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Allgemeinmedizin

Wintersport

Kürzere Ski – mehr Schulterverletzungen?

Dr. med. Jens Herresthal

7.1.2021

Sportverletzungen treten sehr häufig im Winter beim Skifahren auf, besonders Schulterverletzungen. Während früher das Verletzungsrisiko bei Normalskiern überwiegend die untere Körperhälfte betraf, hat sich mit der Einführung der Carving-Ski die Lokalisation der Läsionen auf die oberen Extremitäten verlagert.

Kommt es beim Skifahren zu einer schweren Verletzung der Schulter, erfolgt meistens am Skiort die Erstversorgung. Diese umfasst in der Regel den Frakturausschluss und ggf. die temporäre Stilllegung des betroffenen Gelenks. Zu Hause ist dann der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Kurze Tests, wie das seitliche Abheben des gestreckten Armes, zeigen schon mögliche Probleme der Rotatoren­manschette (Abb.). Bei starker Schmerzhaftigkeit ist der Arm besser mit 90° gebeugtem Ellenbogen zu bewegen. Der Instabilitätstest bringt eine mögliche vordere Schublade der Schulter zu Tage. Ist eine Arthrosonografie möglich, kann ein möglicher Erguss sowie ein Riss in der Rotatorenmanschette nachgewiesen werden. Zur Sicherung des Verletzungsbilds sollte der Patient einer MRT-Untersuchung zugeführt werden. Bestätigt sich ein Riss der Manschette oder eine Verletzung des Labrums mit möglicher Knochenbeteiligung und Kapselaussackung, sollte sich der Patient bei einem schulterspezialisierten Orthopäden vorstellen.

Risse der Rotatorenmanschette

Zerrungen und Risse der Rotatorenmanschette ­treten mit etwa 25 % am häufigsten auf. Dabei zeigte sich: Je größer der Riss bzw. die Läsion des Muskels ist, desto größer ist auch der Funktionsverlust des betroffenen Arms. Skifahrer, die solche Risse erleiden, sind durchschnittlich zehn Jahre älter als das übrige Kollektiv mit Schulterverletzungen beim Skisport. Zunächst sollte versucht werden, die Risse nicht ­op­erativ zu behandeln, was aber oft nicht zu ­umgehen ist. Die Studienlage zeigt, dass bei einer unfallbedingten Läsion oder bei jüngeren Patienten dringend eine Operation durch einen Schulter­­spezialisten anzuraten ist. Diese sollte dann möglichst zeitnah erfolgen. Bei dieser OP sollten auch die möglichen Schulterengpass-Problematiken angegangen werden. Behandlungsziel der operativen Behandlung ist das Wiederherstellen der Muskel-Sehnen-Platte mit guter Beweglichkeit und Kraft sowie Schmerzfreiheit. Dies hängt jedoch maßgeblich von der Größe und der Mobilisierbarkeit des ­Rotatorenmanschettendefekts ab. In der Regel wird die Rotatorenmanschettenruptur heute mit der Schlüssellochmethode, also einem arthroskopischen Verfahren durchgeführt. Im Zuge einer solchen Arthroskopie (Gelenkspiegelung) lässt sich die Muskulatur möglichst spannungsfrei an den knöchernen Ursprung zurückversetzen.

Ausrenkungen der Schulter

Am zweithäufigsten (20 %) kommt es beim Ski­fahren zu Schulterausrenkungen (meistens nach vorne und unten), die zu chronischen Instabilitäten der Schulter führen können. Sie schränken die ­Gebrauchsfähigkeit des Arms sofort stark ein und gehen mit heftigen Schmerzen einher. Am Unfallort müssen sie ärztlich eingerenkt werden. Die Art der Behandlung einer Schulterluxation hängt vom Alter bzw. dem Aktivitätsgrad des Patienten und von möglicherweise vorhandenen Begleitverletzungen ab. Bei älteren und weniger aktiven Menschen wird das betroffene Gelenk nach dem Einrenken in der Regel zunächst ruhiggestellt. Danach wird ­üblicherweise durch ein gezieltes ­Aufbautraining versucht, die verletzte Schulter zu stabilisieren. Bei jüngeren, aktiven Patienten und dem Vorliegen von Begleitverletzungen, wie dem Abriss des Labrums, einer Ausweitung der Kapsel oder Schädigungen am Bandapparat, kann ein operativer Eingriff sinnvoll sein. Dabei werden die vorliegenden Verletzungen zunächst mithilfe einer Gelenkspiegelung genau untersucht. Meistens können die notwendigen operativen Maßnahmen von einem Schulterspezialisten im gleichen Zuge ­arthroskopisch durch­geführt werden.

Carving-Ski erhöht Verletzungsrisiko

Anhand systematischer Untersuchungen in Österreich seit der Saison 2002/2003 wurde festgestellt, dass die Zahl von Schulterverletzungen bei der Trendsportart Carving-Ski deutlich höher liegt als bei der Verwendung von ­Normalskiern. Vor etwa 20 Jahren waren zu etwa 35 % bei Verletzungen die Kopf-/Schulter-/Armregion betroffen und zu 55 % die Beine. Seit 2002/2003 ist eine Trendumkehr zu verzeichnen: Läsionen betrafen zu 50 % die obere Körperregion (+15 %) und ­zu 41 % die Beine (-14 %). Das scheint daran zu liegen, dass die Topografie der Verletzung beim Alpinski von der Länge der Ski abhängig zu sein scheint. Anders gesagt: Je kürzer der Ski, desto eher ist die obere Körperregion – und mit ihr die Schulter – betroffen. Auch der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist nach wie vor groß, da bei Männern nahezu jede vierte Verletzung die Schulter betrifft, bei den Frauen ­jedoch nur etwa jede siebte. Insgesamt sollte der Carving-Ski nicht zu stark tailliert und nicht allzu zu kurz sein. Diese Faktoren erhöhen das Verletzungsrisiko. Je nach Typ des Carving-Ski (Easy Carver, Slalom Carver, Race Carver, Lady Carver etc.) differieren die Längen­empfehlungen zwischen Körpergröße minus 20 cm (Slalom Carver) bis hin zu Körpergröße plus 10 cm (Freeride Carver).

Bitte kein Kaltstart

Jeder Skifahrer sollte sich auf die kommende Saison mit entsprechenden Übungen wie Skigymnastik oder in einem Home Workout, z. B. mit YouTube-Videos, vor­bereiten. Weiterhin gehört eine gute Ausrüstung, die vorher in einem spezialisierten Sportgeschäft gewartet wurde, dazu. Der Trend geht sowieso dahin, dass die Ausrüstung vor Ort geliehen wird.

Fazit:

Das komplexe Bild einer Schulterverletzung kann in Kooperation von Hausarzt und Orthopäde optimal therapiert werden. Einfache durchzuführende klinische Tests ermöglichen schnell eine Verdachtsdiagnose und erleichtern die Einleitung möglicher Therapieschritte. Der Carving-Ski hat mit seiner leichteren Beherrschbarkeit viele Menschen wieder für den aktiven Skisport begeistert. Die mit diesen Skiern verbundenen höheren Geschwindigkeiten führen einerseits zu einer höheren Verletzungs­häufigkeit und andererseits zu einem Ansteigen der Beteiligung des Schulter­gelenks an den Läsionen.

Der Autor

Dr. med. Jens Herresthal
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle ortho­pädische Chirurgie, Sportmedizin Holzhausenstraße 81, 60322 Frankfurt

herresthal@ortho-frankfurt.de
www.herresthal.info

www.schulterfit.info

Bildnachweis: medicalstocks, marzacz (iStockphoto); privat

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