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Onkologie

Zeittoxizität als Konzept für selbstbestimmte (Rest-)Lebenszeit von Patienten

22.8.2022

Ein wichtiger Endpunkt in der Krebsbehandlung ist die Zeit, die eine Therapie den Patienten kostet. Onkologen aus Kanada und den USA diskutieren jetzt, ob diese Zeit angemessen berücksichtigt wird.

Zeittoxizität (time toxicity) beschreibt die Zeit, die Krebspatienten für die Koordinierung ihrer Krebstherapie und für häufige Besuche in Gesundheitseinrichtungen (einschließlich Reise- und Wartezeiten), für die Suche nach dringenden/notfallmäßigen Behandlungen aufgrund von Nebenwirkungen, für Krankenhausaufenthalte oder Nachuntersuchungen etc. aufwenden müssen. Genau diese zeitliche Belastung für die Patienten fließt aber oft zu wenig in die Beurteilung des Nutzens einer Behandlung mit ein, insbesondere in palliativen Situationen. In der Fachzeitschrift der ASCO (American Society of Clinical Oncology), diskutierten jetzt Onkologen aus Kanada und den USA die Frage, ob sich dieser Zeitaufwand angesichts eines häufig nur bescheidenen Überlebensvorteils einer Krebstherapie für Patienten wirklich „lohnt“. Vor allem im Vergleich mit einer – bei weitaus höherer Lebensqualität – zu Hause verbrachten Lebenszeit.

Zeittoxizitäts-Maß als Parameter

Obwohl sich die Behandlungsergebnisse bei vielen Krebsarten im Laufe der Zeit verbessert haben, bleibt der Nutzen der meisten individuellen Behandlungen bei unheilbaren soliden Krebsarten mit einer durchschnittlichen Überlebensverlängerung von 2 – 3 Monaten relativ gesehen gering. Demgegenüber kann der Zeitaufwand zur Durchführung einer onkologischen Therapie erheblich sein.. In einigen Fällen kann der Zeitverlust, der durch eine solche Behandlung entsteht, die bescheidenen Überlebensvorteile einer Behandlung sogar wieder aufwiegen. In ihrem Kommentar schlagen die Autoren deshalb ein Zeittoxizitäts-Maß vor und deuten an, wie ein solcher Parameter in Forschung, klinischer Praxis und bei den gemeinsamen Therapieentscheidungen von Patienten und Ärzten umgesetzt werden könnte. Dieses könnte folgende Faktoren umfassen: Tage mit direktem Kontakt mit dem Gesundheitssystem, einschließlich Klinikbesuchen, Infusionen, Eingriffen, Blutuntersuchungen, Besuchen in der Notaufnahme und Übernachtungen. Und Tage ohne einen physischen Kontakt mit diesem System, die als „Heimtage“ in die Zeittoxizitäts-Bewertung eingehen.

Entscheidungshilfen für die Patienten

Aus Sicht der Autoren ist es essentiell, dass die Patienten die relative zeitliche Belastung verstehen, die mit den verschiedenen Behandlungsoptionen verbunden ist, da sie nur so aktiv ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Selbst wenn die Werte und Präferenzen von Person zu Person unterschiedlich sind, z. B. hinsichtlich des Endpunktes „Lebensdauer“ und seiner Surrogate, möchten alle Patienten die Zeit in Wartezimmern oder die Nächte in der Notaufnahme so kurz wie möglich halten. Auch wenn sich Onkologen über kleine Überlebenszeitgewinne insbesondere bei neuen Behandlungen freuen, berücksichtigen sie dabei zumeist nicht, wo die Patienten ihre Zeit verbringen. Die Autoren schlagen deshalb vor, dass in klinischen Onkologie-Studien, insbesondere bei fortgeschrittenen soliden Krebserkrankungen, in Zukunft ein Maß für die Zeittoxizität angegeben wird. Entsprechende Daten könnten dann als Orientierungshilfe für Patienten dienen, die anhand von prospektiven Daten entscheiden könnten, wo und wie sie ihre verbleibende Lebenszeit verbringen wollen.

Der Autor

Rainer H. Bubenzer

Gupta A, Eisenhauer EA, BoothCM: The Time Toxicity of Cancer Treatment. J Clin Oncol. 2022 May20;40(15):1611-1615 (DOI 10.1200/JCO.21.02810).

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