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Allgemeinmedizin

Hypertonie

Ursachen und Therapieoptionen bei resistentem Bluthochdruck

Prof. Prof. h.c. Dr. med. Markus van der Giet

Wenn sich der Blutdruck trotz empfohlener Behandlung nicht normalisiert, spricht man von refraktärer oder therapieresistenter arterieller Hypertonie. Etwa 20 bis 30 % der ­Hypertonie-Patienten sind davon betroffen.[1] Nicht immer steckt ein Nichtansprechen auf Antihypertonika dahinter.

Eine Hypertonie-Diagnose wird in der Regel nach Blutdruckmessungen bei wiederholten Praxisbesuchen oder auf der Basis praxisunabhängiger Langzeitblutdruckmessungen erstellt. Als optimale Blutdruckeinstellung wird ein systolischer Blutdruck (SBP) von

Basistherapie bei erhöhtem Blutdruck

Die routinemäßige Hypertonie-Behandlung umfasst Lebensstilmodifikationen und eine medikamentöse Therapie. Obwohl eine gesunde Lebensweise das Auftreten einer Hypertonie in vielen Fällen verhindern oder verzögern und das kardiovaskuläre Risiko insgesamt reduzieren kann, benötigen die meisten hypertensiven Patienten zusätzlich eine Pharmakotherapie, um eine optimale Blutdruckkontrolle zu erreichen. Der Grenzwert für die medikamentöse Therapie und deren Einleitungsbeginn hängt vom Alter und dem kardiovaskulären Gesamtrisiko des Patienten ab. Auch die Höhe, auf die der Blutdruck mittels medikamentöser Therapie gesenkt werden soll, hängt vom Alter, eventuellen Komorbiditäten und der Verträglichkeit der Therapie ab. Als erstes Behandlungsziel wird die Senkung des Blutdrucks bei allen Patienten auf

Fünf Hauptsubstanzklassen kommen für die Basistherapie zur Anwendung: ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker (ARB), Betablocker, Calciumkanalblocker (CCB) und Diuretika.

Die neue ESC-Leitlinie zur Behandlung von Bluthochdruck, die erstmals 2018 auf dem ESH-Kongress in Barcelona vorgestellt wurde, brachte wichtige praxisrelevante Neuerungen in der Diagnostik und Therapie von Hypertonie mit sich. Eine der bedeutendsten ist die Empfehlung, die antihypertensive Therapie mit einer Zweifachkombination, bevorzugt in einer Einzeltablette (Single-Pill Combination, SPC), zu beginnen, um die Effizienz der Blutdruckkontrolle zu verbessern. Als Zweifachkombination sind vorzugsweise ein RAS (Renin-Angiotensin-System)-Blocker, zum Beispiel ein ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker, und ein CCB oder Diuretikum zu geben. Eine Monotherapie sollte zu Beginn nur bei Patienten mit einem niedrigen Risiko oder ­einem geringen Hypertonie-Stadium oder bei gebrechlichen älteren Patienten angewandt werden. Lässt sich der Blutdruck mit einer Zweifachkombination nicht einstellen, ist der Einsatz einer Dreifach-SPC, bestehend aus einem RAS-Blocker, einem Calciumkanalblocker und einem Diuretikum sinnvoll (s. Abb. 1).[2]

Ursachen der resistenten Hypertonie

Eine Hypertonie wird als resistent oder refraktär bezeichnet, wenn der Bluthochdruck mit der empfohlenen Behandlungsstrategie, die typischerweise Lebensstilinterventionen und eine Kombination aus drei oder mehr Medikamenten umfassen sollte, nicht unter 140/90 mmHg gesenkt werden kann.[2] Zu den Risikofaktoren für resistente Hypertonie zählen hohes Alter (> 75 Jahre), männliches Geschlecht, Adipositas und eine übermäßige Natriumaufnahme. Weitere Faktoren, die eine resistente Hypertonie auslösen oder begünstigen können, sind sekundäre Hypertonie-Formen wie Nierenerkrankungen oder das Schlafapnoe-Syndrom, Begleit­erkrankungen, exogene Substanzen wie orale Kontrazeptiva und Steroide oder eine mangelhafte Compliance. Zusätzlich eingenommene Medikamente oder Substanzen, die den Blutdruck erhöhen, sollten für eine wirksame Behandlung abgesetzt werden. Sekundäre behandelbare Ursachen und das Vorliegen einer pseudoresistenten Hypertonie müssen ausgeschlossen werden. Dafür können Hausärzte oder Internisten auf Verfahren wie Langzeitblutdruckmessung, Herzultraschall, Nierenultraschall, Blut- und Urinuntersuchungen und Schlaf­apnoe-Screening zurückgreifen.

