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Stoffwechsel

Störungen des Cholesterinhaushalts durch viele, auch bekannte Wirkstoffe

Die explorative Suche nach neuen Medikamenten, bei der z.B. riesige Molekülbibliotheken aus der kombinatorischen Chemie in Hochdurchsatz-Tests auf ihre pharmakologische Wirkung geprüft und durch Informationen aus der Komplettsequenzierung des menschlichen Genoms oder neue molekularbiologische Methoden erweitert werden, kann die Fülle des Lebens nur teilweise abbilden, wobei z.B. potenzielle Nebenwirkungen neuer Wirkstoffe zunächst unerkannt bleiben können.

Chemiker und Biologen um Prof. Dr. Herbert Waldmann und Dr. Slava Ziegler am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund haben nun verschiedene Strategien zur Wirkstoffsuche kombiniert und so für eine Gruppe von bereits charakterisierten Wirkstoffen eine unerwartete Wirkung identifiziert: Sie fehlregulieren allesamt den Cholesterinstoffwechsel.
Mit solchen neueren Teststrategien ‒ Profilierungsansätzen ‒ besteht heute die Möglichkeit, ein größeres Wirkspektrum von Substanzen zu erfassen. Hierbei werden simultan hunderte zelluläre oder genetische Parameter in einem Profil erfasst, das mit Profilen von Referenzwirkstoffen mit bereits bekannten Wirkungen verglichen wird. Für ihre neueste Forschungsarbeit hat die Dortmunder Gruppe zwei Profilierungsansätze kombiniert, um bioaktive Substanzen aus einer Substanzbibliothek mit ca. 15.000 Naturstoff-inspirierten Molekülen zu identifizieren und sie mit den Profilen von bekannten Wirkstoffen zu vergleichen. Mit diesem „Cell Painting“-Ansatz, in dem mehrere funktionelle Bereiche der Zelle gefärbt und anschließend mikroskopisch auf Veränderungen untersucht werden, konnte ein großer Cluster von Substanzen mit ähnlichen Profilen ausgemacht werden. Eine Vorhersage über die Wirkweise des Clusters war jedoch nicht möglich, da diese Referenzsubstanzen sehr unterschiedliche Aktivitäten, also Zielmoleküle, aufwiesen. Mit einer anschließenden Suche mittels Proteomprofilierung, bei der die Mengen tausender Proteine und ihre Regulation quantifiziert werden, konnte die Gruppe den Cluster jedoch auf eine für die meisten Referenzsubstanzen ungeahnte gemeinsame biologische Aktivität eingrenzen: die Fehlregulation der Cholesterinhomöostase.
Ursache für diese spezifische Nebenwirkung der ansonsten so überaus heterogenen Substanzgruppe, die unterschiedlichste Zielmoleküle im Körper angreift, könnte sein, dass die meisten untersuchten Substanzen des Clusters im Lysosom akkumulieren, einem Organell, in dem das Cholesterin für seine weitere Funktion in der Zelle zwischengelagert wird. Das Lysosom weist einen niedrigeren pH-Wert als der Rest der Zelle auf, und dieser ist von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren der lysosomalen Verdauungsenzyme, die fremde und eigene Biomoleküle verarbeiten. Im Lysosom erhöhen die Substanzen aus dem beschriebenen Cluster den pH-Wert und stören somit die Funktion dieses Organells und insbesondere den Cholesterinhaushalt der Zelle. Dass sich die Substanzen im Lysosom anlagern, ist also nicht auf ein konkretes Zielmolekül im Lysosom, sondern auf ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften zurückzuführen, die sie durch ihre strukturelle Optimierung für eine verbesserte Löslichkeit erhalten haben. „Interessanterweise wurde ein gestörter Cholesterinhaushalt bereits mit einigen auf dem Markt erhältlichen Medikamenten in Verbindung gebracht, z.B. Psychopharmaka“, stellte Tabea Schneidewind, Erstautorin der Studie, in einer Pressemitteilung fest. „Mit der Kombination der beiden Suchstrategien können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: dem Grund für Nebenwirkungen auf die Spur kommen und neue Wirkstoffe und Wirkmechanismen identifizieren“, fasste Dr. Slava Ziegler zusammen.

Originalpublikation Schneidewind T et al., Cell Chem Biol 2021 Jun 29; S2451-9456(21)00302-0, doi 10.1016/j.chembiol.2021.06.003, PMID 34214450

Pressemitteilung: Bekannte Wirkstoffe zeigen unerwartete Wirkung. Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (MPI), Dortmund, 22.07.2021 (idw-online.de/de/news773256)

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