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Allgemeinmedizin

Sind Frauen nur kleine Männer?

Geschlechterunterschiede bei Asthma und COPD

Dr. med. Iris Koper

29.9.2023

Hormonelle und genetische Faktoren beeinflussen die phänotypische Ausprägung von Asthma und COPD. Daneben existieren soziokulturell bedingte Geschlechterunterschiede in der Präsentation, der diagnostischen Wahrnehmung und in der Behandlung von Symptomen obstruktiver Atemwegserkrankungen.

Die Prävalenz obstruktiver Atemwegserkrankungen steigt stetig. Asthma bronchiale ist eine chronisch entzündliche Atemwegserkrankung, von der zurzeit weltweit ca. 300 Millionen Menschen betroffen sind. Dabei sind Asthmainzidenz und -schweregrad bei Frauen insgesamt höher als bei Männern: Bei Frauen im 4. bis 6. Lebensjahrzehnt sind sie am höchsten. Im Kindesalter sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen – doch dieses Verhältnis dreht sich im Erwachsenenalter um. Auffällig ist, dass bei Mädchen unab­hängig von der körperlichen Fitness Übergewicht mit einer höheren Asthmaprävalenz und -morbidität assoziiert ist. Schweres Asthma tritt vor allem bei Jungen vor bzw. im Schuleintrittsalter auf sowie bei Frauen um die Meno­pause. Frauen entwickeln dann häufiger als Männer ein „kortikosteroidresistentes“ bzw. schwer behandelbares Asthma.

Pathophysiologie bei Asthma

Estrogenrezeptoren finden sich auf zahlreichen ­immunregulatorischen Zellen, zudem beeinflusst das Estrogen immunologische Reaktionen eher in Richtung einer Allergieentwicklung. Dabei werden allergische Sensibilisierungen – wie zumindest im Tiermodell nachgewiesen – nicht nur durch endogene Estrogene begünstigt, sondern auch durch Xeno-­Estrogene aus Umweltbelastungen, z. B. ­Bisphenol A und Phthalate. Die Effekte der Sexualhormone auf Asthmasymptomatik und -verlauf sind komplex und scheinen insbesondere mit der Fluktuationsdynamik der hormonellen Spiegel ­assoziiert zu sein.

Testosteron und seine Metaboliten tragen zur physiologischen Balance zwischen Autoimmunität und schützender Immunität durch Erhalt der regulatorischen T-Zellen bei. Jedoch werden die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Asthma nicht nur durch Sexualhormone begründet. Verschiedene Faktoren wie die anatomische Größe von Bronchien, eine allergische Disposition, Adipositas, Komorbiditäten wie der gastroösophageale Reflux und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) beeinflussen den Asthmaverlauf über die gesamte Lebensspanne. Ebenso haben soziale und Umweltfaktoren sowie Expositionen im Beruf einen Einfluss auf den Verlauf von Asthma.

COPD

Die COPD führt häufig zu einer großen Einschränkung der Lebensqualität. Sie hat weltweit eine hohe Prävalenz mit mehr als 250 Millionen Betroffenen. Insge­samt stellte sie 2019 die dritthäufigste Todesursache mit 3,23 Millionen Toten dar. Im direkten Geschlechtervergleich steigt die Prävalenz bei Frauen stetig an, Gleiches gilt für die Todesraten. Auch entwickeln Frauen im Gegensatz zu Männern in jüngeren Jahren und unter weniger Zigarettenrauchexposition eine COPD. Bei Bestehen der Erkrankung weisen sie im Vergleich höhere ­Mortalitätsraten auf.

Die COPD wird in Deutschland mit über 90 % durch das Zigarettenrauchen begünstigt. Dabei scheinen verschiedene Faktoren die erhöhte Sensibilität der Frauen im Vergleich zu Männern zu fördern:  Frauen haben kleinere Lungen, sodass eine Zigaretten­packung eine höhere Dosis darstellen kann, sie ­rauchen andere Zigarettenmarken und weisen eine andere Inhalationstechnik auf. Biologische Unter­schiede zeigen sich schon im Kindesalter: Mädchen erfahren eine größere Reduktion ihrer Lungen­funktionswerte als Jungen, wenn sie gegenüber ­Tabakrauch exponiert werden. In Tierstudien ­zeigte sich, dass ­Estradiol das Cytochrom P450 hochreguliert, welches die weiblichen Lungen gegenüber ­Schäden durch Oxidanzien – induziert durch Zigarettenrauch – empfindlicher macht.

Nichtraucherprogramme sollten geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen, um erfolgreich zu sein.

