Gender Reveal Parties haben sich seit ihrer Entstehung in den USA in den 2000er-Jahren zunehmend auch in Deutschland etabliert. Patientinnen sollten aber wissen, dass eine verantwortungsbewusste Schwangerschaftsbegleitung anders aussieht.
Bei den Gender Reveal Parties wird im Rahmen einer Feier das „Geschlecht“ eines ungeborenen Kindes, meist durch farblich codierte Symbole (rosa/blau), öffentlich inszeniert. Viele Internetseiten „feiern“ die Mode und liefern Schritt-für-Schritt-Anleitungen, wie man eine solche Party organisieren und gestalten kann. Die Verkündigung des Geschlechts ungeborener Babys nimmt zum Teil groteske Formen an. So erfuhr US-Tennisstar Serena Williams 2023 durch einen von Drohnen erzeugten Schriftzug am Himmel, dass sie ein Mädchen erwartet: „Es ist ein Mädchen“ mit Lichtern an den Nachthimmel gemalt.
Ähnlich wie bei einem runden Geburtstag, bei einem Junggesellinnenabschied oder neuerdings auch bei Einschulungs-Partys werden keine Kosten und Mühen gescheut, um einen besonderen Abend bzw. Nachmittag zu gestalten. Im Vordergrund steht bei einer Gender Reveal Party jedoch die Enthüllung des Geschlechts. Je nachdem, wie streng der Trend im sozialen Umfeld umgesetzt wird, kennen dieses nicht mal die Eltern.
Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch erhebliche Probleme in Bezug auf Terminologie, medizinische Genauigkeit und gesellschaftliche Wirkung. Da ist erst mal die terminologische Unschärfe. Denn die Bezeichnung „Gender Reveal“ ist wissenschaftlich inkorrekt. Pränataldiagnostische Verfahren – in der Regel die Sonografie im zweiten Trimenon – erfassen lediglich morphologische Genitalstrukturen. Dies erlaubt Aussagen zum biologischen Geschlecht, nicht jedoch zum Gender, das als psychosoziale und kulturelle Kategorie zu verstehen ist (World Health Organization, 2023).
Die Geschlechtsbestimmung im Ultraschall ist zudem mit Unsicherheiten behaftet. Studien zeigen Fehlerraten zwischen 1 und 5 %, abhängig von Gestationsalter, Untersuchungsbedingungen und Erfahrung der Untersuchenden. Zudem bleiben chromosomale Variationen (z. B. Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom) oder intersexuelle Differenzierungen zunächst unentdeckt. Damit werden komplexe biologische Realitäten vorschnell auf ein binäres Kategoriensystem reduziert.
Psychosoziale Implikationen
Durch die ritualisierte Zuschreibung werden stereotype Rollenbilder (rosa = Mädchen, blau = Junge) schon vor der Geburt festgeschrieben. Gender Reveal Parties perpetuieren damit binäre Normen, die der Diversität geschlechtlicher Identität nicht gerecht werden. Last but not least zeigen mehrere dokumentierte Vorfälle die Gefahren, die von den inszenierten Effekten ausgehen können – darunter schwere Brände, Verletzungen und Todesfälle.
Die Fokussierung auf das Geschlecht lenkt von zentralen Aspekten der pränatalen Betreuung ab. Essenziell sind vielmehr die Beurteilung der Organentwicklung, Plazentafunktion, Wachstumskurven und potenziellen Risikokonstellationen. Die Reduktion auf ein einziges, visuell inszeniertes Merkmal trivialisiert die Komplexität pränataler Medizin – leider auch für manche Patientin.
Aus Public-Health-Sicht sind solche Praktiken nicht vertretbar, da sie vermeidbare Risiken ohne medizinischen oder sozialen Nutzen erzeugen. Und dazu sollten Sie als gynäkologische Facharztpraxis klar und eindeutig Stellung beziehen und aufklären. Die Patientinnen bringen Ihnen ein hohes Maß an Vertrauen entgegen – und das können Sie mit guter Aufklärung zurückgeben. Manche Trends kann man auch einfach ausfallen lassen.

Gender Reveal Parties sind aus gynäkologischer und medizinsoziologischer Perspektive kritisch zu bewerten. Sie beruhen auf einer terminologischen Ungenauigkeit, blenden biologische und psychosoziale Vielfalt aus und bergen ökologische sowie sicherheitsrelevante Gefahren. Eine verantwortungsbewusste Schwangerschaftsbegleitung basiert auf medizinisch relevanten Parametern – nicht auf spektakulären, aber wissenschaftlich fragwürdigen Enthüllungsritualen.



Dr. med. Katrin Schaudig, Katrin Simonsen
Hot Stuff
dtv 2025
Taschenbuch 16 Euro
Kindle-Version 12,99 Euro
ISBN 978-3423264372
Dr. med. Katrin Schaudig muss man in diesem Journal nicht vorstellen. Sie schreibt hier regelmäßig zu endokrinologischen und gesellschaftlichen Themen und auch ansonsten ist sie durch ihre vielen Fortbildungsaktivitäten praktisch jeder Frauenärztin und jedem Frauenarzt in Deutschland bekannt.
Als Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft ist sie auch in Richtung interessierter Frauen aktiv und im August dieses Jahres erschien das Buch „Hot Stuff“, das sie zusammen mit der Journalistin Katrin Simonsen geschrieben hat. Was sie damit erreichen wollen, schreiben die beiden im Vorwort: „Es muss Schluss damit sein, dass Frauen blindlings in diese Lebensphase stolpern. Die Wechseljahre beginnen früher, als wir denken. Sie dauern länger, als wir denken. Und sie können einen enormen Leidensdruck mit sich bringen. Mit diesem Buch voller Informationen wollen wir Frauen stärken und unterstützen. Denn wenn sie verstehen, was gerade in ihrem Körper passiert, können sie viel besser mit den körperlichen und mentalen Herausforderungen umgehen. Und nicht zuletzt ist es auch tröstlich zu erfahren, dass diese Hormonumstellung vielen von uns zusetzt und ,frau‘ nicht allein ist mit den Problemen, die diese Zeit mit sich bringt.“
Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Schaudig und Simonsen beantworten die wichtigsten Fragen zu den Wechseljahren klar und verständlich: Sie gehen auf die Vielzahl der Symptome ein, erklären biologische Zusammenhänge, erläutern Therapiemöglichkeiten, geben praktischen Rat und versetzen die Leserinnen in die Lage, mit ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt auf Augenhöhe reden zu können. Eine wertvolle und profunde Orientierung – voller Informationen und medizinisch topaktuell. Ein guter Buchtipp für alle Patientinnen, die mehr wissen wollen, als es die knappe Zeit in der Menopausensprechstunde hergibt.