, Allergien, anderen Lungen- sowie HNO-Erkrankungen
  • Komorbiditäten
  • B-Symptomatik
  • gegenwärtige Medikation
  • körperliche Aktivität

Strukturierte Symptomerfassung

Die Schwere der Symptomatik einer COPD soll strukturiert erfasst werden. Die in Tab. 1 angegebene Einteilung der Intensität von Atemnot, Husten und Auswurf in leicht, mittel- und schwergradig ist für die Auswahl der therapeutischen Maßnahmen bedeutsam. Ausschlaggebend für eine mögliche Therapieauswahl ist immer die Einordnung des Symptoms, welches am stärksten ausgeprägt und bewertet wurde – auch wenn zwei der anderen Hauptsymp­tome minder schwer abschneiden.

Der Stellenwert der Computertomografie(CT)-Untersuchung wurde an Hand der verfügbaren Literatur intensiv diskutiert. Es wird empfohlen, nur bei diagnostischen Diskrepanzen zwischen Lungenfunktion und Beschwerden oder nach klinischem Eindruck inadäquatem Therapieansprechen ein CT des Thorax durchzuführen.

Neben der unverändert bedeutsamen Differenzialdiagnose Asthma kommt für den Patienten mit COPD der Diagnostik von Komorbiditäten eine wachsende Bedeutung zu, zumal diese häufig die Prognose des Patienten bestimmen.

Häufige Komorbiditäten sind:

  • Tabakabhängigkeit
  • kardiovaskuläre Erkrankungen (arterielle Hypertonie, KHK, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, periphere arterielle Verschlusskrankheit)
  • metabolisches Syndrom/Diabetes mellitus
  • nächtliche Hypoxie, schlafbezogene Atem­störungen
  • Osteoporose
  • Lungenkarzinom
  • pulmonale Hypertonie
  • pulmonale Kachexie
  • Muskelschwäche
Tabakentwöhnung

In Deutschland ist die Hauptursache für COPD das Zigarettenrauchen. Somit kommt der Tabakentwöhnung bei der Therapie eine große Bedeutung zu. Entwöhnungsbereite Patienten erhalten eine kombinierte Behandlung mit Verhaltenstherapie und medikamentöser Entzugssyndrombehandlung. Zudem wurde bei der Initiierung der Tabakentwöhnung während eines akutstationären Aufenthaltes im Krankenhaus die Organisation einer nachfolgenden ambulanten Entwöhnungsbehandlung empfohlen (OPS 2020). Auch im Zuge der Rehabilitation sollte ein strukturiertes Entwöhnungsprogramm angeboten werden. Wegen der potenziellen Gesundheitsschädigung wurde der Einsatz der E-Zigarette zur Unterstützung der Tabakabstinenz auf die Patienten eingeschränkt, die bei dokumentiertem Versagen bzw. Ablehnung anderer evidenzbasierter Maßnahmen und bei gleichzeitiger Beendigung des Tabakkonsums, die ­E-Zigarette unter kontinuierlichem ärztlichem Monitoring zur Tabakentwöhnung nutzen wollen.


Nicht medikamentöse Therapie

Nicht medikamentöse Therapieoptionen werden in der Betreuung der COPD-Patienten zu selten genutzt. Daher wurden diese in der aktuellen NVL COPD der medikamentösen Behandlung vorangestellt.

Körperliches Training/körperliche Aktivität

Die COPD-Patienten sollen unabhängig vom Schwere­grad ihrer Erkrankung über die Relevanz und den Nutzen von körperlicher Aktivität und körperlichem Training, nämlich einer evidenzbasierten Steigerung der Lebensqualität und Besserung der Prognose, aufgeklärt werden. Hierzu sollen Lungensport in Gruppen verordnet, Rehasport verstärkt genutzt und eventuell auch ein häusliches Training bei den Patienten organisiert werden, die krankheits- oder pandemie­bedingt nicht mehr in Gruppen trainieren können.

Strukturierte Patientenschulung

Durch den Eintritt in das DMP (Disease Management Programm) COPD wird Betroffenen eine strukturierte Patientenschulung, z. B. mit dem COBRA-Programm, ermöglicht. Diese Therapieoption wird jedoch von maximal 50 % der Patienten genutzt. Mit einer strukturierten Schulung konnte eine erhebliche Reduktion von Exazerbationen und eine Steigerung der Lebensqualität erreicht werden. Dies gelang durch das Erlernen der Selbstkontrolle der Erkrankung, die Anpassung der Medikation an die jeweilige Symptomatik durch den Betroffenen selbst und eine optimierte Inhalationstechnik. Unterstützt durch Aktionspläne, die individuell auf den Betroffenen zugeschnitten sind, ist der geschulte Patient in der Lage, Exazerbationen frühzeitig entgegenzuwirken. Das hilft Ängste bei akuter Atemnot zu lindern.

Atemphysiotherapie

Der Stellenwert, der leider durch Studienergebnisse wenig belegten Effekte der Atemphysiotherapie, wird in der aktuellen NVL aufgewertet. So sollen allen Patienten mit COPD im Zuge von Schulungen und Lungensport physiotherapeutische Interventionen vermittelt werden. Dazu gehören das Erlernen von Selbsthilfetechniken (z. B. dosierte Lippenbremse, atemerleichternde Körperstellungen) sowie das ­Angebot atemphysiotherapeutischer Maßnahmen.


