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Sonderredaktion

Intervall-Hypoxie-Training

Gezielte Reduktion von Körperfett

Dr. med. Egor Egorov

Mit zunehmendem Alter wird die Reduzierung des Körperfettanteils immer mühsamer. Das Intervall-Hypoxie-Training ist eine Methode, mit der eine Gewichtsabnahme auch ohne große Veränderung des Lebensstils erreicht werden kann.

Ein schlanker Körper gilt nicht nur als schön und wünschenswert, sondern auch als beste Prävention gegen Krankheiten. Allerdings sammeln sich bei den meisten Menschen etwa ab dem 45. Lebensjahr die Pfunde quasi von alleine an. Wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden, führen die altersbedingten Störungen der Hormonproduktion und ein veränderter Stoffwechsel zu einer stetigen Gewichtszunahme. Zusätzlich sind derzeit Auswirkungen der Corona-Pandemie feststellbar. Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts stieg 2020 während des ersten Lockdowns das Durchschnittsgewicht der Deutschen um etwa ein Kilogramm an. Wie sich die Entwicklung im zweiten Lockdown fortsetzte, ist noch offen, aber vermutlich sind weitere Kilos dazugekommen.
Etwa zwei Drittel der Männer und die Hälfte der ­Frauen sind übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen ist sogar adipös. Bewegungs- und Ernährungsprogramme sind die üblichen Empfehlungen für eine Gewichtsreduktion. Allerdings sind sie im Alltag von vielen Betroffenen nur schwer umsetzbar. Vor allem ein körperliches Training stellt viele Übergewichtige vor große Herausforderungen. Konditionell sind sie oft nicht in der Lage, eine entsprechende sportliche Aktivität durchzuführen. Die Gefahr einer Überforderung ist daher groß.

Hypoxie-Training als Alternative zum Sport

Eine Ernährungsumstellung als einzige Maßnahme führt bereits zur Gewichtsabnahme. Ohne Bewegungsprogramm ist es jedoch deutlich schwieriger, den Stoffwechsel zu optimieren. Ein Intervall-­Hypoxie-Training (IHT) bietet sich als Alternative an. ­Es kann übergangsweise ein körperliches Training ersetzen. IHT ist nicht anstrengend und vollkommen ungefährlich. Die Wirkung ist mit einem individuell dosierten körperlichen Training vergleichbar, jedoch sind die zellulären und systemischen Effekte beim IHT ausgeprägter.

Intervall-Hypoxie-Training kann metabolische und kardiovaskuläre Risikofaktoren signifikant reduzieren.

In der Studie aus dem Jahr 2010 von Glazachev und seinem Team wurde die Wirkung des Intervall-­Hypoxie-Hyperoxie-Trainings (IHHT) bei Teilnehmern mit einem metabolischen Syndrom untersucht [1]. Sie atmeten im Wechsel sauerstoffarme und sauerstoffangereicherte Luft während des Hypoxie-­Trainings. Am Ende der Studie hatte sich bei den Teilnehmern die Körperfettmasse verringert. Es kam zu einer ­Abnahme des Gesamtcholesterinspiegels, einer ­Senkung der Nüchtern-Plasmaglucose und einer ­Optimierung des Blutdrucks. Die Teilnehmer waren außerdem körperlich leistungsfähiger und psychisch stabiler.
Die Wirksamkeit verschiedener Hypoxie-Trainingsprogramme wurde bei der Behandlung und Rehabilitation von Patienten mit Adipositas [2], systemischer Hypertonie [3] und Typ-2-Diabetes [4] untersucht. Die Studien zeigen, dass sich mit einem Intervall-Hypoxie-Training metabolische und kardiovaskuläre Risikofaktoren signifikant reduzieren lassen.

