Die zunehmende gesellschaftliche Sichtbarkeit von trans Personen und rechtliche Entwicklungen wie das neue Selbstbestimmungsgesetz fordern von Gynäkologinnen und Gynäkologen einen empathischen Umgang. Sie müssen sich professionell und sensibel auf die Bedürfnisse geschlechtsinkongruenter Menschen einstellen.
Transgeschlechtlichkeit (trans) beschreibt eine Geschlechtsidentität, die nicht dem bei Geburt zugewiesenen biologischen Geschlecht entspricht. Dabei ist zwischen trans Frauen (Zuweisung männlich, Identität weiblich) und trans Männern (Zuweisung weiblich, Identität männlich) zu unterscheiden. Der aktuelle ICD-11 klassifiziert die „Geschlechts-
inkongruenz“ unter der Kategorie „Conditions related to sexual health“ (HA60) und hebt sich damit deutlich von der pathologisierenden ICD-10-Diagnose „Transsexualismus“ (F64.0) ab.
Trans Personen können bereits in der Kindheit eine Abneigung gegenüber geschlechtsspezifischen Körpermerkmalen äußern und zeigen oft ein konsequentes Streben nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung – eine trans Frau kann hetero-, homo- oder bisexuell leben.
Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG)
Mit Inkrafttreten des SBGG am 11.11.2024 können volljährige Personen durch einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern. Für Minderjährige unter 14 Jahren ist die Zustimmung der Sorgeberechtigten erforderlich; ab 14 Jahren ist eine Zustimmung weiterhin notwendig, kann jedoch durch das Familiengericht ersetzt werden, sofern dem Kindeswohl nicht widersprochen wird. Das SBGG regelt jedoch ausschließlich die standesamtliche Geschlechtsänderung – körpermodifizierende Maßnahmen bleiben weiterhin an medizinische Indikationsverfahren gebunden. Insbesondere trans Frauen, die medizinische Hilfe suchen, bedürfen einer adäquaten und respektvollen Versorgung, die sowohl medizinische als auch psychosoziale Aspekte berücksichtigt.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung.
Die medizinisch-therapeutische Begleitung einer Transition erfolgt in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Psychotherapie, Endokrinologie und Gynäkologie spielen dabei zentrale Rollen.
Vor geschlechtsangleichenden Maßnahmen sind folgende Kriterien zu erfüllen:
Bei der Hormontherapie für trans Frauen werden Estrogene kombiniert mit Antiandrogenen eingesetzt. Dies führt zu einer Rückbildung maskuliner Merkmale und fördert die Entwicklung weiblicher sekundärer Geschlechtsmerkmale. Zu beachten sind thromboembolische Risiken und der psychosexuelle Anpassungsprozess. Trans Männer erhalten Testosteron, was typischerweise zur Menstruationsaussetzung, Stimmvertiefung und verstärktem Haarwuchs führt.
Bei trans Frauen umfasst die operative Transition meist die Amputation von Penis und Hoden, die Bildung einer Neovagina sowie bei Bedarf eine Stimmbandoperation. Bei trans Männern gehören Mastektomie, Hysterektomie und Phalloplastik zum Operationsspektrum. Die chirurgische Umsetzung erfolgt oft in mehreren Schritten.
Die psychische Belastung durch transfeindliche Diskriminierung oder negative Erfahrungen im Gesundheitssystem ist hoch und kann zu Depression, Suizidalität und Selbstverletzung führen. Ein sensibler, unterstützender Umgang kann entscheidend zur Stabilisierung und Lebensqualität beitragen.
Transidentität ist eine Normvariante der menschlichen Geschlechtsentwicklung. Die Aufgabe der Gynäkologie liegt in der kompetenten, respektvollen und evidenzbasierten Begleitung dieser Patientinnen. Der Aufbau queersensibler Strukturen und die Etablierung eines empathischen Umgangs im Praxisteam sind zentrale Voraussetzungen.
Vortrag von Dr. med. Roswitha Engel-Széchény, GynUpdate, Berlin, März 2025