Medikamentöse Langzeitbehandlung

Der in Abb. 2 dargestellte Algorithmus zur medikamentösen Langzeitbehandlung beruht auf einer strukturierten Recherche nach aggregierter Evidenz. Im Gegensatz zum Stufenplan in der 1. Auflage ­der NVL COPD (2006/2012), der die Auswahl der Medikation anhand der Einschränkung der Lungenfunktion vorsieht, werden die medikamentösen Therapieoptionen in Abhängigkeit von der Schwere der Symptomatik (Tab. 1), der Häufigkeit und der Schwere der prognoserelevanten Exazerbationen angegeben. Theophyllin wird für die Langzeitbehandlung nicht mehr empfohlen. Der Grund hierfür liegt in der ­geringen therapeutischen Breite, zahlreicher medikamentöser Interaktionen, Nebenwirkungen und der geringen bronchodilatatorischen Wirkung des ­Wirkstoffs.

Wenn der bedarfsorientierte Einsatz von kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetika (SABA, Wirkdauer ca. 6 Stunden) oder Anticholinergika (SAMA, Wirkdauer ca. 6–9 Stunden) zur Symptomlinderung nicht ausreicht, wird bei leicht- und mittelgradiger Symptomatik eine Monotherapie mit einem langwirksamen Anticholinergikum (LAMA, Wirkdauer 12–24 Stunden) oder Beta-2-Sympathomimetikum (LABA, Wirkdauer 12–24 Stunden) empfohlen. Bei unzureichendem Effekt kann eine Eskalation zu einer dualen Bronchodilatation aus LAMA und LABA erfolgen. Ist die Reduktion von Exazerbationen vorrangig, kann mit einer LAMA-Monotherapie begonnen werden, da sie diese stärker als eine LABA-Monotherapie vermindert. Auch für Patienten mit ≥ 2 Exazerbationen/Jahr oder einer krankenhauspflichtigen Exazerbation im vergangenen Jahr kann bei unzureichendem Effekt auf eine duale Bronchodilatation (LAMA plus LABA) eskaliert werden. Reicht diese Therapieerweiterung nicht aus, können zusätzlich inhalative Kortikosteroide (ICS) zur Reduktion der Exazerbationen im Sinne einer Triple-Therapie eingesetzt werden. In der Subgruppe von Patienten mit schwerer COPD, häufigen Exazerbationen und starkem Husten mit Auswurf können sowohl die duale Bronchodilatation als auch die Triple-Therapie durch Roflumilast ergänzt werden. Bei der inhalativen Applikation der Medikamente (mit Ausnahme von Roflumilast) ist eine adäquate Inhalationstechnik mit dem Patienten einzuüben und diese zu kontrollieren, da sonst erhebliche Wirkungsverluste der Medikation auftreten können. Daher ist auch der Austausch des Inhalators, der eventuell mit einer anderen Handhabung verbunden ist, bei therapieadhärenten Patienten und stabiler Situation der Erkrankung zu vermeiden und ggf. durch Setzen des Aut-idem-Kreuzes bei der Verschreibung abzusichern. Wenn Patienten über einen längeren Zeitraum beschwerdearm oder beschwerdefrei sind, sie von einer Eskalation nicht profitieren oder unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, ist die Möglichkeit der Deeskalation medikamentöser Therapiemaßnahmen unter engmaschiger Kontrolle zu prüfen. Das Absetzen von inhalativen Kortikosteroiden soll erfolgen, wenn die Eosinophilenzahl < 100 Zellen/µl liegt und keine asthmatischen Komponenten vorhanden sind oder in der Vergangenheit unter ICS eine Pneumonie aufgetreten ist.

Bezüglich des Einsatzes von Mukopharmaka und Antitussiva haben sich im Vergleich zur 1. Auflage keine wesentlichen Änderungen ergeben. Dies gilt auch für den Impfschutz (Influenza, Pneumokokken), der gemäß den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) angeboten werden soll.

Pneumologische Rehabilitation

In der aktuellen NVL COPD soll allen COPD-Patienten eine pneumologische Rehabilitation angeboten werden, wenn trotz adäquater ambulanter ärztlicher Betreuung beeinträchtigende Krankheitsfolgen ­bestehen. Neu ist die Angabe spezieller Indikationen für eine pneumologische Rehabilitationsmaßnahme:

  • mittel- bis schwergradige Intensität der COPD-Hauptsymptome (Tab. 1)
  • schwere oder häufige (≥ 2/Jahr) Exazerbationen im Vorjahr
  • Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
  • drohende Pflegebedürftigkeit
  • alltagsrelevante psychosoziale Krankheitsfolgen (Depression, Ängste)
  • Notwendigkeit von rehabilitationsspezifischen nicht medikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht in erforderlichem Ausmaß erfolgen können.

Versorgungskoordination

Unverändert zur vorangegangenen Leitlinie liegt die Langzeitbetreuung des Patienten und deren Dokumentation in der Hand des Hausarztes, wobei die Dokumentation für alle Patienten und Beteiligten zugänglich sein soll. Indikationen für die Einbeziehung des Pneumologen sind eine dauerhafte Instabilität der Erkrankung trotz intensivierter Therapie,  ein schwerer Krankheitsverlauf, Abklärung bei Unsicherheiten in der Diagnose (differenzialdiagnostischen Abgrenzung), die Initiierung einer Triple-Therapie aus LABA, LAMA und ICS, die Prüfung der Indikation und Verlaufskontrolle einer Langzeit-Sauerstofftherapie bzw. einer nicht invasiven Beatmung bei chronischer respiratorischer Insuffizienz sowie einer Lungenvolumenreduktion. Eine Einweisung ins Kranken­haus ist nötig bei:

  • einer lebensbedrohlichen Exazer­bation
  • schwerer, trotz initialer Behandlung, persistie­render oder rasch progredienter Verschlechterung
  • schwerer pulmonaler Infektion
  • Einstellung auf intermittierende häusliche Beatmung
Fazit zur neuen Versorgungsleitlinie COPD 2021
Autor Prof. Dr. med. Heinrich Worth

Literatur beim Autor

Bildnachweis: privat

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