Wirkung des Intervall-Hypoxie-Trainings

IHT wirkt auch ohne weitere Maßnahmen. Eine Hypoxie-Kur setzt im ganzen Körper eine Reihe von Kompensationsmechanismen in Gang. Organübergreifend lässt sich der Stoffwechsel in den Mitochondrien optimieren. Die Herbeiführung hypoxischer Bedingungen führt zur Teilung von gesunden Mitochon­drien und gleichzeitig zur Apoptose geschädigter Mitochondrien. Die Vermehrung und Verjüngung der Mitochondrien tragen wesentlich zum Abnehmerfolg der Hypoxie-Behandlung bei. Ein von vielen Diäten heruntergesetzter Grundumsatz kann so wieder angehoben werden. IHT bewirkt auch, dass die oft eingeschlafene Fettverbrennung wieder in Gang kommt.
Alle Organe und Systeme können vom IHT profitieren. Der Gewichtsverlust wird erleichtert, weil es auch zu einer Wiederherstellung der hormonellen Balance kommt. Die Stresshormone werden reduziert und sämtliche hormonbildende Organe angeregt. Die Förderung von Wachstumsfaktoren unterstützt signifikant die Angiogenese in der Muskulatur, wie eine Studie der Sporthochschule Köln 2010 ergab [5]. Ein Gewichtsverlust auf Kosten von Muskelmasse kann ausgeschlossen werden, auch wenn IHT in einem körperlichen Ruhezustand durchgeführt wird.
Ein Jo-Jo-Effekt, wie er nach vielen Diäten auftritt, ist nach einer IHT-Kur nicht zu erwarten. Durch die Verbesserung der Leistungsfähigkeit fällt es vielen ­Patienten leichter, ihre Lebensgewohnheiten zu verändern. Die höhere Belastbarkeit erleichtert es ihnen, körperlich wieder aktiver zu werden. Die Optimierung des Stoffwechsels bietet übergewichtigen ­Patienten nach jahrelangen Diätversuchen die ­Chance, ihr Körperfett signifikant abzubauen. Aufgrund der angeregten Fettverbrennung sinkt das Verlangen nach schnell verwertbaren Kohlenhydraten. Ein willkommener Nebeneffekt des IHT ist, dass sich der Blutdruck normalisiert und sich die Insulin­sensibilität, Schlafqualität sowie Stressresistenz verbessern.