Der häufigste Grund für eine Pseudoresistenz ist eine geringe Therapietreue der Patienten.[2] Auch das Weißkittel-Phänomen kann für eine scheinbare Resistenz verantwortlich sein. Dabei ist der Blutdruck nur bei Messungen in der Praxis erhöht, nicht jedoch bei Messungen zu Hause oder ambulant. Um dieses Syndrom von einer Hypertonie unterscheiden zu können, sollte daher eine praxisun­abhängige 24-Stunden-Blutdruckmessung durchgeführt werden. Daneben können schlechte Messtechniken in der Praxis, zum Beispiel zu enge Armmanschetten, die zu einer Erhöhung des Blutdrucks führen, oder ärztliche Behandlungsträgheit (unangemessene Dosierungen oder Medikamentenkombinationen) ursächlich für die Pseudoresistenz sein.

Behandlungsoptionen bei Therapieresistenz

Eine optimale medikamentöse Behandlung bei refraktärer Hypertonie ist bisher wenig erforscht. Als effektivstes Verfahren wird eine Intensivierung der Lebensstilinterventionen, insbesondere die Reduzierung der Natriumaufnahme, sowie die sequenzielle Hinzugabe von Antihypertensiva zusätzlich zur initialen Dreifachtherapie angesehen.

Für niedrig dosiertes Spironolacton (25–50 mg pro Tag) liegt mit der Studie PATHWAY 2[3] sowie mehreren Metaanalysen die bislang beste Evidenz vor. In der PATHWAY-2-Studie erhielten Patienten, die trotz einer mindestens dreimonatigen Hypertonie-The­rapie einen systolischen Bluthochdruck von ≥ 140 mmHg aufwiesen, für zwölf Wochen zusätzlich zu ihrer individuellen Basistherapie täglich entweder 25–50 mg Spironolacton, einen Betablocker (5–10 mg Bisoprolol), einen Alphablocker (4–8 mg Doxazosin) oder Placebo. Die Ergebnisse zeigten, dass Spironolacton in Bezug auf die Senkung des systolischen Blutdrucks nicht nur der Wirksamkeit von Placebo überlegen ist (p 

Im Rahmen mehrerer Substudien der PATHWAY- 2-Studie fand man heraus, dass Amilorid ebenso wirksam ist wie Spironolacton.[4] Für Hypertonie-Patienten, die Spironolacton nicht vertragen, stellt Amilorid somit eine effektive Alternative dar.

Führen auch diese Therapien nicht zum Erfolg, sollte eine Überweisung in eine spezialisierte Einrichtung erfolgen. Hier können weiterführende Verfahren und invasive sowie hormonelle Untersuchungen helfen, die Resistenzursache zu finden und zu behandeln.[5] Seit 2009 befindet sich zudem das interventionelle Verfahren der renalen Denervation als Therapieoption bei resistenter Hypertonie in der Diskussion.[6] Sie wird erwogen, wenn sich keine behandelbare Ursache für eine Therapieresistenz finden lässt. Voraussetzung ist das Vorliegen einer generellen Überaktivität des sympathischen Nervensystems, wodurch die blutdruckerhöhenden Hormone Renin und Noradrenalin freigesetzt werden. Bei der renalen Denervation werden die für die Ausschüttung blutdrucksteigernder Hormone verantwortlichen Nervenbahnen durch Hochfrequenzablation irreversibel ausgeschaltet.

