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Allgemeinmedizin

Die „Ozempic-Babys“

Wirkung von Inkretinmimetika auf die Fertilität

Dr. Klaus Dallibor

11.12.2025

Endogene Inkretinmimetika, auch als Glucagon-like-peptide‑1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) oder glucoseabhängige insulinotrope Peptide (GIP) bekannt, werden für immer mehr Indikationen zugelassen. Sie haben zudem auch Einfluss auf Fruchtbarkeit und Schwangerschaft.

Die tatsächliche physiologische Bedeutung dieser Substanzen ist infolge eines Datenmangels allerdings derzeit kaum messbar. Ursprünglich als Mittel gegen Typ-2-Diabetes entwickelt, sind einige von ihnen wie Semaglutid und Tirzepatid die neuen Stars des globalen Pharmazie-Marktes, inzwischen auch zur Therapie der Adipositas zugelassen.

„Sowohl Adipositas als auch Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) haben Auswirkungen aus die reproduktive Gesundheit von Mann und Frau“, sagte PD Dr. med. Katharina Laubner (Freiburg) auf einer Presseveranstaltung von DDG und DGE in Berlin [1]. Laubner ist Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Schwangerschaft der DDG. „Übergewicht, Adipo­sitas und T2DM spielen über eine gesteigerte Insulin­resistenz eine wichtige Rolle in der Entstehung des polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS), sind mit einem höheren Risiko für unregelmäßige Menstruationszyklen, Anovulation und verminderter Fruchtbarkeit verbunden.“

Eine Gewichtsreduktion von 5 bis 10 % kann die Ovulation normalisieren und regelmäßige Zyklen bewirken.

Bereits 5–10 % Gewichtsabnahme, etwa mittels Lebensstiländerung, können nach ihrer Darstellung eine Normalisierung der Ovulation und regelmäßige Zyklen bewirken. Auch eine rapide Sanierung der ­Amenorrhö und der damit verbundenen Fruchtbarkeit wurde nach bariatrischen Operationen bei ­Frauen mit Adipositas beobachtet [2]. Inkretin­mimetika, sowohl GLP-1-RA als auch GLP-1/GIP-

Co-Agonisten, bewirken über eine gesteigerte ­Insu­lin­sekretion eine Blutzuckersenkung. Durch ­Appetitzügelung mit längerem Völlegefühl wird die Energieaufnahme reduziert und eine klinisch relevante Gewichtsreduktion eingeleitet – die Boulevardpresse nennt diese Medikamente daher aktuell bereits „Abnehmspritzen“.

Laubner gab zu bedenken, dass sich die Fertilität so unter der Anwendung verbessert und „es zur ungeplanten Konzeption unter Inkretinmimetika kommen kann“. Laut Pressemeldungen werden vermehrt „Ozempic-Babys“ geboren, nach dem Namen eines der verwendeten Präparate. Zudem sei es denkbar, dass durch die relativ häufig auftretenden Nebenwirkungen der Inkretinmimetika wie Erbrechen, Durchfall und die verzögerte Magenentleerung die Wirkungen oraler hormonaler Kontrazeptiva versagen. Vermutlich werde unter dieser Medikation auch die Anzahl von Frauen mit ungeplanten und/oder geplanten Schwangerschaften zunehmen.

Der Trend zeigt nach oben

Dieser Trend könnte sich noch verstärken – Grund ist der relative Mangel an Studien zu Inkretinmimetika während der Schwangerschaft. Im Jahr 2024 erschienen 2 Veröffentlichungen zu diesem Thema. Dabei wurden Registerdaten aus nordischen Ländern, Israel und den USA oder Beratungsdaten des European Network of Teratology Information Services ausgewertet [3,4].

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass GLP-1-RA „per se nicht teratogen“ ist. Zumindest wurde „kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen, Spontanaborte oder intrauterinen Tod“ festgestellt. Wegen der begrenzten Datenlage fordert Laubner jedoch weitere Untersuchungen. Als Auswirkung der hohen Molekülmasse der Inkretinmimetika sei allerdings nicht mit einem relevanten plazentaren Transfer in der Frühschwangerschaft zu rechnen.

Obacht vor dem Rebound-Effekt

Daten zur Exposition im zweiten und dritten Trimenon fehlen bislang gänzlich. Insofern lassen sich die Auswirkungen dieser Mittel, insbesondere auch die Risiken, kaum eindeutig bestimmen. Für einen Problembereich hält Laubner vor allem das Absetzen der Präparate vor oder bei Bekanntwerden der Schwangerschaft wegen des „Rebound-Effektes“, also der Gewichtswiederzunahme. Welche Bedeutung eine exzessive Erhöhung des Körpergewichts hinsichtlich Präeklampsie, Bluthochdruckkomplikationen, metabolischen Erkrankungen oder Wachstumsstörungen mit sich bringt, bleibt somit unklar.

Für die gynäkologische Praxis schlägt die Medizinerin vor, betroffene Frauen über die Anwendung der marktgängigen GLP-1-Rezeptoragonisten und deren Einfluss auf die Fertilität zu informieren. Eine ausgiebige Beratung für eine sichere Kontrazeption hält sie für angeraten. Im Augenblick hält Laubner es – nach eigenen Worten ohne Evidenz – für sinnvoll, GLP-1-RA 2 Monate vor dem Versuch, schwanger zu werden, abzusetzen, bei langwirksamen GLP-1-RA und GLP-1-Co-Agonisten wegen der langen Wash-out-Phase 3 Monate vorher. Anwendungsfälle sollten dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin gemeldet werden (www.embryotox.de).

Es erscheint sinnvoll, GLP-1-RA min­destens 2 Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abzusetzen.

Der globale Markt für die Inkretin-Agonisten erreichte 2024 ein Volumen von rund 52 Milliarden Dollar. Bis 2032 halten Marktkenner die Zunahme dieser Summe auf 150 bis 190 Milliarden Dollar für möglich. Inkretinmimetika imitieren die Wirkung der Körperhormone GLP-1-RA und GIP, dadurch wird der eigentliche Inkretin-Effekt, also die Blutzuckersenkung, mittels selektiver Bindung an den GLP-1-Rezeptor verringert. Diese Mittel werden meist subkutan verabreicht, vorwiegend Frauen mit einer Metformin-Unverträglichkeit. Die Stoffe haben bei Diabetikern und Diabetikerinnen gelegentlich auch antidepressive und neuroprotektive Eigenschaften sowie eine günstige Wirkung bei Diabeteserkrankten mit einer Suchtproblematik. Berichte über Pankreas-Erkrankungen unter der Therapie wurden bislang nicht bestätigt.

  1. Gemeinsame Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), 9. Juli 2025
  2. Narula K et al., Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes 2025; 32: 108–14
  3. Dao K et al., BMJ Open 2024; 14: e083550
  4. Cesta CE et al., JAMA Intern Med 2024; 184: 144–52
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