Behandlungskonzept zur Gewichtsreduktion

IHT muss seriell angewandt werden, um seine volle Wirksamkeit zu entfalten. Im Laufe der vier- bis sechswöchigen Behandlung kommt es zu einer systemischen und längerfristigen Anpassung an die Hypoxie (hypoxische Präkonditionierung) und dadurch zu den gewünschten therapeutischen Effekten.
Mindestens 10 bis 15 Behandlungen sind für eine nachhaltige Wirkung notwendig. Bei adipösen ­Patienten mit chronischen Erkrankungen sind 20 bis 30 Behandlungen empfehlenswert. Eine Sitzung umfasst vier bis fünf Hypoxie-Normoxie- bzw. Hypoxie-Hyperoxie-Zyklen von jeweils drei bis sechs Minuten Hypoxie-Länge. Die Intensität der Hypoxie richtet sich nach dem gesundheitlichen Zustand des Patienten und nach der individuellen Hypoxie-Toleranz, die vorher in einem Hypoxie-Test ermittelt wird.
Für alle Patienten mit Übergewicht sollte ein sanfter IHT-Einstieg gewählt werden. In vielen Fällen muss als erstes die parasympathische Aktivität gefördert werden, um eine Gewichtsabnahme überhaupt zu erreichen. Die Messung der Herzratenvariabilität bietet sich für eine Einschätzung an. Erst wenn die sympathovagale Balance wieder hergestellt ist, kann das Training langsam gesteigert werden.
Mit modernen Geräten, z. B. von Cellgym, kann die Reduzierung des Sauerstoffgehalts in der Atemluft in einem Bereich von 18 bis auf 9 % eingestellt werden. Zum Erreichen des therapeutischen Effekts atmen die Patienten im Intervall Luft mit einem reduzierten Sauerstoffgehalt in der hypoxischen Phase und in der Reoxygenierungsphase normoxische Luft mit einer Sauerstoffkonzentration von 20,9 %. Falls die IHHT-Variante angewendet wird, wechselt die Hypoxie-Phase mit einer hyperoxischen Phase mit einer auf bis zu 33 % Sauerstoffanteil angereicherten Luft.
Ob IHT oder IHHT zur Anwendung kommt, hängt von dem mitochondrialen Stoffwechsel des Patienten ab. Je nach Zustand sollten die Einstellungen gewählt werden, die einen zu hohen oxidativen Stress vermeiden. Ein Test zur Qualität und Quantität der Mitochondrien ist vor allem bei übergewichtigen Patienten mit einer chronischen Erkrankung empfehlenswert.
Während der Therapie sind die Patienten in der Regel sehr entspannt und teilweise schlafen sie auch kurz ein. In dieser Zeit durchlaufen die Zellen und Mitochondrien mehrere Oszillationen von Sauerstoffpartialdruck-Veränderungen. Im Gegensatz zu verschiedenen physischen Trainingseinheiten ist das Hypoxie-Training körperlich weder anstrengend noch stellt es eine Gefahr für den Patienten dar.
Während der Therapiesitzung werden bei den ­Patienten die Vitalparameter wie periphere Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Herzratenvariabilität kontinuierlich überwacht und aufgezeichnet. Eine weitere Sicherheitsvorkehrung während des Trainings ist die Festlegung einer Safety-Cut-­­
Off-Grenze (Sicherheitsabschaltung). Sollte die periphere Sauerstoffsättigung aus medizinischen oder technischen Gründen unterhalb dieses Wertes fallen, schaltet das Hypoxie-Gerät automatisch in den ­Reoxygenierungsmodus.
Der große Vorteil vom IHT ist, dass eine Gewichtsreduzierung auch mit kleinen Lebensstiländerungen erreicht wird. Um den Erfolg des Trainings zu sichern, ist es sinnvoll, vor der ersten Anwendung mögliche Mangelzustände auszuschließen. Eine Substitution mit Hormonen und Vitalstoffen unterstützt die ­Gewichtsabnahme. Bei einigen Patienten wird sie sogar erst durch eine begleitende Substitution im größeren Umfang möglich.

Der Autor

Dr. med. Egor Egorov

Facharzt für Anästhesie und Co-Autor mehrerer Studien zum Thema Hypoxie. Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt er in Seminaren und Fortbildungs­veranstaltungen der Internationalen Hypoxie-Hyperoxie Gesellschaft e. V. an Kollegen weiter (www.interhypox.de).

Fazit: Das Intervall-Hypoxie-Training ist für Patienten mit Adipositas eine interessante Behandlungsmethode. Im Vergleich zu Bewegungs- und ­Ernährungsprogrammen ist es weniger aufwendig und kaum anstrengend. Eine Veränderung des Lebensstils ist nicht zwingend notwendig.
IHT fördert den Aufbau von neuen körperlichen Strukturen und im besten Fall kann es auch zu einer Wiederherstellung des Gesundheits­zustandes führen. Hieraus ergeben sich noch zahlreiche weitere Indikationen für die Hypoxie-Anwendung, z. B. die chronisch-obstruktive ­Lungenkrankheit (COPD), Bronchialasthma, Herz-­Kreislauf-Erkrankungen, ­neurodegenerative Erkrankungen, Wundheilungsstörungen und Verbesserung der allgemeinen Leistungsfähigkeit.

1 Glazachev O et al., Eksp Klin Gastroenterol 2010; 7: 51–56

2 Fedorova OV et al., Hyp Med J 2003; 11: 58–62

3 Mukharlyamov FI et al., Vopr Kurortol Fizioter Lech Fiz Kult 2006; 2: 5–6 (nur auf russisch verfügbar)

4 Davydov AL et al., Hypoxia Med J 2002; 10: 18–21

5 Brinkmann C et al., Int J Sports Med 2017; 38: 92–98

Impressum

Bericht: Dr. med. Egor Egorov I Redaktion: Dr. phil. nat. Claudia Schierloh I Konzept: Elke  Engels
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der CellAir Construction GmbH (Schorndorf)

Bildnachweis: privat

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