Männer entwickeln aufgrund des Rauchens häufiger ein Emphysem als Frauen. Diese weisen dagegen eher eine obstruktive Ventilationsstörung auf und erfahren einen schnelleren Abfall des FEV1 (forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde) über die Zeit als Männer (Abb.). Stoppen Frauen das ­Rauchen, so profitieren sie hinsichtlich des FEV1 mehr davon als Männer, hinsichtlich ihrer Symptomatik (z. B. Auswurf) weniger. Das mag der Grund dafür sein, dass Frauen eine Nikotinkarenz nicht so lange durchhalten wie Männer: Nach Ablauf von 12 Monaten halten sie eine angestrebte Nikotin­karenz nur halb so häufig ein. Deshalb sollten bei Nichtraucherprogrammen geschlechts­spezifische Unterschiede bei der Nikotinentwöhnung berück­sichtigt werden.

Symptomatik

Die klinische Manifestation des Asthmas ist zwischen den Geschlechtern unterschiedlich, so berichten Frauen von eine stärker ausgeprägten Symptomatik. Diese scheint sich mit den verschiedenen Lebensabschnitten wie Menstruation, Schwangerschaft und Menopause zu verändern. Besonders in jungen Jahren leiden Frauen häufiger unter Husten und Giemen. Darüber hinaus nimmt mit zunehmendem Alter ihre bronchiale Hyperreaktivität weniger stark ab als die der Männer. Diese schildern hingegen häufiger nächtliche Symptome. Im Vergleich zu Männern weisen Frauen aber mit höherer Wahrscheinlichkeit spezifische Asthmasymptome, eine Einschränkung der Aktivität sowie Kurzatmigkeit auf und geben eine geringere asthma­bezogene Lebensqualität an.

Es existieren verschiedene Hypothesen für die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Asthmasymp­tomatik: So könnte eine andere Wahrnehmung der Bronchialobstruktion bei Frauen vorliegen. Diese Hypothese wird von einer konstant höheren Angabehäufigkeit von Dyspnoe durch Frauen im Vergleich zu Männern gestützt, bezogen auf ­dieselbe prozentuale Einschränkung des FEV1 – ganz gleich, ob es sich absolut gesehen um eine kleine oder große Einschränkung der Lungenfunktion ­handelte. Weitere Hypothesen für die unterschiedliche Symptomatik bei den Geschlechtern berücksichtigen die geringere inspiratorische Muskelkraft sowie eine erhöhte bronchiale Hyperreagibilität der Frauen.

Auch verursachen die weiblichen Geschlechtshormone Unterschiede in der klinischen Manifestation des Asthmas. So fördert Estrogen die bronchiale Hyperreaktivität, und sowohl FEV1 als auch exhaliertes ­Stickstoffmonoxid (NO) zeigen einen zyklusabhängigen Verlauf. Von den prämenopausalen Frauen leiden 20–40 % an prä- oder perimenstruellem Asthma (PMA) und erleben eine Exazerbation in der Woche vor der Menstruation, beruhend auf einer gesteigerten Inflammation in den Bronchien.

Während einer Schwangerschaft kann sich das Asthma in seiner Ausprägung verändern. Bei etwa einem Drittel verbessert sich die Asthmasymptomatik, bei einem Drittel der Schwangeren bleibt die Symptomatik gleich und bei einem weiteren Drittel lässt sich das Asthma während der Gravidität schlechter kontrollieren. Außerdem kann ein schon vor der Schwangerschaft schwer zu kontrollierendes Asthma während der Schwangerschaft in der Ausprägung noch zunehmen.

Bei (post-)menopausalen Frauen steigt allgemein das Risiko für das Neuauftreten eines (meist nicht allergischen) Asthmas.

Außerdem berichten Frauen mit COPD öfter über Dyspnoe als Männer (63 % versus 44 %). Frauen zeigen zudem eine geringere körperliche Belastbarkeit und haben weniger Muskelkraft als Männer. Dieses beruht sicher teilweise auf anatomischen Unterschieden. Allerdings stellt sich die geringere körperliche Belastbarkeit der Frauen nicht nur bei den absoluten Werten dar, sondern auch in Prozent vom Sollwert im 6-Minuten-Gehtest, adjustiert auf Größe, Alter und Geschlecht. Frauen empfinden also häufiger als ­Männer eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und schätzen ihren Gesundheitsstatus signifikant schlechter ein als Männer (40 % vs. 28 %). Darüber hinaus haben Frauen – bestimmt durch den Saint Geoge‘s Respiratory Questionnaire (SGRQ) – eine schlechtere symptombezogene Lebensqualität als Männer und geben häufiger an, unter Depressionen zu leiden. Weiterhin weisen sie im Schnitt früher als  Männer eine erst mittelschwere bis dann schwere Exazerbation ihrer COPD auf. Bezüglich der Komorbiditäten bei Patienten mit COPD leiden Frauen weniger häufig unter kardiovaskulären Komorbiditäten und Diabetes mellitus. Dafür treten Osteoporose, gastroösophagealer Reflux, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Depressionen häufiger bei weiblichen Patienten auf.

