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Gynäkologie

Adipose Tissue Microenvironment

Das Bindeglied zwischen Adipositas und Krebs

Schon lange ist empirisch bekannt, dass adipöse Patienten ein höheres Krebsrisiko haben. In vergangener Zeit hat man auch den molekularen Zusammenhang entschlüsselt: Das Adipose Tissue Microenvironment (ATME) sorgt für eine Stoffwechsellage, in der sich entartete Zellen der Kontrolle des Immunsystems entziehen können.

Adipositas ist nicht nur eine chronische, sondern in der Regel auch tödliche Erkrankung. Was auch mit dem Thema Krebs zu tun hat. Denn Adipositas ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung eines Karzinoms, vor Lebensalter, Familienanamnese, viralen Infektionen oder den Noxen Alkohol und Tabakrauch. Adipositas erhöht Inzidenz und Progression solider Karzinome und ist für ca. 20 % der karzinombedingten Todesfälle verantwortlich.

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Korrelation verschiedener Tumorentitäten mit Adipositas, etwa die Korrelation des Body-Mass-Index mit postmenopausalem Brustkrebs und dem Endometriumkarzinom, lassen vermuten, dass Sexualhormone hier eine wichtige Rolle spielen. Und der Anstieg von Sexualhormonen als Folge einer Gewichtszunahme ist ein lange bekanntes Phänomen. Man geht davon aus, dass endogene Sexualhormone das Tumorwachstum steuern, besonders bei Tumoren der Brust und des Endometriums.[1,2]

In jüngster Zeit hat man als Schlüssel für die Auswirkungen der Adipositas auf die Karzinogenese das ATME identifiziert – das Adipose Tissue Microenvironment.[3] Es handelt sich um metabolische und inflammatorische Veränderungen im Fettgewebe, die wiederum das physiologische Gleichgewicht anderer Gewebesysteme beeinflussen. Durch Gewichtszunahme werden Veränderungen im Gewebe induziert. Dazu gehören Inflammation, Neovaskularisation und Veränderungen der Matrix. Wie genau diese Veränderungen sich auf die Initiierung und Progression der Karzinogenese auswirken, ist noch nicht vollständig verstanden. Fest steht: Die Entgleisung des Microenvironments ist irgendwann nicht mehr aufzuhalten und ein Risikofaktor und Kopromotor für die Entstehung von Karzinomen.

Neben diesem direkten Zusammenhang gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Faktoren, die sich schlecht für einen Patienten auswirken. So wird der Erfolg einer Therapie – gleich ob Operation, Bestrahlung oder Systemtherapie – durch Adipositas negativ beeinflusst. Adipositas ist daher ein negativer Prognoseparameter bei bereits diagnostizierten Malignomen.

Gefährlich ist weniger das Übergewicht per se, vielmehr die Kombination mit einem metabolischen Syndrom.

Gefährlich ist weniger das Übergewicht per se, vielmehr die „metabolic obesity“, die Kombination des Übergewichts mit einem metabolischen Syndrom. Die ubiquitäre Anwesenheit von Fettgewebe bedingt eine direkte oder indirekte Interaktion mit „adipose-associated“ Stroma-, Endothel-, Progenit­orzellen und Immunzellen. Dadurch verändert sich das zelluläre Verhalten, was einer Initiierung der Karzinogenese gleichkommt. Die Expansion des Gewebes in Abwesenheit von „growth promoting factors“ ist dann der Übertritt in den neoplastischen Zustand und die damit einhergehende Resistenz gegen Apoptose-induzierende Signale sorgt für ein weiteres Wachstum. Auch auf die epigenetischen Zusammenhänge gilt es einen Blick zu werfen. ­Kinder adipöser Mütter müssen in utero durch den hohen Bedarf der Mutter mit wenig Energie auskommen. Durch die perinatale Persistenz der Energiesparmechanismen werden die Kinder so „programmiert“, dass sie auch später versuchen, mit wenig Energie auszukommen. Überschüssige Energie wird in Fettgewebe gespeichert, was den Weg in die eigene Adipositas vorbestimmt und diese Kinder einem erhöhten Risiko für ein Karzinom aussetzt.[4]

Therapeutische Strategien

Zusätzlich zu Therapien, die auf Tumorzellen abzielen, hat sich die gezielte Behandlung der Tumormikroumgebung in den vergangenen Jahren als wirksame Strategie zur Behandlung von Krebs etabliert. Im Fall der Adipozyten sollte die therapeutische Strategie auf eine Beseitigung der Entzündung und eine Wiederherstellung eines funktionalen Fettgewebes ausgerichtet sein. Ähnlich dem Targeting von Immunzellen in der Tumormikroumgebung könnten therapeutische Interventionen, die auf die dysregulierte ATME abzielen, eine wirksame Strategie sein, nicht nur für Patienten mit Adipositas, sondern möglicherweise auch schon für Patienten mit Übergewicht.[3]

Während die bariatrische Chirurgie einen therapeutischen Nutzen im Hinblick auf die Krebsinzidenz zu bringen scheint, müssen andere Interventionen, wie die Umwandlung von Fettgewebsmakrophagen zu einem antiinflammatorischen M2-Phänotyp oder die pharmakologische Modulation der Adipokin-­Serumspiegel, noch evaluiert werden.

[1] Ungefroren H et al., Internist 2015; 56: 127–136
[2] Brown KA et al., Cancer Res 2010; 70: 4–7
[3] Quail DF et al., Nat Rev Endocrinol 2019; 15 : 139–154
[4] Jackisch C, Adipositas und Onkologie, Kongress Adipositas in der Frauengesundheit, 31. Januar 2020

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