Bisher liegen keine Langzeitdaten zur renalen Denervation vor.[6] Es gibt außerdem, wenn auch sehr selten, Hinweise auf eine Verengung der Nierenarterien, Thromben und Dissektionen als Folgen der Denervation. Die Mehrheit der vorliegenden Studien konnte nur einen geringen, aber nicht homogenen Nutzen verzeichnen. Noch nicht eindeutig belegt ist vor allem, welcher Patient von einer interventionellen Therapie profitiert. Device-basierte Thera­pien wie die renale Denervation werden deshalb auch von den Leitlinien für die Routinebehandlung nicht empfohlen, bis weitere Evidenz hinsichtlich ihrer Sicherheit und Wirksamkeit verfügbar ist.[2]

Verbesserung der Adhärenz

Die Therapieadhärenz bei Hypertonie ist, wie Studien gezeigt haben, weiterhin gering.[2] Eine unzureichende Adhärenz liegt vor, wenn Patienten ihre Medikamente nur unregelmäßig einnehmen oder Veränderungen des Lebensstils nur teilweise umsetzen. Als eine hauptsächliche Ursache dafür, ist die Komplexität von Behandlungsstrategien bzw. die hohe Anzahl der einzunehmenden Medikamente zu nennen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Adhärenz bei einer Einzeltablette am größten ist, jedoch mit jedem zusätzlichen Antihypertensiva sinkt.[7] Die Kombination aller Substanzen in niedrigen Dosierungen in einer Einzeltablette (Zweifach- oder Dreifach-SPC), wie sie die aktuellen Leitlinien als Standard vorsehen, hat zum Ziel, die Einhaltung der Therapieziele bei Hypertonie-Patienten zu gewährleisten und zu verbessern. Experten versprechen sich davon zukünftig größere Erfolgsraten in der Blutdruckkontrolle.[2]

Da Bluthochdruck in der Regel keine wesentlichen Beschwerden verursacht, empfinden ihn viele Patienten häufig nicht als Erkrankung. Zudem gehen viele antihypertensive Medikamente oft mit Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel und Antriebslosigkeit einher, was eine inkonsistente Einnahme begünstigt. Viele Patienten vergessen jedoch auch ihre Medikamente regelmäßig einzunehmen. Bei mangelnder Compliance sind daher nicht nur die Hypertonie-Patienten, sondern auch die behandelnden Ärzte gefragt. Deshalb wird Ärzten für eine erfolgreiche Behandlung empfohlen, Bluthochdruck-Patienten vermehrt über die Risiken für kardiovaskuläre Ereignisse und über den Nutzen der Einhaltung der Therapie für die eigene Gesundheit aufzuklären.[2] Im gemeinsamen Gespräch können individuelle Strategien entwickelt werden, die den Patienten zu einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme motivieren.

Es wird generell geraten, eine Hypertonie-Behandlung stets mit einer niedrigen Dosierung der Blutdruckmedikamente zu beginnen und die Dosierung dann über Wochen oder Monate entsprechend des gewünschten Zielblutdrucks zu steigern. So wird dem Körper ausreichend Zeit gegeben, sich an den normalen bzw. niedrigeren Blutdruck zu gewöhnen. Dennoch sollten Mediziner ihre Patienten im Vorfeld der Behandlung auf eventuelle Begleitsymptome aufmerksam machen. Sind die Patienten auf diese Nebenwirkungen vorbereitet, können sie leichter damit umgehen. Bei einem zusätzlich gesunden Lebensstil können die Dosis und damit auch die Nebenwirkungen im weiteren Verlauf der Therapie verringert werden.

Der Artikel

Prof. Prof. h.c. Dr. med. Markus van der Giet
Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, Hypertensiologe (DHL), Leiter des Hochdruckzentrums

Charité – Universitätsmedizin Berlin

[1] Calhoun D et al., Hypertension 2008; 51: 1403–1419
[2] Williams B et al., European Heart Journal 2018; 39: 3021–3104
[3] Williams B et al., Lancet 2015; 386(10008): 2059–2068
[4] Williams B et al., Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6: 464–475
[5] https://www.hochdruckliga.de/tl_files/content/dhl/journal-by-fax/nr16_2006.htm (Stand: 30.08.2019)
[6] DEGAM S1-Handlungsempfehlung zur renalen Denervierung; Stand 2015
[7] Gupta P et al., Hypertension 2017; 70: 1042–1048

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