Diagnostik

Die Diagnose eines Asthmas wird bei Frauen weltweit weniger gestellt als bei Männern. Außerdem erhalten Asthmatikerinnen über alle Altersklassen hinweg seltener eine Therapie als Asthmatiker. Ähnliches gilt bei COPD: Bei Frauen wird die Diagnose deutlich seltener gestellt als bei Männern. In der Diagnostik der COPD werden Frauen bei gleicher Anamnese deutlich weniger häufig einer Spirometrie zugeführt als Männer. Und erst, wenn diese erfolgt, wird die Diagnose auch gestellt.

Therapie

Die meisten Medikamente, die beim Asthma ein­gesetzt werden, sind topische oder systemische ­Steroide oder Biologika, die bei IL-4, IL-5 oder ­­IL-13 eingreifen. Ihr Ziel ist die Behandlung der T2-­In­flam­mation. Da Frauen eine geringere T2-Inflammation aufweisen als Männer, kann dieser biologische Unterschied neben z. B. der Compliance für die ­schlechtere Asthmakontrolle bei Frauen verantwortlich sein.

Es liegen keine großen Studien vor, die eine unterschiedliche Wirkung von β2-Sympathomimetika bei den Geschlechtern zeigen konnten. Bei der Wirkung inhalativer Steroide gibt es Hinweise darauf, dass bei „nativen Asthmatikern“, die nie in ihrem Leben ­Raucher waren, bei den Männern das FEV1 relativ zur Vitalkapazität signifikant stärker ansteigt als bei ­Frauen. Für den Leukotrienantagonisten Montelukast zeigte sich, dass sich die Asthmasymptomatik bei der Behandlung von Jungen im Alter von 2 bis 9 Jahren im Gegensatz zu den gleichaltrigen Mädchen signifikant besserte. In der Altersklasse der 10- bis 14-Jährigen zeigten dann die Mädchen im Vergleich zu den Jungen ein deutlich besseres Ansprechen. So kann der Merksatz gelten: Montelukast wirkt bei kleinen Jungs und etwas älteren ­Mädchen und Frauen.

Zu Biologicals wie Mepolizumab und Omalizumab liegen keine ­prospektiv erhobenen geschlechtsspezifischen Daten für die Therapie des Asthmas vor. Für ­Omalizumab wurden retrospektive Analysen für die Therapie des schweren persistierenden Asthmas sowie der chronischen therapierefraktären Urtikaria veröffentlicht, die keinen Unterschied im Therapieansprechen zwischen beiden Geschlechtern zeigten.

Bei der ­Therapie der COPD verursachen Männer höhere ­jährliche Therapiekosten als Frauen. Außerdem nehmen prozentual gesehen mehr Männer lang wirksame β2-Sympathomimetika, Anticholinergika, Theophyllin und Mukolytika ein. Allerdings konnten in Studien keine geschlechtsspezifischen Unterschiede hinsichtlich z. B. Exazerbationsraten unter einer Therapie mit Salmeterol/Fluticason oder einer Therapie mit ­Tiotropium gefunden werden. Bei der Prävention von Exazerbationen der COPD mittels Azithromycin­ ergab sich ein besserer (jedoch statistisch nicht signifikanter) Erfolg bei den Frauen.

In einer israelischen Studie zeigte sich, dass Frauen weniger häufig als Männer gegen Influenza und Pneumokokken geimpft wurden.

Frauen und Männer profitieren bei ihrer Lebensqualität von körperlichem Training – ganz gleich, welche Trainingsmodalität gewählt wurde. Von einer länger durchgeführten Trainingstherapie über 18 Mo­nate profitieren Frauen aber nicht. Nur Männer haben davon einen zusätzlichen Benefit. Bezüglich einer Sauerstofflangzeittherapie (LOT) liegen ein gutes halbes Dutzend Studien vor, die widersprüchliche Ergebnisse bieten. Die Tendenz geht dahin, dass Frauen unter LOT länger überleben als Männer. Auch nach einem stationären Aufenthalt wegen einer COPD überleben Frauen im Mittel länger als Männer und werden ­später rehospitalisiert als die männ­lichen Patienten.

Deshalb gilt: Erst durch die Berücksichtigung dieser geschlechtsspezifischen Unterschiede kann eine optimale Therapie erreicht werden.

Fazit

Es ist evident, dass es deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei der Diagnosestellung, der Therapie und im Verlauf von Asthma und COPD gibt. Um eine optimale Diagnostik und Therapie der obstruktiven Atemwegserkrankungen zu erreichen, müssen Gender­aspekte berücksichtigt werden.

Die Autorin

Dr. med. Iris Koper
Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie, Intensivmedizin, Allergologie und Umweltmedizin
Chefärztin Ameos Klinik Oldenburg

Iris.Koper@ameos.de

Literatur bei der Autorin

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