Die mentale Vorstellung einer Bewegung kann die Leistung verbessern. Eine Studie des MPI CBS in Leipzig zeigt jetzt, dass bereits das Vorstellen eines Teils einer Bewegungssequenz das motorische Lernen unterstützt. Dafür nutzten sie einen Exoskelett-Roboter, um das motorische Lernen zu messen. Die Ergebnisse der Studie könnten unter anderem helfen, die Erholung der motorischen Fähigkeiten nach einem Schlaganfall durch gezieltes Vorstellungstraining zu verbessern.
Die 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie machten Armbewegungen, während sie in einem Exoskelett-Roboter saßen. Auf dem Bildschirm vor ihnen wurden Zielpunkte angezeigt, die sie mit der rechten Hand erreichen sollten. Der Roboter drückte dabei systematisch gegen bestimmte Bewegungen, so dass die Teilnehmenden lernen mussten, diesen „Kraftfeldern“ entgegenzuwirken. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich vor der Bewegung durchs Kräftefeld eine spezifische Bewegung vorstellten, erzielten größere Erfolge beim Lernen und letztlich Bezwingen der Kraftfelder als diejenigen, die sich nichts vorgestellt hatten. Eine Bewegungssequenz oder bestimmte Abfolge von Bewegungen werden zu einem gewissen Ausmaß als eine Einheit im Gehirn repräsentiert. Selbst wenn ein Teil der Abfolge nur vorgestellt wurde, profitierten die Teilnehmenden von der ganzheitlichen Repräsentation der gesamten Bewegungssequenz. Menschen mit besserer Vorstellungskraft lernten schneller und zeigten bestimmte neuronale Muster während eines anschließendem Vorstellungstest gemessen durch ein Elektroenzephalogramm (EEG)“, sagt Magdalena Gippert, Erstautorin der Studie.
Praktischer Nutzen für Sport und Rehabilitation
„Unsere Ergebnisse eröffnen spannende Möglichkeiten für das Sporttraining und die Rehabilitation“, ergänzt die Wissenschaftlerin, die in der Abteilung Neurologie am MPI CBS forscht. „Normalerweise stellt man sich genau den Bewegungsteil vor, den man lernen möchte. Wir konnten aber zeigen, dass es auch helfen kann, sich eine mit der Zielbewegung verbundene Bewegung vorzustellen. Das wird im Sport und in der Rehabilitation noch nicht so häufig genutzt, könnte aber direkt praktischen Nutzen haben. Zum Beispiel erholen sich nach einem Schlaganfall grobmotorische Fähigkeiten, wie das Armstrecken, oft vor feinmotorischen Fähigkeiten, wie den Fingerbewegungen. In diesem Zusammenhang kann das Training einer hybriden Sequenz, die zum Beispiel aus einer tatsächlichen Armbewegung hin zu einem Objekt und einer imaginären Greifbewegung der Finger besteht, das Wiedererlernen der Greifbewegung durch die gut erforschten Effekte der motorischen Vorstellung der Zielgreifbewegung fördern. Darüber hinaus kann die vorherige Armbewegung mit etwas Übung ein Hinweisreiz für die spezifische (imaginierte) Greifbewegung werden und so den Lernprozess weiter erleichtern.“
Die Ergebnisse haben nach Auffassung des Forscherteams Potential für Sporttraining und Rehabilitation, insbesondere nach einem Schlaganfall. Hybrides Training, das reale und imaginierte Bewegungen kombiniert, kann die Wiedererlangung motorischer Fähigkeiten fördern.
Hintergrund: Bewegungsvorstellungstraining (Motor Imagery, MI) ist eine etablierte Methode in Rehabilitation und Trainingswissenschaft, die auf der mentalen Simulation von Bewegungen basiert. Dabei werden motorische Handlungen ohne tatsächliche Ausführung vorgestellt, was neurophysiologische Prozesse aktiviert, die denen der realen Bewegung ähneln. In der neurologischen Rehabilitation, etwa bei Querschnittslähmung oder Schlaganfall, unterstützt MI die funktionelle Wiederherstellung. Studien zeigen, dass MI die kortikale Reorganisation fördert und motorische Funktionen verbessert, insbesondere wenn es mit physischer Therapie kombiniert wird. Es ist besonders wertvoll, wenn körperliches Training eingeschränkt ist. Mentales Training gilt als eine der zentralen Methoden zur Optimierung der Leistung, Technikoptimierung und mentalen Vorbereitung im Leistungssport. Athleten nutzen es auch, um Bewegungsabläufe zu verinnerlichen, Selbstvertrauen zu stärken und Verletzungen vorzubeugen. MI kann sogar Muskelaktivität beeinflussen und Kraftzuwächse unterstützen. Für effektives MI-Training sind klare Zielsetzungen, regelmäßige Praxis und die Integration sensorischer Details entscheidend. Die Kombination mit physischem Training maximiert die Wirksamkeit. Insgesamt ist Bewegungsvorstellungstraining ein vielseitiges Instrument zur Förderung motorischer Fähigkeiten in Therapie und Sport (Zentgraf K et al.: Kognitives Training im Sport. ISBN 978-3-8409-2440-8). Es stehen auch Biofeedback-Geräte zur Verfügung, die für das eigene Training z. B. per Bluetooth mit dem eigenen Smartphone gekoppelt werden können.
Pressemitteilung „Bewegungslernen durch mentale Vorstellung: Ein Teil einer Sequenz reicht aus“. Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI-CBS), Leipzig, 19.5.2025 (https://www.cbs.mpg.de/2358430/20250519).
* Gippert M et al.: Motor imagery enhances performance beyond the imagined action. Proc Natl Acad Sci U S A. 2025 May 20;122(20):e2423642122 (DOI 10.1073/pnas.2423642122).